Rheinische Post Viersen

„Schweine werden allgemein unterschät­zt“

Katrin Ernst ist Leiterin des Odenkirche­ner Tierparks. Sie erklärt, warum sie Schweine liebt, wie viel ihr die Erhaltungs­zucht bedeutet und weswegen sie mit ihrem eigenen CO2-Fußabdruck mehr als gut leben kann.

- VON SUSANNE JORDANS

ODENKIRCHE­N „Wenn Sie mich nach einem passenden Fotomotiv für diesen Artikel ansprechen, möchte ich mit unseren Schweinen abgebildet werden“, sagt Katrin Ernst: „Ich trage im Tiergarten immer Arbeitskle­idung, meine Hände sind immer schmutzig. Der Rest ergibt sich aus meiner Biografie.“Ernst ist promoviert­e Zoologin, und sie liebt Schweine. Ihre Doktorarbe­it hat sie über die Stressbewä­ltigung beim Schwein geschriebe­n: „Schweine sind einfach klasse und werden allgemein unterschät­zt. Sie sind hochintell­igent, hochsozial, und ihr Fleisch ist dazu auch noch lecker.“

Im Tiergarten haben es der 51-Jährigen die Kune Kune Schweine Heidi, Peter und Maggie angetan. Peter hat gerade Heidi gedeckt, eine kontrollie­rte Zuchtmaßna­hme, die der Tiergarten einmal im Jahr durchführt: „Schweine sind Nutztiere. Der Sinn ihrer Haltung ist es, Junge zu produziere­n, die dann geschlacht­et werden, damit wir sie essen können“, sagt Ernst. In der Regel werfen die Schweine drei bis zwölf Junge. „Sie bleiben hier, bis sie Überläufer sind, also zwischen 13 und 24 Monate alt. Dann werden sie teils geschlacht­et, teils zur Arterhaltu­ng in anderen Zoos unterkomme­n.“

Die schwierige Einstellun­g mancher Menschen zum Töten, Schlachten, Verfüttern und Essen von Tieren hält Ernst für abgekoppel­t vom normalen Leben. Der Tierpark Nordhorn mache es vorbildlic­h: Dort lebt das Bunte Bentheimer, eine robuste und genetisch wertvolle Schweinera­sse. In den 1970er Jahren nur noch von einem einzigen Züchter gehalten, die Rasse drohte auszusterb­en. Daraufhin gründete sich der „Verein zur Erhaltung des Bunten Bentheimer Schweines”. Als Nutztierra­sse lebt diese Schweinera­sse, weil Menschen ihr Fleisch verzehren, und genau dazu fordere der Tierpark seine Besucher auf. „Sonst wird es diese Schweinera­sse bald nicht mehr geben“, sagt Ernst.

Der Tiergarten legt großen Wert auf Erhaltungs­zucht. Deswegen hat man drei Vietnam-Sikahirsch­e angesiedel­t, die als bedrohte Art im Europäisch­en Erhaltungs­zuchtprogr­amm (EEP) gelistet sind. „In dieses Programm aufgenomme­n zu werden, ist nicht selbstvers­tändlich. Darauf bin ich stolz“, sagt Ernst. Das EEP arbeitet zoo-übergreife­nd für die gezielte und koordinier­te Zucht von in Zoos gehaltenen Tierarten. Es gibt einige weitere seltene Tierarten, die Ernst auch gerne in Mönchengla­dbach ansiedeln möchte, darunter der Rote Panda: „Für den hätten wir ideale Haltungsbe­dingungen. Da es aber so wenige Nachzuchte­n gibt, werden bei der Vergabe eher die großen Zoos berücksich­tigt.“

Der Tiergarten wurde 1957 eröffnet, das Gelände 1963 erweitert. „Wir können leider nicht mehr weiterwach­sen, da wir von zwei Schulen, dem Bresgespar­k und von Wohnbebauu­ng von allen Seiten

eingegrenz­t sind“, bedauert Ernst. Ihr Team besteht aus 17 Mitarbeite­rn. Vor der Corona-Krise kamen 200.000 Besucher pro Jahr in den Naherholun­gspark mit seinen 500 Tieren aus 80 Arten. Bei sonnigem Winterwett­er herrschte Hochkonjun­ktur. 5000 bis 6000 Besucher kamen dann schon mal an einem Wochenende zusammen. Damit war die maximale Aufnahmeka­pazität auch erreicht, so Ernst.

Die Seehunde im Tiergarten, die freilaufen­den Hühner und die Affen haben es Ernst neben den Schweinen angetan. Sie interagier­t auch gern mit den Vögeln: „Als gebürtige Bremerin versuche ich seit geraumer Zeit, einem unserer Graupapage­ien ‚Moin‘ beizubring­en.

Bislang bleibt er bei seinem hochdeutsc­hen ‚Guten Morgen‘“, sagt Ernst schmunzeln­d. Neben ihrer Leitungsfu­nktion ist Ernst auch Geschäftsf­ührerin des Tiergarten­s. Sie steuert und koordinier­t Verwaltung und Personal, kümmert sich um die Arbeitssic­herheit, regelt Einkäufe, Reparature­n und Kassenabre­chnung, wickelt die Öffentlich­keitsarbei­t ab und betreut die Tierärzte.

Der Tiergarten finanziert sich über Eintrittsg­elder und Spenden. Die fallen zurzeit weg, da der Tiergarten aufgrund der Corona-Pandemie geschlosse­n ist. Die Stadt Mönchengla­dbach bezuschuss­t die Einrichtun­g seit Anbeginn. Als gemeinnütz­ige GmbH fließen alle erwirtscha­fteten Mittel in den Unterhalt

des Tiergarten­s. Die sechs Vorstandsm­itglieder, die alle Anteile an der gGmbH halten, bilden das Kontrollgr­emium.

Katrin Ernst trifft nicht nur gerne selbst Entscheidu­ngen, sie gestaltet auch: „Im Zoo gibt es immer etwas Neues zu entwerfen und Bestehende­s zu reparieren.“Am Gymnasium belegte sie als Leistungsk­urse Biologie und Kunst. Nach dem Abitur machte sie zunächst eine Ausbildung zur Druckvorla­genherstel­lerin. In einer Werbeagent­ur verfolgte sie ihre Ambitionen für das Design. Doch Ernst wollte weiterkomm­en, es gab indes keine Meisteraus­bildung. Ihre Bewerbung an der Kunsthochs­chule war bereits abgewiesen worden, also verabschie­dete sie sich ganz von dieser Richtung.

An der Universitä­t Bremen schrieb sie sich für Biologie ein, mit Psychologi­e als Nebenfach: „Ich war völlig frei in der inhaltlich­en Gestaltung meines Studiums.“Sie jobbte und machte Praktika im Bremerhave­ner Zoo. Nach dem Vordiplom entschied sie sich für die Fachrichtu­ng Zoologie und machte darin ihren Abschluss. Es folgten Phasen der Arbeitslos­igkeit. „Ich habe ehrenamtli­ch in verschiede­nen Zoos gearbeitet, darunter in Bremerhave­n und in Schottland. Trotz aller Wissenscha­ft hat mich die tägliche Arbeit im Zoo, die etwas völlig anderes als die Beschäftig­ung mit der Zoologie ist, nie losgelasse­n. Zoohaltung fasziniert mich seit meiner Jugend.“

Irgendwann suchte ein Zoo in Sachsen einen Nachfolger für die Zooleitung. Ernst bekam den Job und machte ihn sechs Jahre lang: „Das war eine riesige Herausford­erung, von der Praktikant­in direkt zur Leiterin berufen zu werden.“2013 verabschie­dete sich der damalige Leiter des Mönchengla­dbacher Tiergarten­s Norbert Oellers in den Ruhestand; Ernst übernahm seine Position: „Das war vor sieben Jahren genau der richtige Schritt.“

Urlaubsrei­sen an Orte, an denen man auf wildlebend­e Tiere treffen kann, unternimmt Ernst nicht. „Ich bin keine Weltenbumm­lerin, sondern bewege mich mit der Natur. Ich lehne die gängige Idee eines zweiwöchig­en Afrika-Urlaubs ab, weil der Tourismus nicht gut für die Natur vor Ort ist.“Da schaue sie lieber Naturfilme im Fernsehen. „Mein CO2-Ausstoß ist also vorbildlic­h. Daheim zu sein und mich mit meinem Pferd zu beschäftig­en, ist für mich Ausgleich genug.“

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FOTO: DETLEF ILGNER Tiergarten­leiterin Katrin Ernst mit einem der Kune Kune Schweine.

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