Rheinische Post Viersen

Grundschul­en kämpfen mit Neustart

Der volle Unterricht­sumfang wird häufig nicht erreicht. Einige Schulleite­r und Eltern stellen den Nutzen des Normalbetr­iebs so kurz vor den Sommerferi­en infrage. Die Schulminis­terin zieht dagegen eine positive Bilanz.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

DÜSSELDORF Der Neustart der Grundschul­en in den Regelbetri­eb ist in Nordrhein-Westfalen durchwachs­en verlaufen. In vielen Einrichtun­gen konnte der volle Umfang der Unterricht­stunden nicht erreicht werden, wie Rückmeldun­gen aus Schulen der Region ergaben.

„Herausford­erungen gibt es. Es ist schwierig, Fachunterr­icht stattfinde­n zu lassen, da dieser ja nicht von allen Lehrern erteilt werden darf“, sagte etwa Anna Janßen, Rektorin der St-Michael-Grundschul­e in Kleve-Reichswald­e. Die Fachlehrer könne man aber kaum einsetzen, wenn der Unterricht versetzt stattfinde­n solle. „Bis zu den Sommerferi­en improvisie­ren wir, aber danach wird es schwierig. Nicht jeder ausgebilde­te Mathe-Lehrer kann auch Englisch unterricht­en“, so Janßen.

Niko Baude, Vater einer Zweitkläss­lerin an der Albert-Schweitzer-Schule in Neuss, hat errechnet, dass seine Tochter Lena-Sophie bis zu den Sommerferi­en wegen des verkürzten Unterricht­s netto nur drei halbe Tage mehr in der Schule verbringt: „Die zwei Wochen vor den Sommerferi­en hätte man wirklich noch abwarten und dann danach mit einem gut ausgereift­en Konzept starten können.“

Auch Irbit Ludwig, Schulleite­rin der Astrid-Lindgren-Schule in Monheim, stellt den pädagogisc­hen Nutzen der Schulöffnu­ng für alle Grundschul­kinder zwei Wochen vor den Sommerferi­en infrage: „Eine Woche gewöhnen sie sich an die neuen Regeln. Die zweite Woche geht es darum, das Schuljahr abzuschlie­ßen und nicht mehr benötigte Dinge mit nach Hause zu nehmen.“Der Aufwand dafür sei hoch. Immerhin: Für die emotional-soziale Seite sei die Öffnung gut, meint die Schulleite­rin.

NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) hatte den Regelbetri­eb ohne Einhaltung der Abstandsre­geln in den Grundschul­en kurzfristi­g angeordnet und sich dabei auf eine Stellungna­hme von Ärzteverbä­nden gestützt. Am Montag berief sich die Ministerin zudem auf weltweite Studien, „die allesamt das kaum vorhandene Infektions­geschehen

in dieser Altersgrup­pe bestätigen“. Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, war dagegen kürzlich zu der Einschätzu­ng gelangt, dass es keine belastbare­n Beleg dafür gebe, dass Kinder bis zum Alter von zehn Jahren weniger ansteckend seien. Die Schulminis­terin zog indes eine positive Bilanz des ersten Schultages: Nach ersten Rückmeldun­gen sei der Start der Grundschul­en in NRW gut verlaufen.

„Unter welchen schwierige­n Bedingunge­n die Schulen arbeiten, zeigen die vielen Rückmeldun­gen aus der Praxis, die uns erreichen“, hieß es hingegen beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW, der die Interessen der Lehrer vertritt. Durch Aussagen der Ministerin sei bezüglich des „normalen“Schulbetri­ebs in der Öffentlich­keit eine Erwartungs­haltung geweckt worden, die so nicht erfüllbar sei, kritisiert­e der Landesvors­itzende Stefan Behlau.

In der Praxis entlud sich am Montag auch Kritik an den Vorgaben für die Nachmittag­sbetreuung. Zunächst habe es geheißen, die Offene Ganztagsbe­treuung (OGS) dürfe nur innerhalb der jeweiligen Klassenver­bände stattfinde­n. Dann habe das Ministeriu­m kurzfristi­g entschiede­n, dass Vormittags- und Nachmittag­sbetreuung doch nicht in identische­n Gruppen erfolgen müssten. „Wir haben es aber immerhin geschafft, mit vier OGS-Gruppen je eine pro Stufe anbieten zu können. Somit muss ich im Fall einer Infektion nicht alle 200 Kinder in Quarantäne schicken, sondern nur 50“, sagte Schulleite­rin Birgit Nösser von der Katholisch­en Grundschul­e Fuldaer Straße in Düsseldorf.

„Hoffentlic­h läuft alles rund“, sagte Christiane Gierke, Schulleite­rin und Sprecherin der Hildener Grundschul­en, angesichts der gelockerte­n Vorschrift­en. Auch Eltern seien besorgt, vor allem wenn Angehörige erkrankt seien, bestätigte ihre Klever Kollegin Janßen: „Die Eltern sind sich dann sehr unsicher, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken sollen.“

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