Fünf Lehren aus fünf Geisterspieltagen
Hat sich das Bundesligaspiel ohne Fans verändert? Die Beobachtungen der vergangenen Wochen legen das nahe.
DÜSSELDORF Die ersten fünf Bundesliga-Spieltage ohne Zuschauer sind absolviert. Aufgrund der langen Corona-Pause und der kurzen Vorbereitungszeit hatten viele ein niedrigeres Leistungsniveau erwartet. Andere wiederum rechneten mit vielen Toren, kuriosen Ergebnissen und fehlendem Heimvorteil. Ist der Fußball ein anderer als vor der Unterbrechung? Wir haben uns die ersten fünf Geisterspieltage genauer angeguckt.
Auswärtsvorteil Vor dem Neustart befürchteten einige Funktionäre, dass angesichts der ungewohnten Atmosphäre ohne Zuschauer der Heimvorteil verloren gehen könnte. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc sprach gar von einem Wettbewerbsnachteil. Zwar verlor der BVB nur eines seiner drei Geister-Heimspiele (0:1 gegen den FC Bayern), dennoch zeigte sich, dass die Heimteams ohne die Unterstützung von den Rängen tatsächlich benachteiligt scheinen.
Nach fünf Spieltagen mit nur zehn Heimsiegen in 45 Begegnungen (21 Auswärtssiege) ist eine Tendenz klar zu erkennen: Corona hat den Teams den Heimvorteil geraubt. Ohne Zuschauer laufen die Spiele offenbar anders. Lag die Heimsieg-Quote vor der Pause noch bei 43 Prozent, sind es jetzt nur noch 22 Prozent. Einzig Bayern München (2 Heimspiele/2 Siege) und Hertha BSC (2/2) gaben zu Hause noch keine Punkte ab. Werder Bremen holte dagegen aus vier Heimspielen nur einen Zähler.
Weniger Tore „Vielleicht treten kuriose Ergebnisse ein. Zum Spaß haben wir gesagt, es könnte auch mal ein 5:5 geben“, hatte Fredi Bobic vor dem Neustart gemutmaßt. Die
Sorgen von Frankfurts Sportvorstand scheinen aber unbegründet, auch wenn die Eintracht an zwei der fünf torreichsten Spiele beteiligt gewesen war. Im Schnitt gab es an den ersten fünf Geister-Spieltagen weniger Tore (3,02) als an den zurückliegenden Spieltagen (3,24). Das kann natürlich auch Zufall sein, weil es im Laufe einer Saison immer Schwankungen gibt. Klar ist aber, dass bei den Offensivaktionen ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen ist: Nach der Corona-Pause gaben die Teams im Schnitt 228 Torschüsse pro Spieltag ab, zuvor waren es 240.
Laufpensum bleibt hoch Obwohl vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs große Zweifel herrschten, ob die Spieler nach der kurzen Vorbereitungszeit und ohne ein Testspiel fit genug sind, zeigt ein Blick auf die Laufleistung der Teams, dass die Bedenken unberechtigt waren. Im
Schnitt liefen die Teams knapp 116 Kilometer pro Spiel. Das liegt minimal über den vor der Krise erfassten Durchschnittswerten. Die Werte bei den Sprints waren mit knapp 227 pro Spiel sogar deutlich besser (220). Eine mögliche Erklärung für den Anstieg könnte die neue Wechselregel sein, jedes Team darf fünfmal statt wie bisher dreimal wechseln. Und die Trainer machten von der Regel reichlich Gebrauch. Am 29. Spieltag gab es 82 von 90 möglichen Auswechslungen. Höchstwert.
Insgesamt die wenigsten Kilometer aller Bundesligisten spulte der 1. FC Köln (3382,8 km) ab. Auch nach der Corona-Pause ist das Team von Trainer Markus Gisdol noch nicht so richtig in Fahrt gekommen, nur Schalke (111,22 km) und Mainz (110,92 km) liefen im Durchschnitt weniger als die Geißböcke (111,96 km).
Mehr Gelbe Karten In den ersten Spielen erhielten die Zuschauer den Eindruck, dass Entscheidungen der Schiedsrichter, auch wenn sie vielleicht strittig waren oder mithilfe des VAR getroffen wurden, weniger Diskussionen entfachten. Die Spieler reklamierten längst nicht so gestenreich und lautstark wie vor der Zwangspause. Auf dem Platz ging es dagegen weiter mächtig zur Sache.
Die Unparteiischen zeigten insgesamt 187 Gelbe Karten. Pro Spieltag gab es damit im Schnitt 37,8 Verwarnungen. Vor Corona waren es „nur“33,4. Auch bei den Gelb-Roten Karten ist die Tendenz leicht ansteigend. Sieben Profis wurden vorzeitig vom Platz geschickt (1,4 pro Spieltag), zuvor waren es in 25 Spielen 24 Akteure (0,96).
Mehr Elfmeter Zwölfmal zeigten die Schiedsrichter bereits auf den Punkt. Tendenziell werden ohne Zuschauer im Stadion somit mehr Elfmeter verhängt (2,4 pro Spieltag) als noch mit Anhängern (2,04). Allerdings scheinen die Schützen die Fans als zusätzlichen besonderen Nervenkitzel zu brauchen: Vier der zwölf Elfmeter wurden verschossen. Zum Vergleich: Mit Stimmung auf den Tribünen versagten den Schützen nur achtmal bei 52 Versuchen die Nerven.