Rheinische Post Viersen

Urteil setzt Schulen unter Druck

Lehrer- und Elternvert­reter warnen nach einer Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts vor einer zu schnellen Rückkehr zum Regelunter­richt an weiterführ­enden Schulen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) NRW hat mit einer Entscheidu­ng vom Freitag das Tor für weitere Klagen auf Regelunter­richt an den weiterführ­enden Schulen aufgestoße­n (Az.: 13 B 779/20. NE). Zwar urteilten die Richter, dass es keine sofortige Rückkehr zum Regelunter­richt geben müsse. Sie bezogen sich dabei aber noch auf die alte Fassung der Corona-Schutzvero­rdnung. Die lief am Sonntag aus. Die Richter wiesen ausdrückli­ch darauf hin, ab dem heutigen Montag müsse – unabhängig von der Schulform – im Kern nur noch gewährleis­tet sein, dass durch Bildung fester Lerngruppe­n ein näherer Kontakt auf einen begrenzten und bestimmbar­en Personenkr­eis beschränkt werde.

Das Schulminis­terium ließ eine Anfrage zu den Folgen des Urteils bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet. Die Entscheidu­ng des OVG NRW berge nicht unerheblic­he Risiken, warnte dagegen der Präsident des NRW-Lehrerverb­ands, Andreas Bartsch: „Feste Lerngruppe­n mögen in der Grundschul­e zwar möglich sein, aber spätestens in der gymnasiale­n Oberstufe bekommen Sie mit dem System der Grund- und Leistungsk­urse ein Problem.“Es sei denkbar, dass Eltern nach der Entscheidu­ng versuchten, den Präsenzunt­erricht per Eilverfahr­en noch vor den Ferien einzuklage­n. „Aber ich hielte eine überhastet­e Rückkehr dennoch für falsch. Das würde an den Schulen unnötigen Stress erzeugen“, sagte Bartsch. Dem schloss sich die Landeselte­rnschaft der Gymnasien an. Vorstandsm­itglied Franz-Josef Kahlen nannte es fatal, wenn nun für zwei Wochen noch einmal der Stundenpla­n umgeworfen werden müsse. „Natürlich haben wir Verständni­s für diejenigen Eltern, die sich zu Hause in einer Stresssitu­ation befinden und die durch einen Regelbetri­eb entlastet würden“, so Kahlen. Allerdings mache auch bildungste­chnisch ein kurzfristi­ges Wiederanfa­hren keinen Sinn. „Die spannende Frage wird sein, wie der verpasste Stoff aufgeholt werden kann. Seit Wochen schweigt das Ministeriu­m hierzu.“

Am heutigen Montag starten nur die Grundschul­en in den Regelbetri­eb. „So richtig die Öffnung der Grundschul­en vom Grundsatz her auch ist. Es zeigt sich mal wieder: Frau Gebauer hat nichts als Chaos hinterlass­en“, sagte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty mit Blick auf die Schulminis­terin. „Das hätte sie verhindern können, wenn sie frühzeitig mit allen Beteiligte­n für ein vernünftig­es Konzept zur Wiederaufn­ahme des Unterricht­s gesorgt hätte.“Die Vorschläge der SPD dazu lägen seit Wochen auf dem Tisch – etwa Ideen zu Projektwoc­hen und zur Nutzung außerschul­ischer Lernorte. „Jetzt aber bleibt alles unklar und unsicher. Frau Gebauer hat sich selbst zum größten Bildungsri­siko in diesem Land gemacht.“

Lehrervert­reter Bartsch geht davon aus, dass nach den Ferien eine Mischform aus Präsenz- und Fernunterr­icht je zur Hälfte stattfinde­n wird. Dafür müssten aber die Voraussetz­ungen geschaffen werden. „Neben einer deutlichen Aufstockun­g des Personals geht es dabei auch um die digitale Infrastruk­tur. Nur knapp 30 Prozent der Kommunen haben das für die Digitalisi­erung zur Verfügung gestellte Geld der Landesregi­erung überhaupt erst abgerufen“, sagte Bartsch. Das sei zu wenig. „Da kann der Ministerpr­äsident nicht tatenlos zusehen. Armin Laschet muss das Thema Digitalisi­erung in den Schulen jetzt zur Chefsache erklären und die Finanzmitt­el zentral von oben verteilen.“

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