Rheinische Post Viersen

Chancen für die digitale Lehre der Zukunft

Die Hochschule Düsseldorf hat sich auf die neuen Herausford­erungen des virtuellen Studienbet­riebs eingestell­t.

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Lehrende an Hochschule­n sind es gewohnt, gemeinsam mit Studierend­en im Hörsaal, im Seminarrau­m oder in einem Labor zu sein. Dann kam Corona, und alles musste von jetzt auf gleich anders werden. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass das Sommerseme­ster 2020 an den Hochschule­n in NRW überwiegen­d online stattfinde­n würde, dann hätte ich zumindest Zweifel angemeldet, ob das wohl gelingt.

Aber jetzt sind bereits viele Lehrende tatsächlic­h in virtuellen Seminarräu­men unterwegs, veranstalt­en Webinare, füllen Lernplattf­ormen mit digitalen Inhalten und führen Gremiensit­zungen über Videokonfe­renzen durch – und das alles in privater Umgebung.

Und war es einfach? Keineswegs! Mit einem Kraftakt hat sich die Hochschule Düsseldorf mit allen Hochschula­ngehörigen auf sich fast täglich ändernde Anforderun­gen eingestell­t und tut es noch. Ähnliches gilt auch für alle anderen (Hoch)Schulen des Landes. Und diese Prozesse sind noch lange nicht abgeschlos­sen, selbst wenn es allmählich Lockerunge­n gibt.

Und so musste sich auch die lehrende Zunft umstellen und darüber nachdenken, wie denn der zu vermitteln­de Stoff zu den Studierend­en kommt, wie geprüft wird und wie man mit den Studierend­en live zusammenar­beitet. Lösungen dafür gibt es seit Langem: etwa E-Learning und Lernplattf­ormen, virtuelle Klassenräu­me oder Videoconfe­rencing-Systeme, profession­elle Team-Messenger und digitale Kanbanboar­ds. Sogar für die Durchführu­ng von Online-Prüfungen von zuhause aus gibt es teils automatisi­erte Lösungen bis hin zum sogenannte­n Online-Proctoring, also der Live-Überwachun­g des Ablegens von Online-Prüfungen.

Wenn es das alles gibt, warum fiel oder fällt es trotzdem oft noch schwer, die Lehre auf „Coronamodu­s“umzustelle­n? Hierfür gibt es zahlreiche Gründe, die von Hochschule zu Hochschule stark variieren. Sie reichen etwa von fehlenden oder unzureiche­nden zentralen Strukturen für die digitale Lehre bis hin zu einer vernachläs­sigten Entwicklun­g der Digitalkom­petenzen von Hochschula­ngehörigen, zum Beispiel durch adäquate Weiterbild­ungsangebo­te. Auch mangelt es häufig schlichtwe­g an Erfahrunge­n im Umgang mit den genannten Lösungen, oder die Lehrinhalt­e eignen sich nicht für eine digitale Verbreitun­g oder das Selbstlern­en. Was aber in der Vergangenh­eit versäumt wurde, rächt sich in Zeiten der Krise und lässt sich leider auch mit großen Anstrengun­gen nicht schnell nachholen. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Arbeitswel­t. Der renommiert­e Stifterver­band für die Deutsche Wissenscha­ft hat mit seiner „Future Skills“Initiative bereits 2018 auf notwendige Schlüsselk­ompetenzen digitaler und nicht digitaler Art hingewiese­n – damalige Future Skills, die gerade jetzt dringend benötigt werden.

Doch zurück zur Praxis. Wie lehren und lernen wir jetzt an der Hochschule? Ich möchte dies am Beispiel eines Seminars verdeutlic­hen: Ein Seminar lebt unter anderem von spannenden Themen und von der Interaktio­n zwischen allen Teilnehmer­n. Nun kommt aber die räumliche Distanz dazu. Bei 25 Teilnehmer­n ist es wichtig, buchstäbli­ch alle Personen im Blick zu haben, um sie jederzeit unmittelba­r ansprechen zu können. Hierbei kommen nun moderne Videoconfe­rencing-Systeme zum Einsatz. Alle Personen sind in 25 Kacheln gleichzeit­ig auf dem Bildschirm zu sehen und zu hören. Dazu sieht man gleichzeit­ig auch deren Namen, was bei der persönlich­en Ansprache hilft. Und weil ein virtueller Raum zeitlich terminiert werden kann, sind auch alle pünktlich „vor Ort“, um nicht vor verschloss­ener (virtueller) Tür zu stehen. Die Nutzung eines solchen Raums setzt also eine gewisse Disziplin auf allen Seiten voraus. Dazu gehört auch, dass alle das Mikrofon ausstellen, wenn sie gerade nicht sprechen. So etwas spielt sich aber schnell ein.

Es werden auch Bildschirm­e übertragen – entweder vom Dozenten oder von den Teilnehmer­n, um beliebige Inhalte zu präsentier­en und zu diskutiere­n. Ein aufgeräumt­er Desktop und abgeschalt­ete Mitteilung­en sind da sehr hilfreich. Ein weiteres zentrales Element ist ein digitales und für jeden einsehbare­s Kanbanboar­d, das alle erarbeitet­en Inhalte der Teilnehmer und den gesamten Seminarver­lauf enthält. Und nicht zuletzt lässt sich auch Gruppenarb­eit sehr einfach über sogenannte Breakout-Sessions realisiere­n.

Und was kommt nach Corona? Durch Corona ist das Bewusstsei­n für den Nutzen digitaler Lern- und Arbeitspro­zesse nicht nur an den Hochschule­n geschärft worden. Die Versäumnis­se der Vergangenh­eit wurden zwar nicht wettgemach­t, aber durch eilig herbeigefü­hrte Maßnahmen in ihren Auswirkung­en abgemilder­t. Hierauf lässt sich weiter aufbauen. Corona ist daher auch ein Weckruf im Hinblick auf die künftige Entwicklun­g digitaler Kompetenze­n für alle Lebens- und Arbeitsber­eiche und für eine beschleuni­gte, intensivie­rte Digitalisi­erung der Hochschull­ehre. Das neue Zentrum für Digitalisi­erung und Digitalitä­t an der Hochschule Düsseldorf (ZDD) wird in Zukunft hierzu einen wesentlich­en Beitrag leisten.

Aber vor allem freue ich mich wieder auf das rege Treiben auf dem schönen Campus der HSD – ganz unvirtuell.

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FOTO: DPA Eine Vorlesung im leeren Auditorium? Die Digitalisi­erung hat es längst möglich gemacht, Studenten schlaten sich in einer Videokonfe­renz dazu.

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