Urteil setzt Schulen unter Druck
Lehrer- und Elternvertreter warnen nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vor einer zu schnellen Rückkehr zum Regelunterricht an weiterführenden Schulen.
DÜSSELDORF Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hat mit einer Entscheidung vom Freitag das Tor für weitere Klagen auf Regelunterricht an den weiterführenden Schulen aufgestoßen (Az.: 13 B 779/20. NE). Zwar urteilten die Richter, dass es keine sofortige Rückkehr zum Regelunterricht geben müsse. Sie bezogen sich dabei aber noch auf die alte Fassung der Corona-Schutzverordnung. Die lief am Sonntag aus. Die Richter wiesen ausdrücklich darauf hin, ab dem heutigen Montag müsse – unabhängig von der Schulform – im Kern nur noch gewährleistet sein, dass durch Bildung fester Lerngruppen ein näherer Kontakt auf einen begrenzten und bestimmbaren Personenkreis beschränkt werde.
Das Schulministerium ließ eine Anfrage zu den Folgen des Urteils bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die Entscheidung des OVG NRW berge nicht unerhebliche Risiken, warnte dagegen der Präsident des NRW-Lehrerverbands, Andreas Bartsch: „Feste Lerngruppen mögen in der Grundschule zwar möglich sein, aber spätestens in der gymnasialen Oberstufe bekommen Sie mit dem System der Grund- und Leistungskurse ein Problem.“Es sei denkbar, dass Eltern nach der Entscheidung versuchten, den Präsenzunterricht per Eilverfahren noch vor den Ferien einzuklagen. „Aber ich hielte eine überhastete Rückkehr dennoch für falsch. Das würde an den Schulen unnötigen Stress erzeugen“, sagte Bartsch. Dem schloss sich die Landeselternschaft der Gymnasien an. Vorstandsmitglied Franz-Josef Kahlen nannte es fatal, wenn nun für zwei Wochen noch einmal der Stundenplan umgeworfen werden müsse. „Natürlich haben wir Verständnis für diejenigen Eltern, die sich zu Hause in einer Stresssituation befinden und die durch einen Regelbetrieb entlastet würden“, so Kahlen. Allerdings mache auch bildungstechnisch ein kurzfristiges Wiederanfahren keinen Sinn. „Die spannende Frage wird sein, wie der verpasste Stoff aufgeholt werden kann. Seit Wochen schweigt das Ministerium hierzu.“
Am heutigen Montag starten nur die Grundschulen in den Regelbetrieb. „So richtig die Öffnung der Grundschulen vom Grundsatz her auch ist. Es zeigt sich mal wieder: Frau Gebauer hat nichts als Chaos hinterlassen“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty mit Blick auf die Schulministerin. „Das hätte sie verhindern können, wenn sie frühzeitig mit allen Beteiligten für ein vernünftiges Konzept zur Wiederaufnahme des Unterrichts gesorgt hätte.“Die Vorschläge der SPD dazu lägen seit Wochen auf dem Tisch – etwa Ideen zu Projektwochen und zur Nutzung außerschulischer Lernorte. „Jetzt aber bleibt alles unklar und unsicher. Frau Gebauer hat sich selbst zum größten Bildungsrisiko in diesem Land gemacht.“
Lehrervertreter Bartsch geht davon aus, dass nach den Ferien eine Mischform aus Präsenz- und Fernunterricht je zur Hälfte stattfinden wird. Dafür müssten aber die Voraussetzungen geschaffen werden. „Neben einer deutlichen Aufstockung des Personals geht es dabei auch um die digitale Infrastruktur. Nur knapp 30 Prozent der Kommunen haben das für die Digitalisierung zur Verfügung gestellte Geld der Landesregierung überhaupt erst abgerufen“, sagte Bartsch. Das sei zu wenig. „Da kann der Ministerpräsident nicht tatenlos zusehen. Armin Laschet muss das Thema Digitalisierung in den Schulen jetzt zur Chefsache erklären und die Finanzmittel zentral von oben verteilen.“