So sieht es in den Innenstädten aus
In Gladbach und Rheydt ist es einsam geworden. Drei Ladenbesitzer erzählen, wie sie mit der Situation umgehen.
GLADBACH/ RHEYDT 10 Uhr morgens, Gladbachs Innenstadt schläft noch. So hat es zumindest den Anschein, denn auf den Straßen ist es leer. Einen Parkplatz zu finden, ist dennoch eine Herausforderung. Einige Parkhäuser sind geschlossen, die Stellplätzen auf den Seitenstreifen sind mit Autos belegt. Um 10.10 Uhr verlässt eine ältere Dame triumphierend das Einkaufszentrum Minto. Sie hält eine Packung Toilettenpapier in der Hand. „Ich habe die ganze Woche versucht, welches zu bekommen. Jetzt hat es geklappt“, sagt sie freudestrahlend. Hinter ihr schließen sich die automatischen Glasschiebetüren wieder. Es dauert ein paar Minuten, bis sie sich öffnen und die nächste Person mit einem erleichterten Gesichtsausdruck und einer Packung Toilettenpapier das relativ leere Einkaufszentrum verlässt.
Im Minto ist es dunkler als sonst. Die Musik läuft, aber das übliche Stimmengewirr fehlt. Sitzecken sind mit Flatterband umwickelt, Rolltreppen mit Schildern abgeklebt. Hier und da steht Sicherheitspersonal. Die paar Kunden an diesem Morgen strömen mit Mundschutz und auf Abstand in dieselbe Richtung: die Rolltreppe, die nach unten zu den Supermärkten und dem Drogeriemarkt führt. Sie gehören zu den wenigen Läden, die geöffnet sein dürfen. Und dort gibt es sie noch, die ein- bis vierlagigen Rollen. Die Supermarktmitarbeiter desinfizieren die Einkaufswagen und lassen die Kunden der Reihe nach rein. Es wird nicht gesprochen. Die Wege der Menschen verlieren sich nach dem Einkauf schnell.
Im Kiosk gegenüber des Einkaufszentrums sitzt Mert. Seit sechs Jahren arbeitet er in den zehn Quadratmetern und verkauft Süßigkeiten, Getränke, Zeitungen und Tabak. Er darf weiter geöffnet haben, sagt aber: „Der Umsatz ist total eingebrochen. Wir leben von den Geschäften in der Innenstadt und den Menschen, die hier arbeiten.“Laufkundschaft gibt es nicht mehr. Die Hindenburgstraße ist verlassen – bis auf die paar Menschen, die entweder ihren Hund oder eine Packung Toilettenpapier spazieren führen. Manche halten kurz am Kiosk. Am meisten würden Zigaretten gekauft, sagt der Inhaber. „Eigentlich
haben wir von 9 bis 21 Uhr geöffnet, aber seit Corona schließen auch wir um 19 Uhr.“Obwohl die Kosten kaum gedeckt werden können, sind die Preise nicht erhöht worden. Weder Toilettenpapier noch Nudeln sind im Angebot. Es wird versucht, Normalität beizubehalten.
Auf dem Rheydter Marktplatz ist das Bild an diesem Morgen ähnlich. Ab und zu bleibt ein Fußgänger vor einem Schaufenster stehen, geht weiter. Ein Mann hält mit seinem Hund vor demselben Schaufenster. Nach wenigen Minuten verschwinden auch sie. Das Schaufenster scheint derzeit eine der wenigen Attraktionen in der Rheydter Innenstadt zu sein. Hinter der Glasscheibe steht Melanie Pütz. Die 52-Jährige dekoriert das Ankleidungsgeschäft Henry’s um. „Ich stelle die Schaufenster neu zusammen und mache Fotos für die sozialen Netzwerke“, erklärt sie. Für einen neuen Impuls in der Geisterstadt. Und einem neuen Kundenstamm. Denn ihr Laden ist geschlossen. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Pütz in dem Geschäft und kennt ihre Stammkunden gut. „Viele kontaktieren uns und wollen sich etwas Neues leisten. Das Problem ist, dass sie älter sind und nicht online shoppen.“Manchen bringe Pütz eine Auswahl der neuen Kollektion nach Hause. „Wir versuchen wirklich alles. Dafür komme ich auch mal kostenlos arbeiten.“
Weniger Möglichkeiten haben Ali und Gül von Gül’s Party Shop eine Straße weiter. Weil alle Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder andere Feste abgesagt wurden, sind ihre Ballons und Geschenk-Artikel derzeit nicht gefragt. Trotzdem kommt das Paar jeden Vormittag in den Laden. Denn in ihrem Laden nehmen die beiden auch Pakete entgegen. „Pro Tag kommen etwa fünf bis zehn Pakete an. Aber die Leute holen sie nicht ab“, sagt Gül. Mittlerweile warten mehr als 50 Päckchen auf ihre Besitzer. Gül und Ali verdienen daran zwar nichts, dennoch kommen sie jeden Tag hierher, um etwas Alltag zu bewahren. „Wir versuchen positiv zu bleiben. Denn solange wir gesund sind, können wir arbeiten“, sagt Ali. Er freut sich auf seinen täglichen Plausch mit dem Postboten. Auch wenn dazwischen eine Barriere aus Kartons mit einem Abstandsschild aufgebaut ist.