„Wird der Lockdown verlängert, wird’s düster“
Helmut Schatten, Wirt des „Schattodrom“in Viersen, berichtet von seiner Lage.
Ich liebe die Menschen, und deshalb bin ich gerne Wirt. Als Wirt habe ich viele verschiedene Berufe: Ich gebe Speisen und Getränke aus, ich bringe Menschen zusammen, ich höre zu, wenn Leute Probleme haben. Seit 25 Jahren bin ich Wirt. Neben dem „Schattodrom“in Viersen betreibe ich auch das „Braustübl“in Nettetal-Lobberich – und bin gewiss besser aufgestellt als 90 Prozent der Gastronomen. Aber so ernst wie jetzt war die Lage noch nie. An diesem Mittwoch sind endlich die Novemberhilfen angekommen. Zwei Monate zu spät. Und am Montag hatte ich den Antrag für die Dezember-Hilfen im Briefkasten. Wenn das auch wieder so lange dauert, bis das Geld fließt, dann müsste ich meine Lebensversicherung auflösen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Dazu bin ich aber nicht bereit. Die versprochene Hilfe beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war ein schlechter Witz. 2000 Euro habe ich erhalten, während Miete, Strom- und Wasserrechnungen weiter zu bezahlen waren.
Wenn ich auf 2020 zurückschaue, da hatte ich 70 Prozent Umsatzeinbußen. Das reißt eine tiefe Lücke in die Substanz. Jetzt komme ich nah ans Limit. Sollte der verschärfte Lockdown bis April verlängert werden, sieht’s düster aus.
Als der neue Lockdown im Oktober ausgerufen wurde, hatte ich gerade die Fässer frisch angestochen. Das Bier konnte ich wegkippen. Die Lebensmittel fürs Essen habe ich eingefroren, zumindest das, was einzufrieren war. Den Rest haben wir selbst tagelang gegessen. Alle meine festangestellten Kräfte sind in Kurzarbeit. Und die Honorarkräfte sitzen zu Hause und haben nichts zu tun. Das „Braustübl“habe ich während des Lockdowns zugemacht, im „Schattodrom“biete ich eine eine kleine Speisekarte an – das, was ich selbst kochen kann.
Einen Lieferservice biete ich nicht an – das wäre ein Minusgeschäft. Dafür bräuchte ich einen Fahrer, und das Gros des Gewinns einer Kneipe kommt aus dem Verkauf der Getränke. Wenn ich Essen ausliefern würde, würde ich draufzahlen. Deshalb biete ich an, dass Mahlzeiten vorbestellt und dann abgeholt werden können. Okay, und wenn ich nach Hause nach Lobberich fahre, dann liefere ich auch an die Gäste aus, die auf dem Weg wohnen. Überhaupt, meine Gäste, die will ich loben – die bestellen nämlich fleißig und sorgen so dafür, dass wir noch mit Ach und Krach über die Runden kommen.
Ich halte es nach wie vor für falsch, dass die Gastronomie schließen muss. Wir haben ein Hygienekonzept, ich habe zwischen die Tische Trennwände eingezogen. Statt in der Kneipe trinken viele nun zu Hause, ohne auf Mindestabstände zu achten. Dass die Regierung uns nun 75 Prozent netto zahlt, ist ja in Ordnung, aber ich hätte da einen besseren Vorschlag: Die Kneipen öffnen, natürlich nur mit Hygienekonzept und Mindestabstand – und als Entschädigung für die Wirte wegen der Umsatzeinbußen einen Zuschuss von 25 Prozent. Das würde den Steuerzahler Milliarden sparen und die Kneipen und Gaststätten am Leben erhalten. Die sind wichtig. Hier ist ein Ort des Austauschs, hier kommen Menschen ins Gespräch. Ich hoffe, auch die anderen Gastronomen behalten ihren Mut und haben weiter Kraft. Kneipen werden gebraucht!
Im Oktober war ich 25 Jahre Wirt. Das wollte ich eigentlich groß mit meinen Gästen feiern. Ging nicht, während des Lockdowns. Aber das feiere ich nach. Jeder, der hier bestellt, nimmt an einer Verlosung von 25 Preisen im Gesamtwert von 2500 Euro teil.
Martin Röse führte Protkoll.