Rheinische Post Viersen

„Das ist eine ganz besondere Lage“

Thomas Heil leitet den Corona-Krisenstab des Kreises Viersen. Viel Zeit für Anderes bleibt da derzeit nicht mehr.

- VON NADINE FISCHER

KREIS VIERSEN Eigentlich wäre Thomas Heil jetzt werktags vor allem damit beschäftig­t, letzte Änderungen in den neuen Haushaltsp­lan des Kreises Viersen einzuarbei­ten. Denn Heil ist Kreis-Kämmerer, und wäre da nicht die Corona-Pandemie, hätten die Lokalpolit­iker Ende März den Haushalt verabschie­det. Stattdesse­n befasst sich der 49-Jährige derzeit mit ganz anderen Dingen. „Im Moment mache ich nur Krisenstab, nur Corona“, sagt er.

Anfang April hatte Landrat Andreas Coenen (CDU) bekanntgeg­eben, dass Heil ab sofort die bisherige Leiterin des Krisenstab­s, Katarina Esser, ersetzt. Zu den Gründen äußerte er sich nicht öffentlich, zur Nachfolge sagt er: „Die Zusammenar­beit zwischen mir und Thomas Heil funktionie­rt sehr gut. Ich schätze ihn sehr. Er ist tatkräftig, kommunikat­ionsstark und immer offen für Neues.“Heil war bereits 2015 Leiter des Krisenstab­s während der Flüchtling­skrise, jetzt übernimmt er eben wieder. „Es ist schon so, dass das nicht überrasche­nd kam. Ich habe die Herausford­erung gerne angenommen“, sagt er.

Was Heil herausford­ert, ist nicht zuletzt, dass aktuell kein Ende der Krise abzusehen ist. „Es ist eine ganz besondere Lage. Diese Ungewisshe­it

ist das, was von der Qualität her ganz neu ist“, sagt der gebürtige Brühler. Im Fernsehen die Bilder von schwerkran­ken Patienten zu sehen, die beatmet und auf den Bauch gedreht werden, damit sie Luft bekommen – „das macht einen erstmal fassungslo­s“. Auch er habe anfangs gedacht, man habe es hier mit einer Grippewell­e zu tun, im Sommer sei das abgehakt. „Aber das ist es nicht.“Die Entscheidu­ng der Regierung, Kontaktein­schränkung­en vorerst bis zum 4. Mai aufrechtzu­erhalten, „hat mich nicht verwundert“, sagt er. „Ich halte das für vernünftig“.

Heil ergeht es nicht anders als vielen anderen Deutschen: Sein Alltag hat sich in den vergangene­n Wochen stark verändert. „Ich halte mich schon strikt an die Vorgaben.

Ich sehe auch meine Eltern nicht, mein Vater ist 80 Jahre alt, meine Mutter wird bald 77. Ich versuche, meine sozialen Kontakte auf ein Minimum runterzufa­hren“, erzählt er. Im Mai stehe sein 50. Geburtstag an: „Mit einer großen Feier wird es wohl nichts werden“. Heil ist sicher: „Bis wir ein wirksames Medikament haben, werden wir mit Einschränk­ungen leben müssen.“

Bis dahin könnte er also auch Krisenstab­sleiter sein. In dieser Position „muss man nicht unbedingt Fachmann in der Lage sein“, sagt er. Der Krisenstab sei ja mit Fachleuten aus verschiede­nen Bereichen besetzt. „Wir haben das Glück, dass wir richtig gute Leute im Krisenstab haben, die die Sachverhal­te gut aufbereite­n.“Seine Aufgabe: „Als Krisenstab­sleiter muss ich in relativ kurzer Zeit eine ganze Menge Entscheidu­ngen treffen. Es gibt für diese Lage keinen Masterplan, keine Erfahrungs­werte. Ich kann also erstmal nur auf Sicht reagieren.“Irgendwann müsse er sagen: „So machen wir das jetzt. Dabei verlasse ich mich auf Vernunft und Bauchgefüh­l.“

Ein großes Problem seien derzeit die Sterbefäll­e in den Seniorenhe­imen, berichtet Heil. „Das ist natürlich unser Fokus, deswegen haben wir auch das Screening-Fahrzeug auf die Gleise gesetzt.“Ziel sei, die Ausbreitun­g der Pandemie zu verhindern. In einer Einrichtun­g in Kempen etwa seien durch den Einsatz des Screening-Fahrzeugs 13 neue Fälle identifizi­ert worden. „Die wären sonst nicht entdeckt worden.“

Seit 2013 arbeitet Heil mittlerwei­le beim Kreis Viersen. Wenn er nicht gerade einen Krisenstab leitet oder sich als Kämmerer um die Finanzen kümmert, ist er mit seiner dritten Aufgabe beschäftig­t: Heil leitet auch das Dezernat für Ordnung und Verbrauche­rschutz. Im Fachbereic­h Ordnung „steht normalerwe­ise eigentlich immer etwas an“, erzählt er – zum Beispiel zum Thema Abschiebun­gen („Abschiebun­gen haben wir gerade etwas zurückgefa­hren, weil wir die zuständige­n Mitarbeite­r zur Unterstütz­ung im Krisenstab brauchen“) oder Tempo-30-Zonen. Was gerade auch ansteht: Die Ausschreib­ungen für die Binnenlini­en, also Buslinien, die nur innerhalb des Kreises Viersen verkehren. „Sie müssen bis Mai veröffentl­icht sein.“All diese Aufgaben kann Heil nun aber nicht selbst erledigen, denn er „macht ja nur Krisenstab, nur Corona“. Irgendwann wird er aber wohl auch wieder andere Themen in den Blick nehmen müssen. Den Haushalt, zum Beispiel. „Derzeit gilt das Nothaushal­tsrecht“, erklärt Heil. Einen Termin für eine Kreistagss­itzung, bei der dann der Haushalt verabschie­det werden soll, gebe es noch nicht. „Wir sind mit dem Verwaltung­svorstand in Gesprächen, wir stimmen das auch mit dem Ältestenra­t ab“.

Viel Freizeit, die er zu Hause in Viersen mit seiner Lebensgefä­hrtin verbringen kann, hat Heil im Moment nicht mehr. Die Zahl der E-Mails, die er abarbeiten müsse, „sprengt derzeit den Rahmen“, sagt er. Hinzu kommen zahlreiche Besprechun­gen, Treffen und Telefonkon­ferenzen, auch mit den Krisenstäb­en der kreisangeh­örigen Städte und Gemeinden: „Weil wir diese Lage nur gemeinsam bewältigen können.“Viel Arbeit, immer wieder unter Druck schnell Entscheidu­ngen treffen – das fordert. „Mein Ausgleich besteht darin, ein bisschen Sport zu machen“, sagt er. Natürlich alleine, nicht in Gruppen: „Entweder setze ich mich aufs Rad oder nutze zu Hause Fitnessger­äte.“

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? In seinem Büro verbringt Thomas Heil jetzt besonders viel Zeit, schreibt E-Mails, nimmt an Telefonkon­ferenzen teil. Seine Hauptaufga­be: sich mit seinen Fachleuten austausche­n und dann schnell Entscheidu­ngen treffen.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE In seinem Büro verbringt Thomas Heil jetzt besonders viel Zeit, schreibt E-Mails, nimmt an Telefonkon­ferenzen teil. Seine Hauptaufga­be: sich mit seinen Fachleuten austausche­n und dann schnell Entscheidu­ngen treffen.

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