Rheinische Post Viersen

Fünf Lehren aus fünf Geisterspi­eltagen

Hat sich das Bundesliga­spiel ohne Fans verändert? Die Beobachtun­gen der vergangene­n Wochen legen das nahe.

- VON PHILLIP OLDENBURG

DÜSSELDORF Die ersten fünf Bundesliga-Spieltage ohne Zuschauer sind absolviert. Aufgrund der langen Corona-Pause und der kurzen Vorbereitu­ngszeit hatten viele ein niedrigere­s Leistungsn­iveau erwartet. Andere wiederum rechneten mit vielen Toren, kuriosen Ergebnisse­n und fehlendem Heimvortei­l. Ist der Fußball ein anderer als vor der Unterbrech­ung? Wir haben uns die ersten fünf Geisterspi­eltage genauer angeguckt.

Auswärtsvo­rteil Vor dem Neustart befürchtet­en einige Funktionär­e, dass angesichts der ungewohnte­n Atmosphäre ohne Zuschauer der Heimvortei­l verloren gehen könnte. Dortmunds Sportdirek­tor Michael Zorc sprach gar von einem Wettbewerb­snachteil. Zwar verlor der BVB nur eines seiner drei Geister-Heimspiele (0:1 gegen den FC Bayern), dennoch zeigte sich, dass die Heimteams ohne die Unterstütz­ung von den Rängen tatsächlic­h benachteil­igt scheinen.

Nach fünf Spieltagen mit nur zehn Heimsiegen in 45 Begegnunge­n (21 Auswärtssi­ege) ist eine Tendenz klar zu erkennen: Corona hat den Teams den Heimvortei­l geraubt. Ohne Zuschauer laufen die Spiele offenbar anders. Lag die Heimsieg-Quote vor der Pause noch bei 43 Prozent, sind es jetzt nur noch 22 Prozent. Einzig Bayern München (2 Heimspiele/2 Siege) und Hertha BSC (2/2) gaben zu Hause noch keine Punkte ab. Werder Bremen holte dagegen aus vier Heimspiele­n nur einen Zähler.

Weniger Tore „Vielleicht treten kuriose Ergebnisse ein. Zum Spaß haben wir gesagt, es könnte auch mal ein 5:5 geben“, hatte Fredi Bobic vor dem Neustart gemutmaßt. Die

Sorgen von Frankfurts Sportvorst­and scheinen aber unbegründe­t, auch wenn die Eintracht an zwei der fünf torreichst­en Spiele beteiligt gewesen war. Im Schnitt gab es an den ersten fünf Geister-Spieltagen weniger Tore (3,02) als an den zurücklieg­enden Spieltagen (3,24). Das kann natürlich auch Zufall sein, weil es im Laufe einer Saison immer Schwankung­en gibt. Klar ist aber, dass bei den Offensivak­tionen ein erhebliche­r Rückgang zu verzeichne­n ist: Nach der Corona-Pause gaben die Teams im Schnitt 228 Torschüsse pro Spieltag ab, zuvor waren es 240.

Laufpensum bleibt hoch Obwohl vor der Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs große Zweifel herrschten, ob die Spieler nach der kurzen Vorbereitu­ngszeit und ohne ein Testspiel fit genug sind, zeigt ein Blick auf die Laufleistu­ng der Teams, dass die Bedenken unberechti­gt waren. Im

Schnitt liefen die Teams knapp 116 Kilometer pro Spiel. Das liegt minimal über den vor der Krise erfassten Durchschni­ttswerten. Die Werte bei den Sprints waren mit knapp 227 pro Spiel sogar deutlich besser (220). Eine mögliche Erklärung für den Anstieg könnte die neue Wechselreg­el sein, jedes Team darf fünfmal statt wie bisher dreimal wechseln. Und die Trainer machten von der Regel reichlich Gebrauch. Am 29. Spieltag gab es 82 von 90 möglichen Auswechslu­ngen. Höchstwert.

Insgesamt die wenigsten Kilometer aller Bundesligi­sten spulte der 1. FC Köln (3382,8 km) ab. Auch nach der Corona-Pause ist das Team von Trainer Markus Gisdol noch nicht so richtig in Fahrt gekommen, nur Schalke (111,22 km) und Mainz (110,92 km) liefen im Durchschni­tt weniger als die Geißböcke (111,96 km).

Mehr Gelbe Karten In den ersten Spielen erhielten die Zuschauer den Eindruck, dass Entscheidu­ngen der Schiedsric­hter, auch wenn sie vielleicht strittig waren oder mithilfe des VAR getroffen wurden, weniger Diskussion­en entfachten. Die Spieler reklamiert­en längst nicht so gestenreic­h und lautstark wie vor der Zwangspaus­e. Auf dem Platz ging es dagegen weiter mächtig zur Sache.

Die Unparteiis­chen zeigten insgesamt 187 Gelbe Karten. Pro Spieltag gab es damit im Schnitt 37,8 Verwarnung­en. Vor Corona waren es „nur“33,4. Auch bei den Gelb-Roten Karten ist die Tendenz leicht ansteigend. Sieben Profis wurden vorzeitig vom Platz geschickt (1,4 pro Spieltag), zuvor waren es in 25 Spielen 24 Akteure (0,96).

Mehr Elfmeter Zwölfmal zeigten die Schiedsric­hter bereits auf den Punkt. Tendenziel­l werden ohne Zuschauer im Stadion somit mehr Elfmeter verhängt (2,4 pro Spieltag) als noch mit Anhängern (2,04). Allerdings scheinen die Schützen die Fans als zusätzlich­en besonderen Nervenkitz­el zu brauchen: Vier der zwölf Elfmeter wurden verschosse­n. Zum Vergleich: Mit Stimmung auf den Tribünen versagten den Schützen nur achtmal bei 52 Versuchen die Nerven.

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FOTO: IMAGO IMAGES Einer von vier verschosse­nen Elfmetern an den Geisterspi­eltagen: Kölns Mark Uth scheitert an Hoffenheim­s Torhüter Oliver Baumann.

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