Ardern feiert Erdrutschsieg
Neuseelands Regierungschefin bewältigte als Krisenmanagerin eine Terrorattacke, einen Vulkanausbruch und die Pandemie. Der Lohn ist ein klarer Erfolg bei der Parlamentswahl.
WELLINGTON In Neuseeland haben die Sozialdemokraten unter Premierministerin Jacinda Ardern einen Erdrutschsieg gefeiert. Sie erhielten fast 50 Prozent der Stimmen. Die Oppositionspartei – die National Partei – kam nur auf rund 27 Prozent. Politische Kommentatoren nannten es ein „Blutbad für die Konservativen“. Die Grüne Partei schnitt mit etwa acht Prozent gut ab. Ebenfalls mit im Parlament sitzt die libertäre Partei ACT New Zealand. Die rechtspopulistische Partei New Zealand First, die bisher zusammen mit Arderns Labour Partei und den Grünen die Regierungskoalition gebildet hatte, knackte die Fünf-Prozent-Hürde dagegen nicht mehr.
Im proportionalen Wahlsystem Neuseelands braucht eine Partei 61 der 120 Sitze des Parlaments, um die Regierung zu bilden. Arderns Labour Partei kommt wohl auf 64 Sitze und kann damit ohne Koalitionspartner regieren – ein historischer Sieg. Doch politische Beobachter vermuten, dass Ardern die Grüne Partei auch weiterhin einbinden wird. Ardern, die während ihrer Siegesrede zunächst Maori sprach, appellierte an den Zusammenhalt der Neuseeländer: „Wir leben in einer polarisierten Welt... Ich hoffe, Neuseeland hat bei dieser Wahl gezeigt, dass wir so nicht sind“, sagte sie. Ihr kleines Land wolle die Perspektive anderer nicht aus den Augen verlieren. Ardern versprach, in den kommenden drei Jahren mit Positivität zu regieren. „Wir wissen, dass die nächsten Jahre nicht einfach sein werden“, sagte sie. Aber es habe selbst in den dunkelsten Zeiten immer wieder ein Licht gegeben.
Arderns Sieg ist insofern bemerkenswert, da sie vor der vorherigen Wahl 2017 noch mehr oder weniger unbekannt gewesen war. Den Parteivorsitz der Labour Partei hatte sie gerade mal sieben Wochen vor der Wahl übernommen, als ihre Partei in den Umfragen quasi chancenlos war. Doch die charismatische
Politikerin löste eine Begeisterung im Volk aus, die die lokalen Medien „Jacindamania“betitelten. Trotz dieser Euphorie gewannen 2017 die Konservativen noch knapp die Wahl. Doch ihre Stimmen reichten nicht aus, um die Regierung zu bilden. Das Zünglein an der Waage wurde damals der Rechtspopulist Winston Peters, der mit den Stimmen seiner Partei Ardern an die Spitze der Regierung beförderte. In den drei Jahren, die folgten, wurde die jüngste
Regierungschefin Neuseelands – Ardern war 37, als sie ihr Amt antrat – auf die Feuerprobe gestellt: Die junge Sozialdemokratin, die während ihrer Amtszeit auch noch Mutter wurde, musste eine Terrorattacke, einen Vulkanausbruch und die Covid-19-Pandemie bewältigen. Ardern meisterte die Tragödien mit viel Empathie, die die Menschen einte, und ihr weltweites Lob einbrachte.
Auch die Corona-Krise handhabte Neuseeland bis auf einen Rückschlag in Auckland so gut wie kaum ein anderes Land der Erde. Ardern führte ihr Volk – das sie ihr „Fünf-Millionen-Team“nannte – mit täglichen Briefings und viel mentaler Unterstützung durch einen der strengsten Lockdowns der Welt. Seit Anfang Oktober gilt das Land – das weniger als 2000 Infektionen und 25 Todesfälle meldete – als corona-frei. Laut einer Umfrage von Bloomberg Media war Neuseelands Reaktion auf die CoronavirusPandemie die beste der Welt – noch vor Japan und Taiwan.
Jacinda Ardern selbst gestand in ihrer Siegesrede auf der Wahlparty in Auckland ein, dass es in den kommenden drei Jahren viel zu tun gebe, damit sich das Land wieder von der Covid-19-Pandemie erhole. „Dies ist unsere Chance, eine Wirtschaft aufzubauen, die für alle funktioniert, weiterhin menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen, Armut und Ungleichheit zu bekämpfen und all die Unsicherheiten und schweren Zeiten in einen Grund zur Hoffnung und zu Optimismus zu verwandeln.“