„Click and Meet gehört abgeschafft“
Die Doppelspitze der Grünen-Landtagsfraktion über die Pandemiebekämpfung und Transparenz bei Nebentätigkeiten.
Gut, dass die Kanzlerin den Ländern Kompetenzen entziehen will? SCHÄFFER Die Absage der Ministerpräsidentenkonferenz ist eine absolute Bankrotterklärung. Die Länderchefs haben es nicht geschafft, sich in drei Wochen zusammenzuraufen, obwohl alle Besserung gelobt hatten. Die Kanzlerin hat völlig zu Recht kritisiert, dass die Beschlüsse nicht umgesetzt worden sind. Jetzt kommt Armin Laschet nach einigem Nachdenken zu dem Schluss, dass ein „Brückenlockdown“notwendig sei. Und das, obwohl er ja selbst die vorhandenen Maßnahmen bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht hat.
Damit will er aber Anreize für die Bürger schaffen, sich testen zu lassen. Hat er da nicht einen Punkt? PAUL Wenn wir eine vernünftige Testinfrastruktur in den Bereichen hätten, in denen sich Menschen täglich begegnen, also in Schulen, Kitas, aber vor allem an den Arbeitsplätzen, dann hätten wir einen guten Überblick übers Infektionsgeschehen. In Wahrheit geht es darum, Bereiche durch die Hintertür zu öffnen.
Auf Öffnungen hatte vor allem sein Koalitionspartner gedrungen. SCHÄFFER Laschet lässt sich nach wie vor von der FDP unter Druck setzen, denn er will ja die Notbremse weiterhin nicht anwenden. Damit wälzt er die Verantwortung auf die Kommunen ab. Die meisten Kommunen ziehen die Test-Option trotz hoher Inzidenzen, weil sie sich sonst den Zorn der Einzelhändler und Bürgerinnen und Bürger aussetzen. Das führt zu einem Flickenteppich. Im Ennepe-Ruhr-Kreis kann ich zum Beispiel problemlos ohne einen Test zum Friseur, in Köln ist das nicht möglich. Wir sind stark dafür, dass die Notbremse eins zu eins eingehalten wird. Das Click and Meet muss wieder abgeschafft werden.
Die Grünen haben aber doch selbst ein Stufenmodell vorgeschlagen, das ebenfalls zu einem solchen Flickenteppich geführt hätte.
SCHÄFFER Unser Plan wäre aber an die Inzidenz gekoppelt. Bei der Notbremsen-Regelung von Laschet gibt es keinerlei Bindung an die Inzidenz und keine Grenzen nach oben.
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie hören, dass Menschen in Modellkommunen wieder nebeneinander im Kino oder in der Außengastronomie sitzen können?
PAUL Es ist der völlig falsche Zeitpunkt. Wir haben landesweit seit drei Wochen eine Inzidenz von über 100. Wir sind mitten in der dritten Welle. Da Modellprojekte zum Öffnen anzustoßen, ist aus unserer Sicht ein falsches Signal.
Wenn die Landesregierung keine Versuche starten würde, würde die Opposition ihr vorwerfen, unvorbereitet zu sein.
PAUL Vorbereitungen sind völlig in Ordnung. Das Problem ist aber das
Wie. Es hätten Kriterien mit der Wissenschaft erarbeitet werden müssen. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass der Minister Pinkwart den Kommunen da wie bei einem Windhundrennen einen Köder vor die Nase gehalten hat, ohne klare Vorbereitung gemeinsam mit den Kommunen.
Wie bewerten Sie die Entscheidung, die Schüler ab Montag in den Distanzunterricht zu schicken? SCHÄFFER Ein weiteres Armutszeugnis dieser Landesregierung und insbesondere der Schulministerin. Erst informiert sie spät, und dann gibt es Regelungen nur für eine Woche. Das schafft keine Verlässlichkeit für Lehrer, Eltern und Schüler. Es ist zwar richtig, in dieser Situation in den Distanzunterricht zu gehen, aber das Signal ist fatal: Während die Notbremse für die Schulen gezogen wird, können die Leute weiter shoppen gehen. Wir hatten einen politischen Konsens, dass Kinder und Jugendliche Priorität haben müssen. Das wird wieder konterkariert. Wir sind wieder an dem Punkt „Erst die Möbelhäuser, dann die Spielplätze“.
Was halten Sie von der Testpflicht für die Schüler?
PAUL Es ist doch ein Unding, dass man in jeder Apotheke und in jedem Supermarkt Tests kaufen kann, die Landesregierung bei der Organisation von Tests für die Schulen einmal mehr versagt. Ich habe den Eindruck, dass vor allem die Schulministerin sich die Osterferien gegönnt hat. Es sind wieder Ferien, die die Schulministerin verschlafen hat. Die Testpflicht stellen wir gar nicht infrage. Es ist im Übrigen gut, dass der Familienminister endlich begriffen hat, dass sich Kleinkinder durchaus anstecken können. Die Tests in
Kitas halten wir für richtig.
Allerdings dürfte es für Eltern eine Herausforderung sein, Stäbchentests bei Kleinkindern durchzuführen. PAUL Das stimmt. Aber Stäbchentests sind besser als gar keine Tests. Das Land muss jetzt zusehen, dass es altersgemäße Testmöglichkeiten schnell ermöglicht. Beispielsweise die Lolli-Tests.
Die können Stamp zufolge nur im Labor ausgewertet werden und seien deshalb nicht praktikabel.
PAUL Es gibt einige Kommunen, die das auf eigene Kosten bereits durchführen. Die Laborkapazitäten sind derzeit nicht ausgelastet. Minister Stamp ist gut darin, immer die Wenns und Abers zu identifizieren, anstatt klar zu handeln. Es braucht keine weitere Entschuldigung, warum etwas nicht funktioniert, sondern eine klare Leitlinie, wie etwas funktionieren kann.
Was wäre Ihnen aus landespolitischer Sicht lieber? Ein Wahlkampf gegen Armin Laschet oder gegen einen Nachfolger?
PAUL Erst mal steht das Brechen der dritten Welle für uns im Fokus. Der Landtagswahlkampf ist gefühlt ganz weit weg. Wir erleben gerade leider, dass die Pandemiebekämpfung im Zuge des unionsinternen Machtkampfs und des Gerangels zwischen den Großkoalitionären mit Blick auf den Bundestagswahlkampf unter die Räder gerät. Das ist eine fatale Entwicklung, der wir uns nicht anschließen wollen.
Die Union ist wegen der Provisionsaffäre in der Defensive. Die CDU im Landtag hat eine Ehrenerklärung abgegeben. Reicht Ihnen das? SCHÄFFER Nein. Wenn sie es wirklich ernst meinen würde, bräuchten wir eine gesetzliche Regelung. Das betrifft das Abgeordnetengesetz. Wir wollen, dass Nebenverdienste auf Euro und Cent offengelegt werden. Wir haben die anderen Fraktionen dazu angeschrieben, aber keine Reaktion bekommen. Wir brauchen
zudem Regeln beim Thema Lobbyismus. Wir fordern ein Lobbyregister. Es muss jedem klar sein, welche Interessenvertreter an der Gesetzeserarbeitung beteiligt waren. Es liegen Anträge dazu auf dem Tisch, aber es gibt überhaupt keine Bewegung vonseiten der Landesregierung. Deswegen können wir diese Symbolpolitik nicht ernst nehmen.
Können Sie für die Grünen in ähnlicher Form Nebentätigkeiten oder Lobbybeeinflussung ausschließen? SCHÄFFER Für unsere Landtagsfraktion ja. Wir sind nicht per se gegen Nebentätigkeiten. Aber es muss klar sein, wie viel Abgeordnete damit verdienen. Und es muss klar sein, dass die Abgeordnetentätigkeit die Haupttätigkeit ist.