„Die Reisewarnungen sind fatal“
Die Inhaberin eines Süchtelner Reisebüros spricht über die Auswirkungen der Corona-Krise auf ihre Branche.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise für die Reisebranche und Ihr Reisebüro?
Fuhrmann Die weltweiten Reisewarnungen sind fatal: Kunden mussten zurückgeholt werden, Reisetermine bis Ende April sind abgesagt, für den Mai bieten viele Reiseveranstalter kostenlose Umbuchungen an und wie es in den kommenden Monaten bis Jahresende aussieht, kann noch keiner vorhersehen. Das bedeutet viel Arbeit für uns, die wir aber gerne übernehmen.
Wie sähe Ihre geschäftliche Lage zu dieser Jahreszeit normalerweise aus?
Fuhrmann Normalerweise hätten wir einen Großteil unseres Jahresumsatzes erzielt und würden uns auf die Nachzügler für die Ferien und auch auf Juni- und September-Urlauber vorbereiten.
Wie lässt sich Ihre aktuelle Situation in Zahlen ausdrücken? Fuhrmann Üblicherweise wären jetzt circa 60 Prozent des Jahresumsatzes sicher, so sind es gerade einmal 30 Prozent insgesamt. Seit Mitte März gibt es keine Neubuchungen für die Sommer- oder Herbst-/Winterferien.
Könnten Sie Reisewilligen denn etwas anbieten?
Fuhrmann Ja, etwa Flugreisen oder auch Reisen mit dem eigenen Auto zum Ferienhaus in Deutschland oder auch in anderen Zielen. Aktuell ist sogar schon der Sommer 2021 freigegeben. Auch Kreuzfahrten sind schon bis 2022 buchbar.
Sind Sie zurzeit auch mit dem Zurückholen von Urlaubern beschäftigt? Wenn ja, woher kommen diese?
Fuhrmann Wir hatten einige Kunden in Ägypten und auf den Kanaren, die über die Reiseveranstalter zurückgebracht wurden. Kunden in Thailand mussten das Rückholprogramm der Bundesregierung nutzen, da die Fluggesellschaften alle Rückflüge gestrichen hatten.
Ab wann rechnen Sie mit einer Normalisierung der Lage?
Fuhrmann Das ist sehr schwer zu sagen, es hängt von sehr vielen Faktoren ab wie der Frage, ab wann die strikten Reiseregelungen wieder gelockert werden. Die nächsten Einschätzungen dazu werden frühestens ab dem 20. April erwartet. Ich hoffe allerdings, dass ab den Sommermonaten die meisten Feriengebiete wieder bereist werden können.
Wie gehen Kunden mit der Situation um?
Fuhrmann Die meisten Kunden sind relativ entspannt, auch wenn der lange ersehnte Urlaub ausfällt. Einige haben schon auf einen späteren Reisezeitpunkt umgebucht, andere warten auf die Rückzahlung der bereits geleisteten Zahlungen. Es gibt allerdings auch Betroffene, die selbständig sind und natürlich eher das Geld als einen Gutschein benötigen.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie, mussten Sie Kurzarbeit anmelden? Fuhrmann Wir sind ein Team von drei Mitarbeiterinnen und haben bereits Kurzarbeit angemeldet.
Gibt es Hilfe, die Sie in Anspruch nehmen können?
Fuhrmann Ja, die Soforthilfe des Landes Nordrhein-Westfalen ist eine große Unterstützung. Wir hoffen, dass diese ausreichend zur Überbrückung dieser Krise ist.
Unterstützen die Reiseveranstalter zurzeit?
Fuhrmann Zumindest nicht finanziell, denn wir bekommen nur für vermittelte Reisen, Mietwagen et cetera eine Provision, kein Grundeinkommen oder ähnliches. Wir versuchen in unserer Branche allerdings alle an einem Strang zu ziehen, um Kunden möglichst weit entgegen zu kommen. So werden zum Beispiel Umbuchungsgebühren erlassen oder ein Treuebonus von bis zu 100 Euro pro Person eingeräumt.
Was erhoffen Sie sich von staatlicher
Seite in dieser Situation? Fuhrmann Reisebüros, denen sämtliche Umsätze wegbrechen, benötigen weitere finanzielle Hilfen. Deutschland sollte zudem Gutscheine der Reiseveranstalter für abgesagte Reisen absichern. Die Kunden befürchten ja nicht ganz zu Unrecht, dass Gutscheine eventuell schon in ein paar Monaten nichts mehr wert sind, sollte der ausstellende Reiseveranstalter vom Markt verschwinden. Die Touristikbranche wird häufig unterschätzt – dabei arbeiten hier zigtausende Menschen!
Was wäre Ihr Wunsch an Kunden? Fuhrmann Toll wäre, wenn zukünftig alle nur bei seriösen örtlichen Reisebüros buchen würden und diese jetzt in der Krise durch den Kauf eines Reisegutscheins unterstützen. Nur wenn der stationäre Handel einigermaßen heil durch diese Situation kommt, bleiben die Innenstädte intakt und es gibt keine oder wenig Leerstände, sodass Viersen mit Süchteln und Dülken attraktiv bleibt.
Sie sprechen die lokalen Netzwerke an – gibt es da Hilfestellung? Fuhrmann Die Werbegemeinschaft Viersen aktiv unterstützt die lokalen Anbieter mit der Website „Wer liefert was?“– hier sind alle Dienstleister gelistet, die zurzeit Liefer- und Serviceangebote zur Verfügung stellen.