100 verzweifelte Telefonate bis zum Corona-Test
Stellen Sie sich vor: Sie arbeiten im Gesundheitswesen, hatten Kontakt mit einem positiv Getesteten, zeigen selbst Symptome, aber keiner hilft. Ein Erfahrungsbericht.
Meine Name ist Mina Hase (*Name geändert). Seit vergangenen Freitag fühle ich mich nicht wohl. Mit Halskratzen fing es an. Ich dachte zunächst, es liegt daran, dass wir in der Praxis immer alle Fenster geöffnet haben. Ich mache eine Weiterbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Dafür habe ich ein Praktikum bei einem Psychiater im Kreis Viersen begonnen. Außerdem arbeite ich noch als Sozialarbeiterin bei einer Kinder- und Jugendpsychiaterin.
Am Freitagnachmittag habe ich erfahren, dass mein Ausbilder positiv auf Corona getestet wurde. Ich habe mich sofort in freiwillige Quarantäne begeben. Schließlich bin ich direkte Kontaktperson und begegne vielen Patienten. Am Abend ging es mir immer schlechter: Ich bekam starke Kopfschmerzen, fühlte mich schlapp und niedergeschlagen.
Mein erster Gedanke war: Wenn ich jetzt auch infiziert bin, müssen alle Personen, mit denen ich in Berührung
kam, möglichst schnell informiert werden. Also habe ich das Gesundheitsamt Mönchengladbach angerufen. Das war aber am Freitag nicht mehr erreichbar. Dann habe ich die Nummer einer Bereitschaftspraxis gewählt. Diese verwies mich auf meinen Hausarzt, der erst Montag wieder öffnete, und das Gesundheitsamt, das nicht zu erreichen war. Ich wollte aber nicht bis Montag warten. Ich dachte: Die Infektionsketten müssen doch möglichst schnell verfolgt werden, sonst gibt es immer mehr Kontaktpersonen, und das Virus verbreitet sich noch mehr. Da ist jede Stunde wichtig.
Ich habe also über 116117 den ärztlichen Bereitschaftsdienst angerufen. Immer wieder habe ich die Nummer gewählt. Als ich durchkam, sagte man mir, ich solle mich an das Gesundheitsamt und meinen Hausarzt wenden. Außerdem wurden mir noch Testzentren in Mechernich, Münster und Mönchengladbach genannt. Das Zentrum in Mönchengladbach
hatte den nächsten Termin erst Ende der Woche frei, die anderen waren zu weit weg. Schließlich fühlte ich mich nicht gut. Unter der Nummer 116117 gab man mir auch die Telefonnummer eines Bürgertelefons oder eines Testzentrums – das habe ich bis heute nicht ganz verstanden –, wo die Ansage kam, dass ich außerhalb der Geschäftszeiten anrufe. Ich suchte mir dann noch eine Nummer heraus, die für ganz NRW gilt. Dort wurde ich wiederum auf die 116117 verwiesen. Ich berichtete von meinem bisherigen Telefon-Marathon und dass ich all diese Stellen schon angerufen habe. Daraufhin wurde mir geraten, mich am Montag bei meinem Hausarzt zu melden. Am Montag rief ich meinen Hausarzt an. Der erklärte, er sei nicht zuständig, ich solle mich beim Gesundheitsamt melden. Ich habe mir dann im Internet eine Liste herausgesucht mit Ärzten die Corona-Tests anbieten. Überall wurde ich abgewimmelt. Also habe ich doch wieder das Gesundheitsamt angerufen. Stundenlang habe ich versucht durchzukommen. Immer war besetzt, oder niemand nahm ab. Als sich doch endlich einer am anderen Ende der Leitung meldete, wurde ich abgewimmelt, da beim Gesundheitsamt in Mönchengladbach noch keine Information eingegangen sei, dass ich eine Kontaktperson 1. Grades bin. Auch auf eine Beschwerdemail erhielt ich nur einen Anruf eines Mitarbeiters des Gesundheitsamtes, der sich darüber empörte, dass mein Hausarzt mich nicht untersucht hatte. Es war Montag. Ich hätte eigentlich arbeiten müssen. Ich brauchte eine Bescheinigung, dass ich als direkte Kontaktperson mit Symptomen in häuslicher Quarantäne bleiben muss. Aber beim Gesundheitsamt hatte man mir gesagt, dass sie nichts machen könnten, solange bei ihnen keine Meldung eingegangen sei.
Meine Chefin war langsam nervös geworden. Sie fragte sich natürlich auch, was sie tun muss, wenn ich positiv bin. Die Praxis schließen? Schließlich waren auch wir im direkten Kontakt. Ich schrieb eine E-Mail an meinen Hausarzt mit der Bitte um eine Krankmeldung. Das wollte er nicht. Am Montag war ich also quasi im Urlaub. Ich war nicht arbeiten, hatte kein Attest und auch keine Anweisung zur Quarantäne. Ich habe dann doch noch einen Termin bei meinem Hausarzt bekommen. Am Dienstag wurde ich getestet. Ich bleibe natürlich bis zum Ergebnis in Quarantäne, um andere zu schützen. Das Ergebnis erhalte ich voraussichtlich per QR-Code über die Corona-Warn-App.
Mir ist bis heute nicht klar, wie man an einem Wochenende in einem Fall wie meinem die richtigen Anweisungen bekommt. Ich denke, das ist ganz klar ein Zeichen dafür, dass das Gesundheitssystem überlastet ist. Ich sehe es als meine bürgerliche Pflicht, dass Menschen, mit denen ich in Kontakt kam, so schnell wie möglich erfahren, wenn ich infiziert bin. In dieser Verantwortung steht bei einer Pandemie doch eigentlich jeder.
Vier Tage lang habe ich als Kontaktperson der Kategorie 1 alleine auf den Testtermin gewartet. Ich habe immer noch keine Anweisung für eine häusliche Quarantäne.
Nachtrag Mina Hase bekam am Mittwoch, einen Tag nach dem Test, ihr Ergebnis. Die 30-Jährige ist positiv. Vom Gesundheitsamt wurde sie gebeten, eine Mail mit der Info, dass sie erkrankt ist, an den entsprechenden Fachbereich weiterzuleiten.
„Infektionsketten müssen doch möglichst schnell verfolgt werden. Sonst gibt es immer mehr Infizierte“
Gabi Peters hat das Gespräch protokolliert.