Mit der Hand schreiben macht das Denken freier
Die Autorin über das Glück des Schreibens, Gute-Laune-Tipps und wie man dem Homeoffice Struktur verleiht.
Frau Anders, wie geht es Ihnen in Zeiten von Corona, Homeoffice und Kontaktverboten?
ANDERS Es ist eine irritierende und bedrückende Situation, vor allem, weil wir nicht wissen, wie lange sie dauert. Aber innerhalb meiner Familienblase ist eigentlich alles schön und gemütlich.
Was haben Sie heute schon geschrieben?
ANDERS Ich habe an der Vorbereitung eines Workshops gearbeitet, von dem ich allerdings noch nicht weiß, ob und wann er stattfindet. Außerdem habe ich einen Beitrag für meinen Blog geschrieben und ein paar Whatsapp-Nachrichten.
Wie schreibt man eigentlich eine gute Whatsapp-Nachricht?
ANDERS Eine gute Whatsapp-Nachricht ist erst einmal eine, die so beim Empfänger ankommt, wie wir sie gemeint haben. Denn Whatsapp ist in erster Linie ein Bindungs-, kein Informationsmedium. Es ist also eine gute Idee, die Nachricht richtig zu lesen und auch wirklich darauf einzugehen, bevor wir auf Senden drücken.
Schreiben und arbeiten Sie jetzt in der Corona-Krise anders?
ANDERS Normalerweise wechsle ich zwischen Textarbeit, Trainings und Workshops. Die Veranstaltungen finden erst einmal nicht statt. Auch ein Textauftrag eines Olympia-Sponsors fällt nach der Absage der Spiele aus. Mein Arbeitsalltag ändert sich, aber ich nutze die Zeit für die Dinge, die liegen geblieben sind. Ich schreibe neue Blogartikel und arbeite an einem neuen Workshop-Format.
Ihr Buch „Schreib und das Leben ist leicht“passt gut in die aktuelle Lage. Mit dem Schreiben verstößt man gegen keine Kontaktsperre. Viele haben ja auch plötzlich mehr Zeit. In Ihrem Buch finden sich auch viele praktische Tipps zum Zeitmanagement und zur Selbstorganisation. Was raten Sie Menschen, die im Homeoffice sind? ANDERS Das Buch passt tatsächlich gut in unsere Zeit, weil das Schreiben uns mit anderen, aber auch mit uns selbst verbindet. Zur Grundidee gehört auch, Mini-Coachings und Methoden vorzustellen, die helfen, Texten, aber auch der eigenen Zeit eine Struktur zu geben. Beim Schreiben
kann man viel über sich herausfinden. Es ist auch eine wunderbare Möglichkeit, um ins Handeln zu kommen, selbst wenn wir uns gerade manchmal machtlos fühlen.
Welche konkreten Tipps haben Sie für Menschen, die jetzt von zu Hause aus arbeiten müssen?
ANDERS Es gibt zum Beispiel die Tee-Uhr-Methode. Dabei legen Sie zu Beginn des Tages fest, wie lange Sie konzentriert und ohne Ablenkung an einem Thema oder Projekt arbeiten möchten. Sagen wir fünf Mal 20 Minuten. Sie stellen dann zu
Beginn der Phase die Zeit ein und arbeiten, bis es klingelt. Lassen Sie sich zwischendurch ablenken, ziehen Sie einen Strich auf einem Blatt Papier. So sehen Sie schwarz auf weiß, wie oft Sie sich unterbrochen haben oder gestört wurden. Mit der Zeit arbeitet man so sehr produktiv und die Qualität der Konzentration verbessert sich.
Haben Sie noch andere Tipps für die gegenwärtige Situation? ANDERS Die Situation ist ideal, um mit dem Schreiben anzufangen. Als erstes sorgt man für eine angenehme Schreibumgebung, schafft einen Platz, an dem man gern arbeitet und möglichst ungestört ist. Das Schreiben lässt sich dann auch nutzen, um dem Tag einen Rahmen zu geben. Abends legt man schriftlich fest, wie viel Zeit man für welche Aufgaben einplant. Nach dem Arbeitstag notiert man sich dann seine Erfahrungen und Feedback von anderen und bessert vielleicht entsprechend nach. Es ist gut, solche Erkenntnisse zu notieren, denn wir neigen in diesen Dingen zum schnellen Vergessen.
Ist das Schreiben mit der Hand nicht etwas sehr Altmodisches? Heute tippt man doch eher auf dem Smartphone, dem Tablet oder dem Computer.
ANDERS Ich liebe das Haptische und Unmittelbare. Mit der Hand zu schreiben macht das Denken oft freier und flexibler. Das Denken schärft das Schreiben. Das Schreiben schärft das Denken. Das gilt natürlich nicht nur fürs analoge, sondern auch für das digitale Arbeiten, auf das ich weder verzichten kann noch will.
Waren Sie in der Schule gut in Deutsch?
ANDERS Das ist schon ein paar Tage her. Aber ja, schon. Ich hatte auch Deutschlehrer, die begeistern konnten und ein sehr lese- und schreibaffines Elternhaus. Bei uns gab es überall Bücher außer im Bad. Ich erinnere mich an meinen Vater, der von Büchern und Papieren umgeben am Schreibtisch saß und dabei äußerst zufrieden aussah. Das hat mich sicher geprägt.
Die ersten Reaktionen online auf Ihr Buch sind positiv. Eine Leserin schreibt, dass das Schreiben die Autorin offenbar glücklich mache. Stimmt das?
ANDERS Ja, es macht mich unglaublich glücklich. Für mich ist es ein Weg, ganz im Jetzt zu sein. Sich völlig in eine Materie zu versenken, hat diese Flow-Wirkung. Beim beruflichen Schreiben ist das anders. Da ist es immerhin ein sehr gutes Gefühl, wenn ich nichts mehr hinzufügen und nichts mehr weglassen möchte.
Macht Schreiben das Leben schöner und leichter?
ANDERS Ich habe oft den Eindruck, dass Schreiben und Kreativität bei vielen Menschen keine große Rolle spielen und lade dazu ein, es mit vielen Übungen und Ideen auszuprobieren. Die Tipps, die ich außerdem im Buch gebe, reichen vom Schreiben für sich selbst bis hin zum Formulieren von E-Mails, Berichten und Protokollen. Ich möchte unkomplizierte, unterhaltsame Schreibanleitungen liefern, an denen man sich entlang hangeln kann, um schneller, besser und leichter zu texten. Beim Schreiben für sich selbst geht es um den Prozess und nicht um ein perfektes Resultat. Beim Texten für andere um das Ergebnis. Hier zählt, die Botschaft, den Nutzen für den Leser und die Zielgruppe im Blick zu behalten.
Kann denn nicht jeder schreiben, der das Alphabet beherrscht und Deutsch in der Schule hatte? ANDERS Bei vielen klappt das nicht wirklich. Schreiben bedeutet mehr als nur Sätze aneinanderzureihen. Wir leben in einer Welt, die von Wörtern geflutet ist. Um den Leser zu erreichen, sollte ich meine Inhalte entsprechend aufbereiten. Ich muss die Aufmerksamkeit am Anfang gewinnen und bis zum Ende halten, denn wir alle filtern. Auf dieses leserorientierte Texten bereitet die Schule nicht vor. Auch das kreative Schreiben endet häufig spätestens in der 5. Klasse. Es gibt selbstverständlich trotzdem Menschen, die in der Schule lernen, tolle Texte zu schreiben. Aber eben nicht alle.
Ihr Buch geht über Kreativmethoden und Zeitmanagement hinaus. Am Ende halten Sie noch ein Plädoyer für selbstbestimmtes Leben und Handeln.
ANDERS Ja, Schreiben hat mit Selbstwahrnehmung zu tun. Das Buch soll Lust wecken, sich schreibend über die eigenen Wünsche und Ziele klar zu werden. Es macht Spaß, sich selbst auf diese Weise zu hinterfragen.
Beim Thema Gendergerechte Sprache sind die Reaktionen oft heftig. Was halten Sie davon?
ANDERS Aus meiner Sicht sollte man das Gendern nicht übertreiben. Wenn es sehr verkrampft wirkt und der Text unlesbar wird, erreicht man meist das Gegenteil des Beabsichtigten. Das bedeutet nicht, dass wir nicht achtsam mit Sprache umgehen müssen, denn sie transportiert unser Weltbild. Texte wirken immer. Auch weil die Körpersprache
als ergänzende Information fehlt, ist es wichtig, gründlich zu prüfen: Transportiert der Text unsere Werte und die richtigen Botschaften?
Ein Kapitel in Ihrem Buch heißt „Mission Gute Laune“. Wie macht man sich mit Sprache gute Laune? ANDERS Das kann so gehen: Erst notieren wir fünf Ereignisse, die in der Vergangenheit besonders gut gelaufen sind. Dann schreiben wir auf, warum bestimmte Menschen unser Leben großartig machen. Zuletzt malen wir uns die Zukunft in den schönsten Farben aus und beschreiben dieses Szenario. So spenden wir uns selbst Mut und richten unsere Gedanken auf das Positive und Schöne.
Ihr Buch ist fertig und auf dem Markt, aber die Buchhandlungen sind geschlossen. Was tun Sie? ANDERS Die Buchhandlung Degenhardt liefert Bücher im Moment direkt ins Haus. Ich selbst verschicke zu einem Quarantänepreis von 15 Euro. Wer mag, bekommt auch eine persönliche Widmung.