„Borussia hat die Qualität, einen Titel zu holen“
Der Ex-Gladbacher wird 50. Er spricht über das Highlight seiner Karriere, notwendige Eigenschaften von Nachwuchsspielern, Zehner und Dribbler.
Herr Pflipsen, Sie werden am 31. Oktober 50 – wie fühlt sich das an? PFLIPSEN Wie gestern. Aber Spaß beiseite: Ich fühle mich sehr gut und dem Alter entsprechend ziemlich fit. Doch die Zahl lügt auch nicht, das erkenn’ ich jeden Morgen im Spiegel.
1995 wurden Sie mit Borussia Pokal-Sieger. Ihr Karriere-Highlight? PFLIPSEN Auf jeden Fall. Als Profi trainierst du täglich, um am Wochenende Spiele zu gewinnen, und wenn du es am Ende einer Saison sogar schaffst, Pokalsieger zu werden, ist das definitiv was Großes. Der Tag damals in Berlin und der Empfang auf dem Alten Markt am nächsten Tag wird für immer als etwas ganz Besonderes in meiner Erinnerung bleiben.
Es ist Gladbachs letzter Titel. Wo sehen Sie die aktuelle Borussia? PFLIPSEN Sie ist seit einigen Jahren auf einem sehr guten Weg, der, so scheint es mir, noch nicht beendet ist. Der Verein ist dank Stefan Schippers finanziell sehr gut aufgestellt und sportlich hat er sich unter der Führung von Max Eberl stetig verbessert. Die Transferpolitik der letzten Jahre ist ausgezeichnet, was dazu führte, dass die Qualität des Kaders und die finanziellen Möglichkeiten durch Weiterverkäufe von begehrten Spielern stieg. Die Mannschaft hat sich die Teilnahme an der Champions League durch eine tolle letzte Saison mehr als verdient. Jetzt würde ich ihr wünschen, nochmal ins DFB-Pokalfinale einzuziehen, um mit etwas Glück endlich nochmal einen Titel zu holen. Die Qualität dafür besitzt sie.
Denis Zakaria ist schwer am Knie verletzt, wie Sie damals. Wie schwer fällt es, so etwas zu akzeptieren? PFLIPSEN Dir bleibt nichts anderes übrig, als die Situation so anzunehmen und mit aller Macht und Zielstrebigkeit auf das Comeback hinzuarbeiten. Selbst wenn es immer wieder Rückschläge gibt, darfst du dein Ziel nie aus den Augen verlieren. Ohne ihn persönlich zu kennen, würde ich Denis aber so einschätzen. Und ich freue mich sehr, wenn er wieder auf dem Platz steht, weil er die Qualität der Mannschaft nochmal deutlich anheben wird.
Sie haben es als Eigengewächs in die Bundesliga geschafft. Wie nun Rocco Reitz. Ein schwerer Weg? PFLIPSEN Ich durfte als A-Jugendspieler, nachdem ich erst seit zwei Wochen mit den Profis trainiert hatte, mein Debüt geben. Wichtig ist für junge Spieler, dass Sie gierig bleiben, Freude und Zielstrebigkeit in jedem Training zeigen und mutig sind, wenn es drauf ankommt. Freundlich abseits des Platzes, frech und selbstbewusst auf dem Platz, nie einen Gang zurückschalten – das sind Eigenschaften, die neben Talent nötig sind, um sich durchzusetzen.
Talent Famana Quizera ist wie Sie früher ein Zehner. Was halten Sie von ihm?
PFLIPSEN Ich halte sehr viel von ihm und ich wünsche ihm, dass er zeitnah seine Chance im Profikader bekommt. Er ist in den meisten Spielen der U23 der Unterschiedsspieler. Ich traue ihm den sofortigen Sprung zu den Profis zu. Vielleicht ist er sogar der Spielertyp, der das für seine weitere Entwicklung braucht. Natürlich macht er noch nicht alles perfekt, aber er hat aus meiner Sicht das Besondere. Und solchen Spielern muss man vielleicht den einen oder anderen Fehler zugestehen.
Die Zehner-Position ist wieder „in“im Fußball. Was macht sie aus? PFLIPSEN Ich glaube, dass es eine der schwierigsten Positionen ist. Da du oftmals mit dem Rücken zum Gegner spielst, brauchst du eine sehr gute Technik auch unter Zeit- und Gegnerdruck, eine sehr gute Vororientierung, eine gute Positionierung, Handlungsschnelligkeit, Schlitzohrigkeit, Schnelligkeit und Dynamik, Torgefahr, Abschlussstärke und Durchsetzungsvermögen im
Eins gegen Eins, um ein paar Eigenschaften zu nennen. Auf der Position hast du die Möglichkeit, dem Gegner Aufgaben zu stellen und Spiele zu beeinflussen oder sogar zu entscheiden. Das ist extrem anspruchsvoll und nicht für jeden geeignet.
Was man selten sieht: Dribbler wie Sie oder Peter Wynhoff es waren. PFLIPSEN Das ist leider eine Entwicklung der letzten fünf bis zehn Jahre, die aus meiner Sicht darauf zurückzuführen ist, dass man in der Jugendausbildung zu lange andere Schwerpunkte gesetzt hat und es den Spielern teilweise abtrainiert wurde, zu dribbeln. Passspiel, schnelles Umschaltspiel mit wenig Kontakten und gruppentaktische Formen standen im Vordergrund. Individualtaktik und Torabschlüsse sind in den Hintergrund getreten. Und wenn du etwas nicht trainierst, wirst du es auch im Spiel nicht anwenden. Dabei glaube ich, dass, je höher man kommt und je enger die Spiele sind, die individuelle Qualität eines Spielers Spiele entscheidet.
In der Weisweiler-Elf, deren Geschäftsführer Sie sind, kann man Sie und andere Ex-Borussen noch sehen. Aber Corona hat die Traditionself ausgebremst.
PFLIPSEN Wir konnten dieses Jahr aufgrund von Corona nicht ein Spiel bestreiten. Es macht leider auch für den Veranstalter keinen Sinn ohne Zuschauer. Diese Spiele sollen Feste für den jeweiligen Verein sein, dazu sind Zuschauer notwendig. Wir hoffen, 2021 wieder spielen zu können.