Das Taxi hat Zukunft
Angreifer wie Uber wollen den Mobilitätsmarkt verändern. Ein veraltetes Personenbeförderungsgesetz verhindert Revolutionen. Die Koalition hat sich nun auf Eckpunkte einer Reform geeinigt. Die Mietwagenbranche ist empört. Das zeigt, wie gut die Vorschläge
Christoph Weigler ist momentan nicht zu beneiden. Der Manager versucht seit einigen Jahren, das Deutschland-Geschäft für Uber aufzubauen. Doch erst machten Gerichte dem US-Fahrdienstvermittler das Leben schwer, dann brachte die Corona-Pandemie große Teile des Geschäfts zum Erliegen – und nun droht die lange geplante Reform des Personenbeförderungsgesetzes das Geschäftsmodell zu erschweren.
CDU und SPD haben sich auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das unserer Redaktion vorliegt. Die elf Punkte lesen sich wie ein Anti-Uber-Gesetz – und das ist gut so.
Es ist zwar unzweifelhaft, dass das in die Jahre gekommene Personenbeförderungsrecht modernisiert werden muss. Denn viele Regelungen stammen aus einer Zeit, in der das Internet im Straßenverkehr noch keine Rolle gespielt hat. Um als Taxifahrer arbeiten zu dürfen, müssen beispielsweise Ortskenntnisse nachgewiesen werden – was heute in Zeiten von Navigationsgeräten und Co. absurd klingt.
Aber nur weil neben Taxi, Bus und Bahn heute viele weitere Mobilitätsanbieter auf den Markt drängen, heißt das nicht, dass man das gesamte bestehende System über den Haufen werfen muss. Vielmehr macht es Sinn, die Stärken der Angreifer genau zu analysieren und dann auf das bestehende System anzuwenden.
Denn bislang haben Uber und Co. nicht den Beweis erbracht, dass die eigenen System tatsächlich nachhaltig funktionieren können und ökologisch überlegen sind.
Uber war vor Jahren damit gescheitert, Privatpersonen für die Beförderung einzusetzen, was allerdings klar gegen deutsche Gesetze verstieß. Zu welchen sozialen Problemen das Modell führt, kann man in den USA beobachten. Momentan setzt das Team um Christoph Weigler daher auf Mietwagen, die für Uber unterwegs sind. Weil für diese jedoch in der Regel nach jeder Fahrt eine Rückkehr zum Betriebssitz vorgesehen ist, warfen Taxi-Fahrer
Ubers Mietwagen-Partnern immer wieder vor, sich nicht an diese Vorschriften zu halten. Denn Ubers System ist Taxis nur dann überlegen, wenn die Auslastung der Fahrzeuge deutlich gesteigert werden kann.
Die Mietwagenbranche würde daher gerne, dass die Rückkehrpflicht fällt. Viel sinnvoller scheint jedoch, das Taxi wieder attraktiver zu machen – und den Nahverkehr (ÖPNV ) sinnvoll zu ergänzen. Die Taxis sind momentan gefangen in starren Tarifen und veralteter Regulierung, der ÖPNV in vielen dünner besiedelten Gebieten hingegen kaum kostendeckend finanzierbar bzw. auch mit starren Routen oder Zugstrecken vergleichsweise unflexibel.
Dabei gibt es Alternativen. Dazu gehören auch sogenannte Pooling-Lösungen, bei denen Fahrten von mehreren unterschiedlichen Fahrgästen kombiniert werden, wenn sie auf einer ähnlichen Route liegen. Dies bieten neben Uber auch andere Anbieter wie Free Now (ehemals Mytaxi), Clevershuttle oder Moia an. Das Versprechen der Anbieter: Langfristig könnte dadurch in Städten der Individualverkehr reduziert werden, was auch der Umwelt zugute kommen würde.
An dieser Stelle setzen auch die Überlegungen der Bundesregierung an. Sollte daraus ein Gesetz werden, würden die meisten Pooling-Lösungen künftig wohl Teil des öffentlichen Personennahverkehrs werden. Der Entwurf sieht in diesem Fall unter anderem eine Betriebs- und Beförderungspflicht vor. Das bedeutet, dass auch Fahrten durchgeführt werden müssen, wenn diese für den Anbieter eigentlich unattraktiv sind, etwa weil das Ziel sehr ländlich liegt. Für Plattformanbieter ist das eher unattraktiv, was den Vorstoß der Bundesregierung umso wichtiger macht – zumal Kommunen weitere Steuerungsmöglichkeiten eingeräumt werden sollen, etwa die Festlegung,
wie viele Pooling-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein dürfen. Außerdem sollen sie auch einen Tarif-Korridor oder Sozialstandards festlegen dürfen.
Es sind wichtige Signale, die einerseits den Kommunen bei der Mobilität der Zukunft deutlich mehr Verantwortung übertragen würden. Andererseits zeigen sie, dass der Politik nicht entgangen ist, unter welchen Bedingungen das Geschäft mit den Mietwagen in den vergangenen Monaten betrieben wurde.
Im Taxi-Gewerbe wiederum soll die Ortskundeprüfung entfallen, das Navi würde dann Pflicht. Und statt starrer Preise soll es Korridore geben mit Höchst- und Mindestpreisen. Für Mietwagen wiederum soll die Rückkehrpflicht weiter gelten.
Auch geplant: Bei Fahrzeugen in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern muss von außen erkennbar sein, ob es sich um Taxi, Mietwagen oder Pooling-Dienst handelt.
Letzteres hört sich banal an, ist aber ein entscheidender Schritt. Denn gerade in Städten wie Düsseldorf gab es Vorwürfe, Mietwagen aus angrenzenden Kommunen würden in der Stadt für Anbieter wie Uber fahren. Der Stadt waren in solchen Fällen die Hände gebunden, einerseits waren sie formal nicht zuständig, andererseits war von außen auch gar nicht erkennbar, ob sich ein Fahrzeug aus Leverkusen, Ratingen oder Neuss als Mietwagen unterwegs war oder nicht.
Die Reaktion auf diese Vorschläge fiel entsprechend geteilt aus. Die SPD würde gerne noch mehr Sozialund Arbeitsschutzstandards für Beschäftigte bei digitalen Mobilitätsdiensten festlegen. Die FDP wiederum würde die Rückkehrpflicht für Mietwagen gerne aufheben, was man in der Branche natürlich ähnlich sieht. „Unsere Politik ist dabei, ein Verkehrs-Museum zu errichten anstatt Vollgas in Richtung Digitalisierung zu geben“, klagt Thomas Mohnke, Sprecher der Mietwagen-Initiative „#Wirfahren“. Mohnke ist gleichzeitig Geschäftsführer von Safedriver. Das Mietwagen-Unternehmen fährt als Generalunternehmer für Uber.
NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) macht vor einem Treffen einer „Findungskommission“am 19. Juni Druck. „Die SPD muss von der Bremse. Seit fast eineinhalb Jahren wird jetzt an einer immer kleiner werdenden Reform gearbeitet. Jetzt heißt es Nägel mit Köpfen machen und das Personenbeförderungsgesetz reformieren. Gerade das Pooling ist ein wichtiger Baustein für bessere und sauberere Mobilität.“
Die Reform ist in der Tat überfällig, die Koalition ist seit Beginn der Legislaturperiode damit beschäftigt. Dabei wären Pooling-Lösungen schon heute sinnvoll, wenn sie den ÖPNV ergänzen und nicht ersetzen. Anbieter wie Uber haben die Branche technologisch modernisiert. Sie sollten sich in Zukunft bei Interesse auf die Abwicklung von Fahrten oder auf Pooling-Lösungen bewerben können – als Ergänzung zum Nahverkehr in einem regulierten Markt. Das ist vielleicht weniger lukrativ, aber verkehrspolitisch sinnvoller.