Rheinische Post Viersen

Premiere mit Überraschu­ng

Mehr als 150 Besucher verfolgten den Auftakt der Kulturbühn­e „Vierfalt“am Hohen Busch in Viersen. Schauspiel­er Moritz Führmann begeistert­e das Publikum. Und am Ende gab’s für alle eine unerwartet­e Zugabe.

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R UND MARTIN RÖSE

VIERSEN Schauspiel­er Moritz Führmann („Harter Brocken“) hat am Mittwochab­end die Kulturbühn­e „Vierfalt“mit einer mitreißend­en szenischen Lesung von Auszügen aus dem „Großen Gatsby“von F. Scott Fitzgerald eröffnet. Weit mehr als 150 Besucher in mehr als 80 Fahrzeugen nahmen an der Premiere auf dem Aschenplat­z teil.

Dank der Hinweissch­ilder hatten die Autos – eines sogar aus den Niederland­en – problemlos ihren Weg vor die große Bühne gefunden. Nach einem ausgeklüge­lten System waren die Stellplätz­e für die Fahrzeuge mit einem guten Blick auch aus hinteren Reihen geschaffen, SUVs konnten an den Rändern Platz finden. Einweiser halfen beim Einparken. Die Plätze wurden nach dem Prinzip der Reihenfolg­e des Einfahrens vergeben. Die Bühne war von zwei großen LED-Wänden flankiert, auf die das Geschehen auf der Bühne projiziert wurde. Den Ton hörten die Gäste über die UKW-Frequenz 92,3 aus dem Autoradio. Wer Angst um seine Batterie hatte, konnte gegen eine Gebühr ein tragbares Radio ausleihen – und für den Fall der Fälle stand ein Helferteam mit einem Starterset bereit.

Auch fürs Essen war gesorgt: Jedes Auto erhielt eine Stellplatz­nummer. Über vierfalt-viersen.de/shop konnten vor Ort Snacks und Getränke bestellt und über PayPal oder mit der Kreditkart­e bezahlt werden. Boten transporti­erten die Bestellung­en mit ihren Rollern zu den Autos.

„Wir haben in wenigen Wochen ein riesiges Projekt aus dem Boden gestemmt, und die Zeit für die Werbung war knapp“, erzählt Petra Barabasch, die Leiterin der Kulturabte­ilung. 150 Autos sind zugelassen. „Aber wenn man rechnet, dass in jedem Auto zwei bis vier Menschen sitzen, haben wir viele Gäste erreicht.“Was sie auch sehr zufrieden macht: „Endlich bekommen die Künstler eine Plattform. Und wir können wieder loslegen und Kultur auf die Bühne bringen.“Das Programm wird in Zusammenar­beit mit der Agentur terzmachen, den Veranstalt­ern des Cinedrive in Mönchengla­dbach, Ministry of Light und der Goldkind Ideenagent­ur präsentier­t.

Gemeinsam mit ihrer Mitarbeite­rin Nicola Nilles hat Barabasch das Programm zusammenge­stellt. Es richtet sich an Erwachsene, aber auch Familien. Bis 9. August sind mehr als 40 Veranstalt­ungen geplant. Überwiegen­d sind es Liveauftri­tte von Musikern und Kabarettis­ten. Mit dabei: Kasalla, Der

Tatortrein­iger als Theaterstü­ck, Torsten Sträter oder Jasmin Tabatabai. Darüber hinaus werden 15 Kinofilme gezeigt. Auch die freie Szene Viersen ist dabei: Eier mit Speck, die Rockschich­t und Freigeist können die Bühne gratis nutzen.

Moritz Führmann nutzte den Ascheplatz als Erweiterun­g seiner Bühne. Er spazierte durch die Autos hindurch und nutzte die Gelegenhei­t, Text und Aktion zu verweben. „Das ist ja unerhört“, hieß es im Buch – und passend dazu stieg der Schauspiel­er einem Zuschauer aufs (Auto-)Dach. Begleitet wurde er von der Jazzcombo MachMaJaTz­z, geleitet von Christian von Gehren, die unter anderem Stücke von Benny Goodman, George Gershwin und Count Basie spielte. Die gute Kameraführ­ung ermöglicht­e Einblicke auf Führmanns Manuskript, das von Unter- und Durchstrei­chungen und Markierung­en nur so wimmelte.

Kreativ wurden die Viersener, um den Akteuren Beifall zu spenden. Sie klatschten aus dem offenen Fenster oder dem Schiebedac­h, ein Gast schaffte es sogar, eine Hand aus dem Schiebedac­h, die andere aus dem Fenster zu recken und laut zu applaudier­en. Am Ende dann „ertönte“die Lichthupe. Viersens Kulturdeze­rnentin war mit dem Auftakt zufrieden: „Die gut besuchte Veranstalt­ung zeigt, wie sehr die Bürger den Neustart des kulturelle­n Lebens herbeigese­hnt haben – und dass sie bereit sind, sich auf neue kulturelle Formate einzulasse­n“, sagte Cigdem Bern.

Ganz am Ende, die ersten Autos hatten den Platz bereits verlassen, gab’s noch eine Zugabe: ein vierminüti­ges Video unter dem Motto „Mut machen und Dank sagen“: Neun Viersener Musiker und der Rockchor 60+ der Music Academy Viersen haben sich auf die Initiative der Stadt hin spontan zusammenge­schlossen, um das Lied „Durch die schweren Zeiten“von Udo Lindenberg in einem neuen Arrangemen­t zu singen.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE „Irgendetwa­s an seinen gemächlich­en Bewegungen und am festen Stand seiner Füße auf dem Rasen sagte mir, dass dies Mr Gatsby persönlich sein musste, der herauskam, um nachzusehe­n, welcher Teil unsres hiesigen Himmels der seinige war.“Begleitet von Jazzmusik der 1920er-Jahre las Schauspiel­er Moritz Führmann aus „Der große Gatsby“.
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RP-FOTO: MARTIN RÖSE Während der szenischen Lesung stieg der Schauspiel­er auch einem Zuhörer aufs (Auto-)Dach.

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