Die Brennstoffzelle nimmt Fahrt auf
Bei Autos fährt der Brennstoffzellenantrieb der Batterie weit hinterher. Für Busse, Züge und Lkw befindet sich Wasserstoff allerdings auf der Überholspur.
Wer sich in Deutschland ein Elektroauto mit Brennstoffzellenantrieb kaufen möchte, hat keine Wahl. Mit dem Nexo von Hyundai gibt es nur ein Modell. Ein zweites, den Mirai von Toyota, kann man nur leasen. Dahinter steckt eine Marketingstrategie: Leasingverträge laufen zwei, drei Jahre, dann werden die Autos zurückgenommen und verkauft und der Leasingnehmer entscheidet sich, wenn er mit dem alten zufrieden war, für ein neues Fahrzeug. So werden aus einem Brennstoffzellenauto zwei.
Mit dem Mercedes GLC F-Cells gab es ein drittes Wasserstofffahrzeug, doch dessen Produktion wurde nach nur zwei Jahren im April 2020 eingestellt. Als Grund gab Mercedes die geringe Anzahl an Tankstellen für Wasserstoff an. Das ist einer der Gründe dafür, dass in Deutschland nur etwa 500 Autos mit Brennstoffzellenantrieb zugelassen sind. Doch Mitte 2020 kam Bewegung in diese Technologie, zumindest für den Bereich des Transportverkehrs. Denn die Bundesregierung stellte neun Milliarden Euro für die Wasserstoffwirtschaft bereit.
Wasserstoff ist der Sprit für die Brennstoffzelle, in der Strom erzeugt wird. Diese Art der Energiegewinnung ist vergleichbar mit der in Batterien: Durch eine chemische Reaktion entsteht Energie. Die wird in Batterien gespeichert, in der Brennstoffzelle wird sie bei Bedarf produziert. Brennstoffzellenfahrzeuge haben ihr kleines Kraftwerk also immer dabei. Deshalb eignet sich der Brennstoffzellenantrieb grundsätzlich für alle Fahrzeuge: ob an Land, in der Luft oder auf dem Wasser. Wasserstoff dient aber nicht nur der Mobilität, er eignet sich auch zur Energiebereitstellung in Bereichen, in denen viel Energie benötigt wird. Der Herstellung von Stahl zum Beispiel. Die Energieerzeugung in der Brennstoffzelle ist nahezu schadstofffrei, lediglich etwas Wasserdampf entweicht.
Doch warum führt diese Technologie dann gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb ein unbedeutendes Schattendasein? Das liegt hauptsächlich daran, dass batterieelektrische Antriebe in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht haben. Bis zu 500 Kilometer Reichweite sind heute machbar und Strom aus der Steckdose lässt sich effizienter in Bewegung umsetzen als Wasserstoff über die Brennstoffzelle. „Ein batterieelektrischer Antrieb ist daher eine gute Wahl, hat jedoch auch seine Grenzen“, sagt Dr. Ludwig Jörissen, Experte für Brennstoffzellen am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg. Diese Grenzen sind stundenlanges Laden an den Stromtankstellen und die Batterien
sind schwer, in Elektroautos wie dem E-Tron von Audi wiegen sie um die 700 Kilogramm. Das ist viel Gewicht, das bewegt werden muss, was zu Lasten der Reichweite geht. Beim Pkw ist das weniger entscheidend als beim Lkw, denn die Laster werden dafür gebaut, um möglichst viel Lasten aufzunehmen. Große und schwere Batterien lassen weniger Ladung zu, das wollen die Spediteure nicht.
Die Brennstoffzelle hat für berufliche Vielfahrer Vorteile, denn Wasserstoff lässt sich so schnell wie Sprit tanken. „Allerdings ist die Tankstellendichte in Deutschland mit zurzeit etwa 100 Wasserstofftankstellen überschaubar“, sagt Jörissen. Der Toyota Mirai kommt nach Herstellerangaben etwa 500 Kilometer weit, der Hyundai Nexo um die 750 Kilometer. Der Preis für Wasserstoff ist künstlich festgelegt, entspricht in etwa dem Preis für Sprit und liegt bei 9,50 Euro pro Kilogramm. Mit einem bis 1,2 Kilogramm schafft ein Fahrzeug 100 Kilometer. Der Nexo kann 6,3 Kilogramm Wasserstoff tanken, der gasförmige Stoff wird in Hochdrucktanks bei einem Druck von 700 bar gespeichert. Nexo und Mirai sind im Vergleich zu Verbrennern genauso teuer wie vergleichbare batterieelektrische Autos. Der Hyundai kostet 77.000 Euro, der Toyota sogar 80.000 Euro. So viel Geld hemmt den Absatz solcher Fahrzeuge.
Dennoch ist die Zukunft mit Wasserstoff in der Mobilität sehr wahrscheinlich, wenn nicht unvermeidlich, meint der Forscher Jörissen. „Im Automobilverkehr ist batterieelektrisch die effizienteste Art, um Strom in Bewegung umzuwandeln. Die Brennstoffzelle hat ernsthafte Chancen im öffentlichen Nahverkehr, der Bahn und in Lkw für den Schwerlastverkehr.“Sogar in Flugzeugen. Märkte für Brennstoffzellen
in Pkw entstehen in Asien, speziell in Japan, Korea und China, ob auch in Europa, wird die Zeit zeigen.
Im Straßenverkehr sind Asiaten führend in der Brennstoffzellentechnologie. Anfang Oktober 2020 hat Hyundai die ersten sieben Brennstoffzellen-Lkw Xcient Fuel Cell an Kunden in der Schweiz ausgeliefert. Dieses Modell ist der weltweit erste serienmäßig produzierte elektrische Schwerlast-Lkw mit Brennstoffzellenantrieb und der offizielle Eintritt der Südkoreaner in den europäischen Nutzfahrzeugmarkt. Hyundai will bis 2030 jährlich 700.000 Brennstoffzellensysteme produzieren. Die sollen in Autos, Schiffen und Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommen.
Mercedes will ab 2026 die Serienproduktion von Brennstoffzellen-Lkw beginnen, deren Modellbezeichnung steht mit GenH2 schon fest. „Wir konzentrieren uns beim CO2-neutralen Transport auf die Batterie und wasserstoffbasierte Brennstoffzelle, weil sie auf lange Sicht das Potenzial bieten, sich am Markt durchzusetzen“, sagt Martin Daum, Vorsitzender des Vorstands der Daimler Truck AG. Je leichter die Ladung und je kürzer die Distanz, desto eher wird die Batterie zum Einsatz kommen. Je schwerer die Ladung und je länger die Distanz, desto eher wird die Brennstoffzelle genutzt.
Der bislang für Brennstoffzellen verwendete Wasserstoff ist ein Abfallprodukt aus der chemischen Industrie, dort fällt er im Produktionsprozess an. „Für die Herstellung von Wasserstoff wird sehr viel Strom gebraucht. Nur wenn dieser Strom regenerativ erzeugt wird, ist die Brennstoffzelle eine klimaneutrale Technologie“, sagt Jörissen. Das gilt auch fürs Laden der Batterien. Beides wird oft vergessen.