Das Herz des Fußballs krankt
Jahrzehntelang stellen Klubs aus Nordrhein-Westfalen verlässlich eine starke Fraktion an Bundesligavereinen. Doch die Zeiten sind vorbei, aktuell droht drei West-Klubs der Abstieg. Andere sind noch viel tiefer gefallen.
DÜSSELDORF „Im Westen schlägt das Herz des Fußballs“. So wirbt der Hörfunk für seine Sportübertragungen. Und so war es auch einmal. Derzeit aber leidet das Fußball-Herz im Westen an so starken Herzrhythmusstörungen wie selten zuvor. Der Fußball-Westen wirkt in diesen Tagen in der Summe abgehängt, aktuell stehen in Köln, Bielefeld und Schalke drei Klubs auf den Abstiegsrängen.
Was waren das noch für Zeiten, als acht, neun und sogar zehn Vereine aus dem Westen nicht nur in der Bundesliga spielten, sondern sie dominierten. Und das war keine Ausnahme. So kamen in der Saison 1980/81 gleich zehn Vereine aus dem Westen – Rekord: Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf, MSV Duisburg, Bayer Leverkusen, KFC Uerdingen, Schalke 04, Borussia Dortmund, 1. FC Köln, VfL Bochum und Arminia Bielefeld.
Ihr bestes Resultat erzielten die Westvereine allerdings in der Saison 1971/72, als „nur“neun Klubs der höchsten Klasse angehörten. Damals feierte zwar Bayern München seine dritte Deutsche Meisterschaft und legte damit den Grundstein zur internationalen Erfolgsgeschichte; aber Vizemeister wurde Schalke, gefolgt von Mönchengladbach und Köln – mit drei Teilnehmern an der Champions League wäre der Westen vertreten gewesen, die es damals aber natürlich noch nicht gab. Es war die Zeit, in der Günter Netzer und Wolfgang Overath Regie und Deutschland zu den Titelgewinnen bei EM und WM führten. In der Bundesligatabelle folgten in der Saison Bochum (9.), Düsseldorf (13.), Duisburg (14.), Rot-Weiß Oberhausen (15.), Dortmund (17.) und Bielefeld (18.).
Kaum minder rosig war die Saison 72/73, in der Köln Vize-Meister wurde und auf die Ränge drei bis fünf Düsseldorf, Wuppertal mit Torjäger Günter Pröpper und Mönchengladbach kamen, dahinter Duisburg (10.), Bochum (12.), Schalke (15.) sowie Oberhausen (18.).
Neun West-Vertreter gab es auch noch ein drittes Mal 1973/74, darunter Essen, Wuppertal und Fortuna Köln. Dann dauerte es allerdings einige Jahre, ehe es noch einmal neun Westklubs zu dem erlauchten Kreis der 18 besten Vereine zählten: 1979/80, dann 1984/85, nachdem nach Uerdingen auch Leverkusen dank der Unterstützung von Bayer in das prominente Feld der Traditionsvereine aufgerückt waren, 1991/92 als allerdings nach der Wiedervereinigung 20 Vereine der Liga angehörten und letztmals 1996/97.
Im neuen Jahrtausend gab es noch zwei erfolgreiche Spielzeiten. In der Saison 2011/12 war der Westen mit fünf Vereinen vertreten, von denen jedoch vier unter die ersten Fünf kamen: Hinter Meister Dortmund und Vize Bayern liefen Schalke, Gladbach und Leverkusen ein. Das kleinste Feld stellte der Westen dann zwei Jahre später, wobei alle vier unter die ersten Sechs kamen.
Und heute? Der Westen stellt zwar noch mit sechs Vereinen ein Drittel der Bundesligisten, doch welch andere Rolle spielen sie: Borussia
Dortmund, der seit Jahren selbst ernannte Bayern-Jäger, sieht den Branchenprimus bisweilen nur noch mit dem Fernglas; Bayer Leverkusen bricht regelmäßig nach gutem Saisonstart ein; Borussia Mönchengladbachs Gastspiel in der Champions League ist nicht von Dauer, kann es nicht sein. Köln und Bielefeld kämpfen um den Klassenerhalt, von dem Schalke, 2018 noch
Vizemeister, nur noch träumen darf.
Darunter sieht es nicht viel besser aus. In der zweiten Liga darf sich Bochum zwar berechtigte Hoffnungen auf die Rückkehr in die Bundesliga machen, von der Düsseldorf ziemlich weit entfernt ist. Paderborn ist tristes Mittelmaß.
Und während es in der zweiten Liga nur drei Westvereine gibt, sind es eine Klasse darunter gar nur noch zwei. Schlimmer noch, der MSV Duisburg und der KFC Uerdingen schweben in Abstiegsgefahr. Dafür tummeln sich in der Regionalliga neben den fünf Zweitvertretungen ein halbes Dutzend Ex-Bundesligisten: Essen, Wuppertal, Aachen, Oberhausen, Münster und Fortuna Köln.
Die Gründe für den Niedergang in der Breite sind vielfältig. Investoren haben die Fußball-Landschaft verändert, Missmanagement hat Abstiege gekostet, wo das Geld fehlt, kann man sich für Tradition nichts mehr kaufen. Und so droht dem Westen in der kommenden Saison der Gau: ohne Champions League, vielleicht mit einem Klub in der Europa League, mit nur noch drei oder vier Bundesligisten, dafür aber acht ehemaligen Erstligisten in der Regionalliga. Das Herz des Fußballs mag noch im Westen schlagen. Aber nicht mehr so laut.