„Massive Einschränkung von Rechten“
Der Fondsmanager von Deka Investment hält wenig von virtuellen Aktionärstreffen, die derzeit erlaubt sind.
Herr Speich, der Gesetzgeber hat wegen der Corona-Pandemie virtuelle Hauptversammlungen (HV) bis Ende 2021 erlaubt. Sind OnlineAktionärstreffen aus Ihrer Sicht auch eine dauerhafte Option? Speich Lassen wir die Pandemie für einen Moment außen vor. Wir sind nicht prinzipiell gegen ein virtuelles Format. Aber die Form der Hauptversammlung in der Corona-Zeit bringt eine massive Einschränkung von Aktionärsrechten mit sich. Das kann nicht so bleiben. Das Aktienrecht darf nicht durch einen abweichenden Kommunikationskanal dauerhaft außer Kraft gesetzt werden.
Was wäre Ihr Vorschlag?
Speich Unser Wunsch wäre eine Hybridveranstaltung: Der Aktionär hätte dann das Wahlrecht zwischen einer Präsenzveranstaltung und einer Online-Teilnahme.
Und wenn die Unternehmen das nicht wollen? Zwei Drittel der
Dax-Unternehmen würden eine reine Online-HV bevorzugen. Speich Die Unternehmen verschweigen allerdings, dass sie nur unter den geltenden Corona-Regeln dazu bereit wären. Aber wenn die Pandemie vorbei wäre, würden wir zu den Regeln des geltenden Aktienrechts zurückkehren. Das sieht nur das Präsenzformat vor, es sei denn, etwas Anderes steht ausdrücklich in der Satzung. Andernfalls ist die virtuelle Hauptversammlung 2022 Vergangenheit, wenn wir bis dahin die Pandemie im Griff haben.
Wäre eine reine Online-Hauptversammlung mit allen Aktionärsrechten überhaupt denkbar?
Speich Technisch wäre das für die Unternehmen überhaupt kein Problem. Aber viele wollen das nicht, weil die Juristen zu viele Befürchtungen haben, dass Beschlüsse von Aktionären angefochten werden.
Zum Beispiel?
Speich Zum Beispiel, was das Auskunftsrecht und das Anfechtungsrecht angeht. Sogenannte Berufskläger könnten die Unternehmen ganz schön in die Bredouille bringen. Getestet hat das bisher kein Unternehmen und keines möchte das erste sein.
Eine virtuelle HV wäre für die Unternehmen zudem preiswerter. Was kostet eine Hauptversammlung bei einem Dax-Konzern?
Speich Bei einem großen Dax-Unternehmen kann das alles in allem schon ein zweistelliger Millionenbetrag sein.
Beeinträchtigt die aktuelle HV-Praxis die Lust der Deutschen auf Aktien? Speich Die virtuelle Hauptversammlung ist Gift für die Aktienkultur. Die Interaktion zwischen Aktionären und Unternehmen war nicht mehr ohne Weiteres möglich. Leider liegt der Anteil der Aktionäre an der Gesamtbevölkerung nur bei rund 15 Prozent.
Die Menschen reagieren relativ gleichmütig auf konstante Kursanstiege, während ein steiler Absturz bei vielen sofort wieder die Angst vor der Aktie schürt.
Speich Das hat viel mit Psychologie zu tun. Die Menschen bewerten Verluste stets höher als Gewinne und mögen daher keine Schwankungen. Leider ist Deutschland ein Land der Sparer und nicht der Investoren. Das ist im Ausland anders: Da ist die Aktie als langfristiger Bestandteil des Vermögensaufbaus viel stärker vertreten. Langfristig ist sie da auch nicht mehr wegzudenken. Schon gar nicht in der Niedrigzinsphase, die uns noch längere Zeit begleiten wird.
Apropos Aktienkultur: Wie sehr schadet der Fall Wirecard? Welche Konsequenzen muss man ziehen, wenn die europäische Aufsicht die deutsche Finanzaufsicht attackiert? Speich Der mutmaßliche Betrug hat schon sehr geschadet, zumal die Aktie auch bei deutschen Privatanlegern begehrt war. Aber man darf das Ganze auch nicht zum Standardfall am Kapitalmarkt machen. Bevor man sich ein Urteil auch über mögliche Konsequenzen bilden kann, muss der Sachverhalt erst einmal komplett sauber aufgeklärt werden.
Die europäische Aufsicht wirft der Bafin vor, es hätten Mitarbeiter geprüft, die Aktien von Wirecard hielten. Sollte man das untersagen? Speich Prinzipiell gilt der Grundsatz: Bei keiner Tätigkeit sollte irgendeine Form von Interessenkonflikt auftreten. Das gilt für unsere Arbeit genauso.