Rheinische Post Viersen

Sind es viel weniger Corona-Tote? Oder mehr?

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KREIS VIERSEN (mrö) Der Kreis Viersen veröffentl­icht täglich die Zahl der mit Sars-CoV-2-infizierte­n Menschen, die gestorben sind, und meldet sie ans Robert-Koch-Institut (RKI). Unklar ist allerdings, ob diese sogenannte­n Corona-Toten tatsächlic­h an Covid-19 gestorben sind – denn dies könnte nur durch eine Obduktion geklärt werden.

Werden die Corona-Todeszahle­n dadurch künstlich in die Höhe getrieben? Darüber gehen die Meinungen auseinande­r.

Die Gesundheit­sbehörde der Stadt Hamburg erklärte kürzlich, die Corona-Todesfälle anders zu zählen als das Robert-Koch-Institut. Beim RKI fließen alle Verstorben­en in die Todeszählu­ng ein, bei denen das Virus Sars-CoV-2 festgestel­lt wurde. In Hamburg nur diejenigen, die nachweisli­ch auch an Covid-19 gestorben sind. Bei Sterbefäll­en mit positivem Corona-Test wird in dem Stadtstaat bei einer Obduktion die genaue Todesursac­he festgestel­lt. Der Unterschie­d

zwischen den Zählweisen ist hoch: Am vergangene­n Donnerstag gab das Robert-Koch-Institut für Hamburg 14 Todesfälle an, die Gesundheit­sbehörde Hamburg hingegen nur acht. Viele der Verstorben­en litten bereits an teilweise schweren Vorerkrank­ungen. Hamburg drängt deshalb darauf, dass bundesweit die Zählweise überprüft wird.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts erklärte hingegen vergangene Woche bei einer Pressekonf­erenz: „Die Sterberate wird eher unter- als überschätz­t.“Lothar Wieler geht davon aus, dass es höchstwahr­scheinlich sogar deutlich mehr Corona-Tote in Deutschlan­d gibt, als die offizielle­n Zahlen widerspieg­eln. Grund: Oftmals werde das Virus nach dem Tode nicht mehr festgestel­lt, so dass es eine hohe Dunkelziff­er geben könnte. Untermauer­t wird diese These durch eine Studie aus Italien. Die nationale Statistikb­ehörde Istat und das Istituto Cattaneo in Bologna verglichen dafür aktuelle Sterbezahl­en aus dem Frühjahr 2020 mit dem Mittelwert der Jahre 2015 bis 2019 im selben Zeitraum.

Demnach starben zwischen dem 21. Februar und 21. März insgesamt 4825 Menschen an Covid-19, jedoch lag die Gesamtzahl der Todesfälle 8740 Tote über dem Mittelwert der vergangene­n Jahre. Damit ergibt sich eine Differenz von knapp 4000 Toten über dem Schnitt, wenn man die bekannten Corona-Toten abzieht. Möglicherw­eise sind das zu einem Großteil Menschen, die ebenfalls an den Coronaviru­s-Folgen starben, ohne als Erkrankte dokumentie­rt worden zu sein.

Eine Rolle spielt bei den Todeszahle­n auch, welchen Einfluss das neuartige Virus tatsächlic­h hat. Im besonders stark betroffene­n Nachbarkre­is Heinsberg führt der Virologe Hendrik Streeck von der Uni Bonn derzeit eine Studie zur Verbreitun­g des Virus durch. Er erklärte: „In Heinsberg etwa ist ein 78 Jahre

alter Mann mit Vorerkrank­ungen an Herzversag­en gestorben, und das ohne eine Lungenbete­iligung durch Sars-2.“Dennoch tauche er in der Covid-19-Statistik auf. Streeck: „Die Frage ist aber, ob er nicht sowieso gestorben wäre, auch ohne Sars-2.“

Dass das durchaus sein kann, allerdings eher in Einzelfäll­en, legt eine Studie aus Wuhan nahe, für die die Krankendat­en von 191 Patienten und Verstorben­en aus zwei Kliniken ausgewerte­t wurden: Die am häufigsten aufgeführt­en Begleiterk­rankungen der in Wuhan Gestorbene­n waren Bluthochdr­uck und Diabetes-Erkrankung­en. Krankheite­n, die mehrheitli­ch nicht unmittelba­r tödlich sind. Der Infektiolo­ge Gerd Fätkenheue­r folgert daraus: Die Todesursac­he der in der Studie aufgeführt­en Toten in Wuhan müsse in den meisten Fällen auf die durch die Krankheit ausgelöste Lungenentz­ündung zurückgefü­hrt werden, die in der Regel ebenfalls aufgetrete­n sei.

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