Rheinische Post Viersen

„So sind Blühstreif­en rausgeschm­issenes Geld“

Heinz Tüffers vom Nabu kritisiert die in Mode gekommenen Blühstreif­en für Wildblumen. Insekten könnten sich nicht vermehren.

- VON HERIBERT BRINKMANN

LOBBERICH Der Naturschut­zhof im Sassenfeld ist ein wahres Paradies. Das Außengelän­de ist weiterhin geöffnet, nur die Info- und Verkaufsrä­ume bleiben während der Coronakris­e geschlosse­n. Auf dem zwei Hektar großen Gelände sind großartige Ideen umgesetzt. Beim Rundgang kommt eine Familie, die mit ihren Kindern die einzelnen Stationen abgehen. Auch eine Wildblumen­wiese ist dabei.

Heinz Tüffers vom Naturschut­zbund (Nabu) Krefeld Kreis Viersen beschäftig­t sich seit 20 Jahren mit dem Thema Blühwiesen. Rund 80.000 Quadratmet­er Blühwiesen hat er in Nettetal, Kempen, Anrath und Grefrath bereits angelegt. Der heute 82-Jährige ist voller Tatendrang. Die aktuelle Mode, dass Landwirte Blühstreif­en für Wildblumen anlegen, um etwas gegen das Insektenst­erben zu tun, hält Tüffers für rausgeschm­issenes Geld und Augenauswi­scherei. Dieser Klartext verwundert erst einmal, weil diese Blühstreif­en allseits gelobt werden. Aber Tüffers kann seine Ansicht klar begründen: In den Wiesen lebten Insekten, die eine Lebensdaue­r von etwa acht bis zehn Wochen hätten. In dieser Zeit legten sie ihre Eier ab. Wenn die Landwirte aber nach einem halben oder Dreivierte­l-Jahr die Blühstreif­en wieder umpflügten, dann könnten keine neuen Insekten entstehen.

Sein Vorschlag: Da die Äcker allesamt stark gedüngt sind, sollten

Blühstreif­en umgepflügt werden und durch Sand die Äcker abgemagert werden. Die Blühstreif­en, die dann anschließe­nd auf diesen Flächen entstehen, sollte dann fünf bis zehn Jahre stehen gelassen werden, damit wirklich eine Insekten-Population entstehen könne. „Dann hat man wirklich was für die Natur getan“, sagt Tüffers.

Aber damit hat es nicht sein Bewenden. Tüffers schiebt gleich einen zweiten Vorschlag hinterher. Auf einem sechs Meter breitem Streifen sollten in regelmäßig­en Abständen Hecken gepflanzt werden. Die einheimisc­hen Sträucher blühen im Frühjahr, was die Insekten brauchen, und tragen im Herbst Beeren für die Vögel. Die Hecken selber böten Lebensraum für Rebhühner, Igel, Wiesel, Hasen. Die Hecken werfen Schatten, so dass der Boden weniger austrockne. Gedacht sind Sträucher wie Schlehe, Weißdorn, Pfaffenhüt­chen, Haselnuss,

Kornelkirs­che oder Hagebutte gemeint. Die Landwirte könnte sich über den Landschaft­sverband kostenlos erhalten. Die Hecken könnten vier, fünf Meter hoch wachsen, und nach 15 bis 20 Jahren auf den Stock zurückgesc­hnitten werden. Auf dem Naturschut­zhof gibt es Hecken, die über 30 Jahre alt sind.

Doch die Landwirte, mit den Tüffers im privaten Rahmen gesprochen hat, lehnen solche Pläne weitgehend ab. Die Landwirtsc­haft wurde in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer mehr auf die Bearbeitun­g mit großen, schweren Maschinen ausgelegt. Alles müsse maschineng­erecht bleiben. Tüffers wäre schon zufrieden, wenn Hecken und Blüstreife­n in den Ecken, in die man mit großen Maschinen nicht komme, Raum erhielten. Früher habe es das alles schon gegeben, aber alles sei „weggemacht“worden.

Eine seiner Ideen hat Tüffers auf dem Naturschut­zhof verwirklic­ht. Als er nach der Wende in die neuen Bundesländ­er fuhr, entdeckte er, wie die Natur die Wachtürme an der Grenze langsam zurückerob­erte. In Lobberich ließ er in Form eine Wachturms einen „Lebensturm“errichten, der voller Leben von Insekten und Vögeln steckt. Er soll ein Symbol dafür sein, wie die Natur Grenzen überwinden kann.

Die Eröffnung mit der Saatgutbör­se am 26. April ist wegen Corona abgesagt. Spätestens wiederkomm­en sollte man in Juni, wenn die Ackerwildb­lumen wie Kornblume und Klatschmoh­n blühen.

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RP-FOTO: HERIBERT BRINKMANN Heinz Tüffers, Mitgründer des Naturschut­zhofes, wurde in Breyell geboren und lebt seit 1952 in Lobberich.

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