Rheinische Post Viersen

Kinderärzt­e schlagen Alarm

Weil Schutzklei­dung und Desinfekti­onsmittel knapp sind, könnten bald die ersten Kinderarzt­praxen schließen müssen. Dass sie überhaupt noch geöffnet sind, haben sie vor allem Spenden aus der Bevölkerun­g zu verdanken.

- VON MARTIN RÖSE

VIERSEN Der Viersener Kinderarzt Ulrich Umpfenbach hat jetzt etwas getan, was er noch nie in seinem Leben getan hat: Er ist ins Auto gestiegen, nach Mönchengla­dbach gefahren und hat unter Polizeisch­utz Schutzausr­üstung für seine Dülkener Kinderarzt­praxis abgeholt. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein hatte Material besorgt und in Mönchengla­dbach an die Kassenärzt­e ausgegeben. „Ich bekam 20 Masken, zehn Kittel, zwei Boxen mit Handschuhe­n und 500 Milliliter Sterilium für die Händedesin­fektion – das war’s. Bei strengster Einteilung und Tragen über die gesamte

Infektions­sprechstun­de kommen wir damit dann zwei Wochen hin“, sagt Umpfenbach. „Die 500 Milliliter Händedesin­fektion schaffen wir lächelnd an einem Tag.“

Bereits Anfang März hatte Umpfenbach einen Offenen Brief mitunterze­ichnet – wie auch seine Viersener Kollegin Christiane Thiele und Theo Reiners und der Nettetaler Kinderarzt Klaus Rechenberg­er. „Wir benötigen die für die Umsetzung von vorgesehen­en Hygienemaß­nahmen und Diagnostik notwendige­n Materialie­n und die entspreche­nde Ausstattun­g in ausreichen­der Menge“, stand in dem Brief der Kinderärzt­e, denn: „Kinder sind im besonderen Maße von Atemwegsin­fektionen betroffen. Gerade um diese Jahreszeit sind in unseren Praxen fast ausnahmslo­s infektkran­ke Kinder zu finden, diese benötigen unsere Hilfe und oft auch ärztliche Untersuchu­ngen.

Eine sinnvolle Abgrenzung grippaler Infekte zu Corona verdächtig­en Fällen ist daher nicht möglich“, heißt es in dem Schreiben.

Als vergangene Woche die übliche und den gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen entspreche­nde Vorratssit­uation in seiner Praxis nahezu aufgebrauc­ht war, wandte er sich Hilfe suchend an seine Patienten. „Eine Mutter postete das bei Facebook – dann haben wir zum Glück einiges an Material bekommen.“Die Kinderarzt­kollegen und er hätten feststelle­n müssen, dass angesichts der gestiegene­n Nachfrage und des knappen Angebots die Preise dramatisch angestiege­n sind. „Wir zahlen jetzt – aktuelles Angebot der Firma Letterman in Viersen – für eine FFP2-Maske knapp 18 Euro, diese Masken haben vor dem Beginn der Corona-Problemati­k 0,60 Euro gekostet!“, sagt Umpfenbach.

Was ihn wurmt: „Die Missstände in der Versorgung sind von uns schon vor Wochen an alle verantwort­lichen Personen – unseren Landrat, die zuständige Dezernenti­n, die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein wie in die lokale Politik gegangen.“

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g reagierte nun – obwohl nach Ansicht der Ärzte epidemiolo­gische Untersuchu­ngen, die nicht der Behandlung des einzelnen Patienten dienen, Aufgabe des öffentlich­en Gesundheit­sdienstes sind. Beim Kreisgesun­dheitsamt hieß es in der vergangene­n Woche hingegen auf eine Anfrage unserer Redaktion: „Die Beschaffun­g von Schutzbekl­eidung für niedergela­ssene Ärzte ist Aufgabe der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g.“

Zwei Wochen reicht die Schutzklei­dung, gespendete­s Desinfekti­onsmittel hat Umpfenbach noch in seiner Praxis. Und dann? „Nach Verbrauch der letzten Maske und des letzten Kittels wird uns nur noch der Praxisschl­uss übrig bleiben“, sagt er. „Nicht, weil wir wollen, sondern nur, weil wir nicht mehr können, wie wir – nach allen geltenden Vorschrift­en und Anweisunge­n des Robert-Koch-Instituts sollen und müssen! Was für eine beschämend­e Realität des so hoch gepriesene­n guten Krisenmana­gements in unserem Land.“

„Die Missstände in der Versorgung sind von uns schon vor Wochen an alle Verantwort­lichen gegangen“Ulrich Umpfenbach Kinderarzt

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