Heil prüft höheres Kurzarbeitergeld
Der Bundesarbeitsminister will mit Arbeitgebern und Gewerkschaften über Härten sprechen. Der Verband Unternehmer NRW warnt vor Entlassungen und nennt Kurzarbeiter privilegiert.
DÜSSELDORF/BERLIN Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist zu Gesprächen über eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes bereit, wenn Unternehmen in der Corona-Krise sonst in Existenznot geraten und Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. „Mein Appell an die Arbeitgeber in dieser Situation ist klar: Schmeißt die Leute nicht raus! Ihr habt die erleichterten Regeln für Kurzarbeit, mit denen wir Brücken über diese Krise bauen. Wenn es nötig ist, bauen wir die auch noch länger“, sagte Heil unserer Redaktion. Es gebe bereits viele tarifvertragliche oder betriebliche Vereinbarungen, das Kurzarbeitergeld von 60 oder 67 Prozent (für Arbeitnehmer mit Kindern) auf 80, 90 oder 100 Prozent des Nettolohns aufzustocken. „Aber es gibt auch Branchen, in denen das schwierig oder umstritten ist.“Der Staat übernehme aber auch 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeitende. Er werde mit Arbeitgebern und Gewerkschaften darüber reden, wie sie diesen Vorteil an die Beschäftigten weitergeben können, „aber auch darüber, ob wir das Kurzarbeitergeld noch einmal anheben können“. Es gehe vor allem darum, diejenigen, die ohnehin schon niedrige Löhne und Gehälter haben, vor unzumutbaren Lohneinbußen zu schützen.
Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer beim Arbeitgeberverband
Unternehmer NRW, sagte unserer Redaktion, die Forderung, die erstatteten Sozialbeiträge auch nur teilweise an die Arbeitnehmer weiterzuleiten, sei „in der gegenwärtigen Situation kontraproduktiv“. Es handele sich um „Beiträge für nicht geleistete Arbeit“. Es sei abenteuerlich so zu tun, als streiche sich der Arbeitgeber dieses Geld ein. „Das ist brandgefährlich“, warnte Mallmann. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen könne jede Aufstockung eine Überforderung darstellen und dazu führen, dass sie sich statt für Kurzarbeit für Entlassungen entscheiden müssten. Er räumte zwar ein, dass es für Mitarbeiter am Monatsende eng werden könne, wenn auf einen Schlag 30 oder 40 Prozent des Nettoentgelts wegfallen. „Aber niemand fällt ins Bergfreie. Aufgestockt werden kann der Betrag dann über das Arbeitslosengeld II, früher die Sozialhilfe.“Für Mallmann stellt sich die Frage: „Was ist die Rechtfertigung dafür, jemanden, der zu 100 Prozent kurzarbeitet, besser zu stellen als den Arbeitslosen?“Der Kurzarbeiter behalte seinen Job und die vollen Anwartschaften in den Sozialversicherungen. Er sei damit privilegiert.
Gewerkschaften kämpfen derzeit darum, für ihre Klientel Aufstockungen beim Kurzarbeitergeld vonseiten der Arbeitgeber durchzusetzen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat für die Kommunalbeschäftigten etwa eine Aufstockung auf bis zu 95 Prozent erstritten.
In NRW haben in der jetzigen Krise dramatisch viele Firmen Kurzarbeit angemeldet: 96.000. In der Finanzkrise 2008/2009 waren es 30.000. Für den Fall, dass es unter den Firmen Trittbrettfahrer gibt, hat Heil Konsequenzen angekündigt. Er geht aber davon aus, dass niemand Kurzarbeit anmeldet, wenn genügend Arbeit da ist. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte in Brüssel ein Konzept mit dem Titel „Sure“vor, mit dem die Kommission mit Rückendeckung der EU-Staaten 100 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und sie in Form von Krediten für Kurzarbeiterhilfen weitergeben will.