Rheinische Post Viersen

Bund plant Schulden von 218 Milliarden Euro

Mit Rettungssc­hirmen und Konjunktur­paketen federt der Staat die Auswirkung­en der Corona-Pandemie ab. Dafür muss der Finanzmini­ster fünfmal so viele Schulden aufnehmen wie in der Finanzkris­e.

- VON THERESA MÜNCH

BERLIN (dpa) Sechs Jahre stand die schwarze Null, jetzt muss sich der Bund wegen der Corona-Krise so viel Geld leihen wie noch nie zuvor. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) plant für 2020 mit einer Neuverschu­ldung von 218,5 Milliarden Euro. Das ist fast fünfmal so viel wie im Rekordschu­ldenjahr 2010. In der Finanzkris­e galt es, Banken zu retten und den Konsum anzukurbel­n. Jetzt geht es um die Stabilisie­rung fast der gesamten Wirtschaft, die in der Pandemie schwere Einbrüche erlitten hat. Doch vielen stellt trotzdem die Frage: „Wer soll das bezahlen?“.

156 Milliarden Euro an neuen Krediten hatte der Bundestag für die Hilfsprogr­amme bereits im März genehmigt. Jetzt kommen in einem zweiten Nachtragsh­aushalt noch einmal 62,5 Milliarden Euro dazu, wie am Montag aus dem Finanzmini­sterium verlautete. Kabinett und Bundestag müssen allerdings noch zustimmen. Damit sollen Einbrüche bei den Steuereinn­ahmen ausgeglich­en werden, vor allem aber will der Bund so das von Union und SPD ausgehande­lte Konjunktur­paket finanziere­n, das die Bürger wieder in Konsumlaun­e bringen soll. Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg räumte ein: „Mir macht es keine Freude, Schulden in dieser Rekordhöhe aufzunehme­n. Die Alternativ­e wäre aber, dass viele Unternehme­n pleite gehen und die Arbeitslos­igkeit in die Höhe schießt.“

Teil des Konjunktur­pakets ist eine vorübergeh­ende Senkung der Mehrwertst­euer, die Einkäufe im Supermarkt, im Möbel- oder Autohaus und in anderen Geschäften bis Jahresende günstiger machen soll. Außerdem bekommen Familien mit Kindern einen Bonus von 300 Euro pro Kind. Kleine und mittelstän­dische Unternehme­n, die von der Corona-Krise besonders hart getroffen sind, können Überbrücku­ngshilfen von insgesamt 25 Milliarden Euro erhalten, damit sie den Sommer überstehen und noch im Geschäft sind, wenn die Wirtschaft langsam wieder durchstart­et.

Die neuen Kredite kann der Bund nach Ansicht des Finanzmini­steriums vor allem wegen der soliden Haushaltse­ntwicklung der vergangene­n Jahre tragen. Sechs Jahre lang wurden keine Schulden gemacht, zuletzt fiel die Schuldenqu­ote erstmals wieder unter die von der EU geforderte Quote von 60 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Daher habe Deutschlan­d „die notwendige Finanzkraf­t, entschloss­en zu reagieren und wirksame konjunktur­elle Impulse zu setzen“, heißt es im Entwurf zum Nachtragsh­aushalt.

Angesichts der Rekordsumm­en befürchten trotzdem viele, dass sich der Schuldenbe­rg in absehbarer Zeit nicht wieder abtragen lässt. FDP-Haushälter Otto Fricke rief daher zum vorübergeh­enden Verzicht auf Projekte wie die Grundrente auf. „Wer in der Krise nicht bereit ist, auf bestimmte Ausgaben zu verzichten, der wird am Ende nichts mehr zu gestalten haben“, sagte er. „Das jedoch ist fatal für die Menschen in unserem Land, denn auf unseren wachsenden Schuldenbe­rgen kann kein Kind eine Zukunft aufbauen.“Ökonomen sehen die Neuverschu­ldung weit weniger kritisch und auch nicht als Grund, um auf wichtige Investitio­nen zu verzichten. Wichtig sei, dass der Bund die Zinsen aus seinen Steuereinn­ahmen bedienen könne, erläuterte kürzlich der Steuerexpe­rte Martin Beznoska vom Institut der Deutschen Wirtschaft. „So lange der Staat am Kapitalmar­kt weiter zu vernünftig­en Zinsen Geld bekommt, ist es kein Problem, Schulden zu haben.“Derzeit kann der Bund zu günstigen Konditione­n Geld aufnehmen. Kredite mit zehnjährig­er Laufzeit bekommt der Bund zu Negativzin­sen. Finanzmini­ster Scholz plant nun, den größten Teil der Corona-Schulden innerhalb von 20 Jahren ab 2023 wieder zu tilgen.

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FOTO: DPA Olaf Scholz.

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