Von der Leyen räumt Fehler der EU ein
Die EU-Kommissionspräsidentin verspricht in der Corona-Krise Hilfen in Milliardenhöhe für Kurzarbeiter der am stärksten betroffenen Länder.
ROM (dpa) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in der Corona-Krise Fehler der Europäischen Union im Umgang mit Italien eingeräumt und Hilfen in Milliardenhöhe für Kurzarbeiter versprochen. „Die Union wird bis zu hundert Milliarden Euro zugunsten der am stärksten betroffenen Länder, angefangen mit Italien, bereitstellen, um die Kürzung der Gehälter der Kurzarbeiter auszugleichen“, schrieb von der Leyen in einem Beitrag für die italienische Zeitung „La Repubblica“. Und weiter: „Alle Mitgliedsländer werden dazu beitragen, dieses neue Instrument (...) zu ermöglichen.“
In Italien sind innerhalb eines Tages erneut Hunderte Corona-Patienten gestorben. Die Zahl der Menschen, die aktuell mit dem Erreger infiziert sind, kletterte am Donnerstag um knapp 2500 Menschen im Vergleich zum Vortag. Doch insgesamt zeigten die Zahlen, die der Zivilschutz in Rom am Abend vorstellte, weiter eine Stabilisierung des Trends. Insgesamt zählten die Behörden 115.242 Corona-Fälle.
„Es muss anerkannt werden, dass in den ersten Tagen der Krise angesichts der Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Antwort zu viele nur an die eigenen Probleme dachten“, schrieb von der Leyen in der Zeitung. „Es war ein schädliches Verhalten, das hätte vermieden werden können.“Inzwischen habe Europa aber das Tempo geändert.
„Wir haben alles, was möglich ist, getan, um die europäischen Länder dazu zu bringen, wie ein Team zu handeln und eine koordinierte Antwort auf ein gemeinsames Problem zu gewährleisten“, schrieb die deutsche Politikerin.
In dieser Coronavirus-Krise würden nur die stärksten Antworten ausreichen, sagte von der Leyen. „Wir müssen jedes zur Verfügung stehende Mittel nutzen.“Schon jetzt hätten die EU und ihre Mitgliedsstaaten 2,7 Billionen Euro gegen die Pandemiekrise mobilisiert. „Das ist die größte Reaktion der EU auf eine Krise in der Geschichte.“
Für ihre neuen Vorschläge braucht von der Leyen die Zustimmung der EU-Staaten und des Parlaments. Zentraler Punkt ist „Sure“, die Unterstützung für Kurzarbeiterprogramme in den EU-Staaten, die vor allem besonders hart getroffenen Ländern wie Italien und Spanien helfen soll. Von der Leyen sagte, sie habe den Plan bereits im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs angerissen und mit einigen von diesen auch näher besprochen. Die Reaktionen seien positiv und sie rechne mit einer raschen Verabschiedung.
Gemeinsame Schulden auf europäischer Ebene sind politisch ein heißes Eisen. In der Debatte über Corona-Bonds – also gemeinsame europäische Anleihen zur Finanzierung von Staatshaushalten – ist noch kein Kompromiss in Sicht. Bei der geplanten Aufnahme von Krediten durch die EU-Kommission für „Sure“liegt der Fall etwas anders, da Umfang und Zweck begrenzt sind. Erste Reaktionen von EU-Diplomaten waren verhalten positiv.
Das Modell soll so funktionieren: EU-Staaten geben freiwillig „glaubhafte, unwiderrufliche und verbindliche Garantien“in Höhe von 25 Milliarden
Euro für „Sure“ab, müssen aber kein Geld einzahlen. Mit den Garantien als Rückendeckung „leiht sich die Kommission Geld an den Finanzmärkten“, wie es in einer Erklärung der Behörde heißt. „Die Kommission würde dann die Kredite zu günstigen Konditionen an die Mitgliedsstaaten geben.“Anträge auf Unterstützung sollen alle EU-Staaten stellen können.
Darüber hinaus will von der Leyen alles verbliebene Geld aus dem laufenden EU-Haushalt für Krisenhilfen mobilisieren. Aus dem europäischen Fischereifonds soll Geld für Fischer und Aquakulturen fließen, die wegen der Krise nicht oder weniger arbeiten können. Die ärmsten Europäer sollen aus einem speziellen EU-Hilfsfonds mit elektronischen Gutscheinen unterstützt werden. Drei Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt sollen direkt für Hilfen an die Gesundheitssysteme fließen, auch um nötige Schutzausrüstung
und Geräte weiter aufzustocken. Von dieser Summe sollen 300 Millionen Euro für einen gemeinsamen Vorrat an medizinischem Gerät dienen. Alle EU-Regeln würden gelockert, damit das Geld schnell und wirksam fließen könne, sagte Ursula von der Leyen. „Damit bündeln wir die Kräfte mit den Mitgliedsstaaten, um Leben zu retten und Einkommen zu schützen.“
Der ehemalige italienische Premier Mario Monti hat in der Debatte um Solidarität für Länder wie Italien oder Spanien zur Mäßigung aufgerufen. Wenn Länder wie Italien in Schwierigkeiten geraten, dann habe das auch einen fatalen Effekt auf reiche Länder wie Deutschland. Wenn die USA oder China ihre Märkte schließen, seien Export-abhängige Staaten wie Italien oder Deutschland mehr denn je aufeinander angewiesen. „Wir sitzen alle im gleichen Boot“, sagte Monti.