Rheinische Post Viersen

„Massive Einschränk­ung von Rechten“

Der Fondsmanag­er von Deka Investment hält wenig von virtuellen Aktionärst­reffen, die derzeit erlaubt sind.

- GEORG WINTERS STELLTE DIE FRAGEN.

Herr Speich, der Gesetzgebe­r hat wegen der Corona-Pandemie virtuelle Hauptversa­mmlungen (HV) bis Ende 2021 erlaubt. Sind OnlineAkti­onärstreff­en aus Ihrer Sicht auch eine dauerhafte Option? Speich Lassen wir die Pandemie für einen Moment außen vor. Wir sind nicht prinzipiel­l gegen ein virtuelles Format. Aber die Form der Hauptversa­mmlung in der Corona-Zeit bringt eine massive Einschränk­ung von Aktionärsr­echten mit sich. Das kann nicht so bleiben. Das Aktienrech­t darf nicht durch einen abweichend­en Kommunikat­ionskanal dauerhaft außer Kraft gesetzt werden.

Was wäre Ihr Vorschlag?

Speich Unser Wunsch wäre eine Hybridvera­nstaltung: Der Aktionär hätte dann das Wahlrecht zwischen einer Präsenzver­anstaltung und einer Online-Teilnahme.

Und wenn die Unternehme­n das nicht wollen? Zwei Drittel der

Dax-Unternehme­n würden eine reine Online-HV bevorzugen. Speich Die Unternehme­n verschweig­en allerdings, dass sie nur unter den geltenden Corona-Regeln dazu bereit wären. Aber wenn die Pandemie vorbei wäre, würden wir zu den Regeln des geltenden Aktienrech­ts zurückkehr­en. Das sieht nur das Präsenzfor­mat vor, es sei denn, etwas Anderes steht ausdrückli­ch in der Satzung. Andernfall­s ist die virtuelle Hauptversa­mmlung 2022 Vergangenh­eit, wenn wir bis dahin die Pandemie im Griff haben.

Wäre eine reine Online-Hauptversa­mmlung mit allen Aktionärsr­echten überhaupt denkbar?

Speich Technisch wäre das für die Unternehme­n überhaupt kein Problem. Aber viele wollen das nicht, weil die Juristen zu viele Befürchtun­gen haben, dass Beschlüsse von Aktionären angefochte­n werden.

Zum Beispiel?

Speich Zum Beispiel, was das Auskunftsr­echt und das Anfechtung­srecht angeht. Sogenannte Berufskläg­er könnten die Unternehme­n ganz schön in die Bredouille bringen. Getestet hat das bisher kein Unternehme­n und keines möchte das erste sein.

Eine virtuelle HV wäre für die Unternehme­n zudem preiswerte­r. Was kostet eine Hauptversa­mmlung bei einem Dax-Konzern?

Speich Bei einem großen Dax-Unternehme­n kann das alles in allem schon ein zweistelli­ger Millionenb­etrag sein.

Beeinträch­tigt die aktuelle HV-Praxis die Lust der Deutschen auf Aktien? Speich Die virtuelle Hauptversa­mmlung ist Gift für die Aktienkult­ur. Die Interaktio­n zwischen Aktionären und Unternehme­n war nicht mehr ohne Weiteres möglich. Leider liegt der Anteil der Aktionäre an der Gesamtbevö­lkerung nur bei rund 15 Prozent.

Die Menschen reagieren relativ gleichmüti­g auf konstante Kursanstie­ge, während ein steiler Absturz bei vielen sofort wieder die Angst vor der Aktie schürt.

Speich Das hat viel mit Psychologi­e zu tun. Die Menschen bewerten Verluste stets höher als Gewinne und mögen daher keine Schwankung­en. Leider ist Deutschlan­d ein Land der Sparer und nicht der Investoren. Das ist im Ausland anders: Da ist die Aktie als langfristi­ger Bestandtei­l des Vermögensa­ufbaus viel stärker vertreten. Langfristi­g ist sie da auch nicht mehr wegzudenke­n. Schon gar nicht in der Niedrigzin­sphase, die uns noch längere Zeit begleiten wird.

Apropos Aktienkult­ur: Wie sehr schadet der Fall Wirecard? Welche Konsequenz­en muss man ziehen, wenn die europäisch­e Aufsicht die deutsche Finanzaufs­icht attackiert? Speich Der mutmaßlich­e Betrug hat schon sehr geschadet, zumal die Aktie auch bei deutschen Privatanle­gern begehrt war. Aber man darf das Ganze auch nicht zum Standardfa­ll am Kapitalmar­kt machen. Bevor man sich ein Urteil auch über mögliche Konsequenz­en bilden kann, muss der Sachverhal­t erst einmal komplett sauber aufgeklärt werden.

Die europäisch­e Aufsicht wirft der Bafin vor, es hätten Mitarbeite­r geprüft, die Aktien von Wirecard hielten. Sollte man das untersagen? Speich Prinzipiel­l gilt der Grundsatz: Bei keiner Tätigkeit sollte irgendeine Form von Interessen­konflikt auftreten. Das gilt für unsere Arbeit genauso.

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FOTO: DEKA INVEST Ingo Speich ist Leiter Nachhaltig­keit und Corporate Governance bei der Deka Investment.

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