Astrazeneca nur für über 60-Jährige
Die Gesundheitsminister beschließen, dass Jüngere das Vakzin nur noch im Einzelfall erhalten sollen. Grund sind weitere Thrombosefälle. Nun sollen auch die 60- bis 69-Jährigen ein Astrazeneca-Angebot bekommen – wohl auch die Kanzlerin.
DÜSSELDORF Neuer Rückschlag für die deutsche Impfkampagne: Nachdem neue Thrombosefälle bekannt geworden sind, hat Nordrhein-Westfalen die Gabe des Mittels von Astrazeneca an unter 60-Jährige gestoppt. „Termine, bei denen eine Verimpfung vorgesehen war, werden ab dem 1. April mit Biontech oder Moderna durchgeführt“, erklärte das Ministerium. Zuvor hatten bereits die Stadt Köln, die Kreise Heinsberg und Euskirchen sowie der Bergische Kreis die Astrazeneca-Impfungen für Jüngere gestoppt.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen am Dienstagabend, dass das Mittel von Astrazeneca generell nur noch bei über 60-Jährigen eingesetzt werden soll. Sie folgten damit einer neuen Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Bei Personen unter 60 Jahren, die zu den Priorisierungsgruppen 1 und 2 gehören (wie etwa Lehrer, Erzieher und Polizisten)
kann das Mittel von Astrazeneca weiter eingesetzt werden – wenn es zuvor eine sorgfältige ärztliche Beratung gegeben hat. Daher sollen diese Personen nicht mehr im Impfzentrum, sondern beim Hausarzt geimpft werden.
Weil damit Astrazeneca-Dosen übrig sind, können die Länder nun die 60- bis 69-Jährigen einbeziehen. Das gilt auch für die 66-jährige Kanzlerin: „Wenn ich dran bin, lasse ich mich impfen, auch mit Astrazeneca. Und nun rückt diese Möglichkeit näher“, sagte Angela Merkel (CDU). Sie betonte: „Ich verstehe die Verunsicherung der Menschen.“Aber das beste Mittel, um Vertrauen zu erhalten, sei Transparenz. „Wir kehren nichts unter den Teppich.“Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warb darum, dass die über 60-Jährigen das Angebot nun annehmen: „Astrazeneca ist ein sehr wirksamer Impfstoff, auch für Ältere.“
Wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mitteilte, starben bis diesen Montag neun Menschen in Deutschland nach einer Astrazeneca-Impfung
durch eine Sinusvenenthrombose. Es wurden 31 Fälle eines solchen Blutgerinnsels in Hirnvenen mit zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet. In 19 Fällen wurde zusätzlich ein Mangel an Blutplättchen festgestellt. Bis auf zwei Fälle seien stets Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren betroffen gewesen, die beiden Männer seien 36 und 57 Jahre alt gewesen, so das
PEI. Die Thrombosen seien nach der ersten Impfung aufgetreten.
Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Frank Bergmann, hatte schon früh erklärt, man müsse prüfen, ob sich womöglich bei Frauen, die rauchen und die Pille als Verhütungsmittel nehmen, die Thrombose-Risiken potenzierten. Zuvor hatten sich in NRW die Leiter von fünf Unikliniken dafür ausgesprochen, die Impfung jüngerer Frauen mit Astrazeneca auszusetzen. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es in einem Brief an die Minister.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte für einen Stopp plädiert. Zugleich beruhigte er: „Wer bereits mit Astrazeneca geimpft wurde, hat nichts zu befürchten. Auch sollten Menschen, die über 55 sind, sich weiter mit Astrazeneca impfen lassen. Das Risiko ist für die Gruppe dort extrem gering, der Nutzen der Impfung überwiegt massiv.“
Vor Kurzem war die Verimpfung des Astrazeneca-Vakzins schon einmal für vier Tage gestoppt worden, nachdem mehrere Thrombosefälle bekannt geworden waren. Daraufhin hatte die europäische Arzneimittelagentur (Ema) die Daten intensiv geprüft und war zu dem Schluss gekommen, dass die Thrombosefälle in einem zeitlichen, aber in keinem kausalen Zusammenhang zur Impfung standen. Das Risiko, eine schwere Covid-19-Erkrankung zu erleiden, sei höher als das Risiko, eine Thrombose zu bekommen.
Astrazeneca ist einer der drei in Deutschland eingesetzten Impfstoffe. Bislang haben ihn 2,7 Millionen Menschen erhalten. Nur wenige haben bereits die zweite Dosis bekommen, sie soll nach zwölf Wochen gegeben werden. Unter 60-Jährige können laut dem Beschluss der Gesundheitsminister nun wählen, ob sie weiterhin die zweite Impfung mit Astrazeneca wünschen oder abwarten wollen. Ende April will die Stiko entscheiden, ob auch ein Wechsel und damit die zweite Impfung mit einem anderen Vakzin möglich ist.