Viersenerin ist Legostein-Detektivin
Wenn ein Lego-Teil verschwunden ist, ist das ein Einsatz für Kristina Hahn: In ihrem Viersener Shop Bricks Creations gibt es 3,6 Millionen Teile.
VIERSEN Der Anblick ist gigantisch. Vor der Bucht mit den Höhlen und Riffen kreuzen Piratenschiffe auf dem stahlblauen Meer. Von einem versunkenen Segelschiffe sind nur noch der Mast und Reste zu sehen. An der Steilküste steht eine gewaltige Burg, die von Rittern in Ruderbooten angesteuert wird. Mönche laufen zwischen den Felsen auf schmalen Brücken. Für diese kleine Welt auf sechs Quadratmetern Marc Hahn 350.000 Lego-Teile verbaut – und das ohne Vorlage.
Der Viersener hat nach seinen Ideen die Landschaft, das Meer mit Schiffen und die Gebäude errichtet. „Ich baue, aber meine Frau kennt die Teile besser als ich“, sagt der 44-jährige Berufsschullehrer mit einem Lächeln. Kristina Hahn (47) ist die Inhaberin von Bricks Creations. In ihrem Viersener Shop dreht sich alles um die Welt der kleinen Plastiksteine. Und das auf außergewöhnliche Weise.
Mit ihrem Unternehmen versorgt Hahn weltweit Lego-Begeisterte, denen Steine für ihre Kreationen fehlen. Es ist eine Marktlücke, da Lego seit Jahren nur noch komplette Baukastensysteme verkauft, aber keine Einzelteile mehr. Dadurch hat sich ein Sekundärmarkt entwickelt.
Nicht nur Eltern kennen das: Es passiert immer wieder, dass Steine aus einem Set abhanden kommen. Wenn der Staubsauger ein Lego-Teil verschluckt, ein Teil herunter fällt und unerreichbar wird, wenn jemand aus Versehen auf einen kleinen Klotz tritt oder der Hund ein vermeintliches Leckerchen erbeutet, fehlt ein unersetzbares Teil. Außer, man kauft das Set erneut. Oder wendet sich an Kristina Hahn.
Die Viersenerin erwirbt Baukästen, die in den großen Lego-Fabriken
in Dänemark, Tschechien, Mexico und China hergestellt werden. Dann verkauft sie die Elemente einzeln. Außerdem kauft sie auch gebrauchte Lego-Teile an.
Wie die Steine-Detektivin arbeitet: „Jedes einzelne Teil hat eine Artikelnummer. Ich muss lediglich die Farbe wissen“, erzählt sie. „Oft reicht mir aber einfach ein Bild. Ich weiß dann, was fehlt und kann liefern“, so Hahn. Ihr Service von Bricks Creations wird weltweit genutzt. Daurch ist Viersen ein Begriff in der Lego-Szene geworden.
Angefangen hat alles kurz vor Weihnachten 2013. „Meine Frau und ich waren in einem Spielzeuggeschäft. Ich stand vor dem Lego-Set ‚Unerwartete Zusammenkunft’ aus der Fantasy-Filmreihe ,Der Hobbit` und sagte, dass dies doch mal ein Weihnachtsgeschenk für mich wäre“, erinnert sich Marc Hahn. Das Set lag unterm Weihnachtsbaum und damit begann eine unerwartete Zusammenkunft: Marc Hahn wurde zum großen Fan der kleinen Steine. Innerhalb kürzester Zeit entstand Mittelerde im heimischen Keller.
Über die Internetplattform 1000 Steine wurde ein niederländischer Museumsleiter auf den Viersener aufmerksam. Dessen Mittelerde-Bauten wurden in den Niederlanden ausgestellt. Zudem gewann der 44-Jährige verschiedene Preise im Lego-Bereich. „Ich bin ja nicht der einzige Verrückte, der mit Lego spielt“, sagt Hahn schmunzelnd.
Durch seine Lego-Begeisterung kam das Ehepaar Hahn auf die Idee, den Shop Bricks Creations ins Leben zu rufen. Im April 2016, als die gelernte technische Zeichnerin die Elternzeit beendet hatte, kehrte sie nicht mehr in ihren Beruf zurück, sondern baute stattdessen einen Handel für Lego-Steine auf. „So weit ist es gar nicht von meinem alten Beruf entfernt. Ich habe in einer Spritzgussfirma gearbeitet, die sich allerdings mit größeren Teilen beschäftigt hat“, sagt die 47-Jährige. „Aber Lego ist auch Spritzguss und so bin ich der Materie treu geblieben.“
Ihre Liebe zur Welt der kleinen Steine ist ebenso groß wie die ihres Mannes. Allerdings baut sie nicht selbst. Das überlässt sie ihrem Mann und den beiden Kindern Elias und Miriam. Und wenn morgens auf dem Frühstückstisch ein Hirsch-Patronus aus dem Harry-Potter-Universum steht, den ihr Mann ohne Vorlage gebaut hat, dann strahlt die Viersenerin.