„Wissenschaft wird zu Wirtschaft“
Der Soziologe kritisiert das Exzellenz-Förderprogramm des Bundes.
2005 beschlossen Bund und Länder, die sogenannte Exzellenzinitiative, um den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Spitzenforschung im Universitäts- und Wissenschaftsbereich sichtbarer zu machen. Frank Schröder erklärt, warum das nur zum Teil gelungen ist.
Was kritisieren sie an der Exzellenzinitiative?
FRANK SCHRÖDER Durch die Initiative dringen Logiken in die Wissenschaft ein, die eigentlich für die Wirtschaft charakteristisch sind. Das sieht man schon an dem Begriff: In der Wirtschaft behaupten Unternehmen, dass sie exzellente Produkte herstellen. Der Verbraucher kann dann entscheiden, welche Produkte dieses Versprechen wirklich einlösen. Das entspricht aber nicht der Logik der Wissenschaft, dort funktioniert die Reputationsbildung anders. Nicht, indem sich Universitäten und Forschungsinstitution als exzellent bezeichnen, sondern durch die kollegiale Einstufung und Bewertung von Arbeiten durch andere Forscher.
Was ist denn das Ziel der Wissenschaft?
SCHRÖDER Sie hat ein gemeinsames übergeordnetes Ziel: die Erweiterung von Wissen und den Erkenntnisgewinn. Wissenschaftssysteme sind in der Regel steuerfinanziert, und die Erkenntnisse, die gewonnen werden, stehen allen Menschen zur Verfügung.
Inwiefern widersprechen sich Wirtschaft und Wissenschaft?
SCHRÖDER Wirtschaftsunternehmen verfolgen kein gemeinsames übergeordnetes Ziel. In dem Kampf um Ressourcen geht es primär darum, andere Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Ein Unternehmen strebt auf einem solchen Markt immer die Bildung eines Monopols an. Nike und Adidas werden es tunlichst vermeiden, ihr gesammeltes Wissen untereinander auszutauschen, sie sind ja Konkurrenten. Der Erkenntnisfortschritt in der Wissenschaft wird aber durch diesen gegenseitigen Austausch angetrieben. Wenn also diese wirtschaftlichen Logiken ins Feld der Wissenschaft eindringen, kann das zur Hemmung des Erkenntnisfortschritts führen.
Aber Universitäten profitieren doch auch von der Initiative?
SCHRÖDER Der Vorteil besteht darin, dass der Bund durch die Exzellenzinitiative Ressourcen in die Wissenschaft leiten kann. Das wäre ihm außerhalb der Initiative aufgrund der
Bildungshoheit der Länder nicht möglich. Es wurde in den Medien allerdings der Eindruck erweckt, die „exzellenten“Universitäten könnten mit US-amerikanischen Spitzenuniversitäten mithalten. Das Budget der Exzellenzinitiative ist jedoch sehr weit von dem entfernt, was Institutionen wie Harvard oder Stanford zur Verfügung steht. Das Jahresbudget der Harvard Universität und anderer US-amerikanischer Spitzenunis entspricht ungefähr dem Fördervolumen, das für die gesamte Exzellenzinitiative für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgeschüttet wurde.
Wie kann Deutschland denn an die internationale Forschung anknüpfen?
SCHRÖDER Wir dürfen nicht vergessen, dass die US-amerikanischen Forschungsinstitutionen, die an der Spitze globaler Forschungsrankings stehen, zum großen Teil über Stiftungsgelder finanziert werden. In den seltensten Fällen werden Eliteunis hauptsächlich durch staatliche Gelder finanziert wie hier in Deutschland. Und das hat entsprechende Folgen: Wir haben hier nicht eine kleine Spitze, die über sehr viel Ressourcen verfügt, sondern eine Vielzahl von Universitäten mit im Vergleich moderater Grundausstattung. Deutschlands Wissenschaftslandschaft ist in der Breite qualitativ recht hochstehend, trotzdem haben wir nicht die Ressourcen, die Spitzenunis US-amerikanischer Provenienz zur Verfügung stehen.