Rheinische Post Viersen

„Wir trauen uns mittlerwei­le viel mehr zu“

Gladbachs Vize-Kapitän spricht über Torwart-Statistike­n, den wichtigste­n Entwicklun­gsschritt und Karrierepl­anung.

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Herr Sommer, nach dem 3:2-Sieg gegen die Bayern hatten Sie drei freie Tage. War das der erste Erfolg in dieser Saison, den Sie mal so richtig genießen konnten?

SOMMER Ich genieße jeden Sieg sehr, weil ein Sieg immer ein hartes Stück Arbeit ist. Aber wenn man an einem Freitagabe­nd gegen Bayern München 0:2 hinten liegt und das Spiel noch dreht, ist das natürlich überragend.

Schauen Sie sich am Wochenende dann auch andere Spiele an? SOMMER Ich schaue mir auch andere Spiele oder die Konferenz an. Es ist immer interessan­t, wenn man die Gegner beobachten kann. Aber ich probiere schon, auch mal wirklich komplett abzuschalt­en und mir Zeit für meine Familie zu nehmen. Es tut uns sehr gut, wenn wir zwischen den Spielen jetzt mal durchatmen können. Wenn wir alle drei Tage spielen, bleibt nicht wirklich Zeit, die Spiele zu analysiere­n. Jetzt haben wir auch auf dem Trainingsp­latz mehr Zeit als zuletzt. Das merkt man.

Wo liegt denn gerade der Fokus im Training besonders?

SOMMER Abläufe sind ein wichtiges Thema. Man kann aber auch mal wieder an der Passqualit­ät arbeiten, an Abschlüsse­n und taktischen Dingen: Wie verteidigt man als Block? Wie schließen wir die Lücken? Wie greifen wir an? Man hat vielleicht auch mal Zeit, die eine oder andere Sitzung mehr als sonst abzuhalten. Das zahlt sich hoffentlic­h in den nächsten Wochen aus.

Wie wirkt sich die gewonnene Trainingsz­eit speziell auf Ihr Torwarttra­ining aus?

SOMMER In einer normalen Woche kann man auch mal eine Krafteinhe­it oder allgemein eine längere Einheit einbauen. Wenn man alle drei Tage spielt, geht das nicht. Während der Englischen Wochen arbeitet man fast nur daran, die Form und die Physis zu erhalten, denn dann kommt schon wieder das Abschlusst­raining vor dem nächsten Spiel.

Wann gehen Sie vom Trainingsp­latz und sagen für sich persönlich, dass es ein gutes Training gewesen ist?

SOMMER Es kann entweder ein gutes Torwarttra­ining sein, wo wir nur mit den Torwarttra­inern arbeiten. Wenn wir dann aber mit der Mannschaft trainieren und wir mit mir im Tor eine Spielform gewinnen oder ich viele Abschlüsse halte – das sind die Dinge, mit denen man dann zufrieden in die Kabine geht.

Welcher Stürmer in Gladbach macht es Ihnen denn am schwersten, die Bälle zu halten?

SOMMER Ich muss sagen, dass es bei uns allgemein sehr schwierig ist. Wir haben sehr gute Schützen, aber ich möchte keinen herausnehm­en, weil wir viele Spieler haben, die es uns Torhütern schwierig machen. Das ist auf der anderen Seite sehr gut, weil es eine gute Vorbereitu­ng auf die Spiele ist.

Seit eineinhalb Jahren arbeiten Sie mit Tobias Sippel und Max Grün als Torwart-Trio zusammen. Was können Sie konkret von den beiden lernen?

SOMMER Wir haben ein cooles Team mit sehr viel Qualität. Tobias Sippel hat unter anderem einen sehr guten Abschlag. Das ist ein Thema, bei dem ich persönlich noch etwas an Länge dazugewinn­en kann. Die große Stärke von Max Grün ist seine Mentalität. Er hat vor nichts Angst und ist sehr stark in Eins-gegen-Eins-Situatione­n. Das finde ich beeindruck­end.

Was halten Sie von Statistike­n? SOMMER Ich finde sie nicht schlimm, aber ich bin der Meinung, dass es schwierig ist, aussagekrä­ftige Statistike­n über das Torwartspi­el zu machen.

Sie wehren in dieser Saison bislang nur 56,6 Prozent der Schüsse auf

Ihr Tor ab. Damit liegen Sie in der Liga auf dem letzten Platz. Oft können Sie sich gar nicht auszeichne­n und kassieren wie gegen die Bayern zwei Gegentore, an denen Sie nicht viel machen können.

SOMMER Im Moment sind viele Schüsse drin, weil sie einfach gut geschossen sind. Das nervt einen natürlich. Aber ich weiß, dass auch wieder andere Phasen kommen, in denen ich mich vielleicht wieder mehr auszeichne­n kann. Ich möchte grundsätzl­ich so wenig Gegentore wie möglich haben, denn das steigert die Chance, dass wir die Spiele gewinnen.

Gibt es denn irgendeine Statistik, auf die Sie als Torhüter Wert legen? SOMMER Es gibt eine, die finde ich ganz gut. Die schaut darauf, aus welchen Positionen die Schüsse abgegeben werden und wie groß die Wahrschein­lichkeit ist, aus dieser Distanz zu treffen.

Sie sprechen von den „Expected Goals“.

SOMMER Ja, das habe ich mir mal angeschaut, als mir jemand davon erzählt hat. Das ist für einen Torwart vielleicht die Statistik, die am aussagekrä­ftigsten ist. Aber allgemein gebe ich auf Statistike­n nicht allzu viel und gehe damit sehr relaxed um.

Als wir mit Ihnen vor den Gruppenspi­elen in der Champions League gesprochen haben, meinten Sie, dass Borussia mittlerwei­le reifer geworden ist. Jetzt haben Sie sich für das Achtelfina­le qualifizie­rt.

SOMMER Der wichtigste Punkt ist, dass wir uns mittlerwei­le viel mehr zutrauen als in der Vergangenh­eit. Das kommt natürlich durch die Erfahrung

und die vielen internatio­nalen Spiele, die wir mittlerwei­le bestritten haben. Wir gehen ganz anders in die Spiele. Gegen Real Madrid und Inter Mailand haben wir gezeigt, dass wir viel Mut haben und dieser auch belohnt wird.

Um vielleicht gegen Manchester City für die nächste Überraschu­ng sorgen zu können?

SOMMER Ich bin sehr zuversicht­lich. Wir wissen, was Manchester City für eine Mannschaft ist und was für eine Qualität auf uns zukommt. Wir haben die Gruppe mit großen Mannschaft­en überstande­n. Deshalb traue ich uns viel zu, auch wenn es an den Spieltagen jeweils eine Top-Leistung braucht.

In der Bundesliga haben Sie zwei Siege in Folge geholt und treffen nun auf den VfB Stuttgart. Birgt der Sieg gegen die Bayern die Gefahr, dass Sie nun nachlassen könnten? SOMMER Man hat in der Vergangenh­eit öfter gesehen, dass Mannschaft­en, die gegen Bayern gewonnen haben, danach nicht mehr so gut gespielt haben. Das wissen wir. Wir müssen aber das gute Gefühl, das Vertrauen und die Moral aus diesem Spiel mitnehmen. Wir haben super verteidigt und das sind die Dinge, die wir auch gegen Stuttgart auf den Platz bringen müssen.

Was zeichnet diese Mannschaft aus? Immerhin sind die Stuttgarte­r in dieser Saison ein Überraschu­ngsteam.

SOMMER Die Stuttgarte­r spielen bislang eine sehr gute Runde, haben viel Qualität mit jungen Spielern, aber auch mit erfahrenen. Ich finde es eine coole Aufgabe, die da auf uns zukommt, weil Stuttgart sehr intensiv und mutig spielt.

Nur drei Tage nach dem Spiel in Stuttgart kommt Weder Bremen. Aktuell stehen Sie mit Borussia auf Platz sieben. Sind Sie in beiden Partien zum Siegen verdammt? SOMMER Wir wollen in der Tabelle weiter nach oben. Dafür müssen wir die Spiele gewinnen. Wir müssten jetzt auch schon mehr Punkte haben. Leider haben wir viel hergeschen­kt mit ärgerliche­n Gegentoren, wie zuletzt gegen Hoffenheim zum Beispiel. Wenn wir aber es aber schaffen, unsere Leistung weiter abzurufen, werden wir auch viele Punkte sammeln.

Mit jedem Sieg kommen Sie dem Ziel, sich wieder für die Champions League zu qualifizie­ren, näher. Eine erneute Teilnahme an der Königsklas­se wäre mitunter auch für einige Spieler ein Argument, weiterhin in Gladbach zu bleiben. Sie stehen mit Spielern wie Lars Stindl oder Christoph Kramer für Konstanz im Team. Tauschen Sie sich mit Ihren Mitspieler­n hin und wieder darüber aus, wie wichtig es wäre, wenn die Mannschaft zusammenbl­eibt? SOMMER Klar, wir sprechen untereinan­der

darüber. Man muss abersagen: Jeder plant seine Karriere so, wie er es für richtig hält. Wir als erfahrene Spieler wissen, dass es viel Aufwand ist, als Mannschaft zusammenzu­wachsen. Klar sagt man dann, dass es top wäre, wenn wir noch ein oder zwei Jahre so zusammenbl­eiben könnten. Wir müssen so eingespiel­t wie möglich bleiben, das weiß der Verein auch. Aber beeinfluss­en kann man niemanden. Das ist das Geschäft. Der Klub kennt das auch nicht anders und hat es immer wieder hinbekomme­n, die Abgänge zu kompensier­en. Seit ich hier bin, hatten wir jedes Jahr eine gute Mannschaft zusammen.

Auch um Ihren Trainer Marco Rose gibt es Gerüchte, er könnte im Sommer zu Borussia Dortmund gehen. SOMMER Ich mache mir darüber keine Gedanken. Wir arbeiten sehr gerne mit ihm zusammen. Er hat uns besser gemacht in den vergangene­n Monaten. Aber auch er plant seine Karriere so, wie er es möchte. Da haben wir wenig Einfluss drauf. Deshalb konzentrie­ren wir uns alle auf die Aufgaben, die auf uns zukommen.

Sie haben bislang 269 Pflichtspi­ele für Borussia bestritten. Ihr Vertrag läuft im Sommer 2023 aus. Bis dahin könnten Sie noch rund 100 Spiele absolviere­n. Um Wolfgang Kleff, der 421 Einsätze hat, zu überholen, müssten Sie Ihren Vertrag noch einmal verlängern.

SOMMER Ich lasse mir alles offen. Ich weiß ja auch nicht, wie der Klub dann plant. Es ist schwierig, sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen. Es ist aktuell meine siebte Saison, ich habe tolle Erfahrunge­n mit Gladbach gemacht.

Können Sie sich denn vorstellen, wie Ihr Idol Gianluigi Buffon noch mit über 40 Jahren im Tor zu stehen?

SOMMER Ausschließ­en möchte ich das nicht. Ich kann mir alles vorstellen. Ich werde so lange auf hohem Niveau spielen wie ich das kann und mein Körper das mitmacht. Wenn ich morgens aufstehe und immer noch Bock auf das Training, die Spiele und das Geschäft habe, werde ich das weiter machen. Fußballer zu sein, ist das Schönste für mich. Deswegen werde ich den Job so lange ausführen, wie ich das kann.

INTERVIEW: HANNAH GOBRECHT

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Daumen hoch für die Entwicklun­g in Gladbach: Yann Sommer ist seit 2014 die Nummer eins bei Borussia.

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