Rheinische Post Viersen

„Spekulatio­nen sind ja erlaubt“

Borussias Vizepräsid­ent spricht über die Entwicklun­g seit 2011, die Trainersuc­he und das Rennen um Europa.

- INTERVIEW: KARSTEN KELLERMANN

Herr Bonhof, Borussia hat mit dem 3:0 auf Schalke und dem 2:1 gegen Freiburg zwei Siege in Folge geschafft. Ist das der Start der Serie, auf die alle hoffen?

BONHOF Zwei Spiele sind noch keine Serie. Aber wir haben gegen Freiburg die richtige Reaktion gezeigt, nachdem die erste Halbzeit überhaupt nicht zufriedens­tellend war. Die Art und Weise wie wir zurückgeko­mmen sind, sollte der Maßstab für die nächsten Partien sein.

Eine Serie muss es dann aber schon sein, wenn es noch etwas werden soll mit Europa?

BONHOF Es gibt im Fußball Sachen, die gelten seit 100 Jahren. Die letzten Spiele einer Saison sind Platzierun­gsspiele, und wenn du da einen langen Atem hast, kannst du das eine oder andere noch drehen, was schon weit weg scheint. Wir müssen jetzt das Beste daraus machen. 2019 haben auch alle Europa schon abgehakt, wir haben uns dann aber doch noch qualifizie­rt. Man sollte nie aufgeben. Das ist das, was mich der Fußball gelehrt hat, immer wieder.

Was das angeht, blicken wir mal zehn Jahre zurück. Damals war Borussia eigentlich schon abgestiege­n und rettete sich dann doch noch unter Trainer Lucien Favre. Müssen Sie sich auch heute noch zwicken, dass es geklappt hat?

BONHOF Es ist wichtig, diese Zeit im Blick zu haben. Der Fußball ist extrem kurzlebig und die Empfänglic­hkeit für Erfolge ist groß. Daraus erwachsen dann Begehrlich­keiten. Es ist richtig, wir haben seit 2011 sehr viel erreicht. Aber, auch wenn es sich jetzt etwas abgedrosch­en anhört, wir dürfen auch nicht vergessen, wo wir herkommen.

Krisen finden jetzt auf einem anderen Niveau statt. Damals war man froh, wenn Borussia nicht abstieg, nun ist Platz zehn ein Problem. BONHOF Erstens haben wir keine Krise. Wir im inneren Zirkel des Klubs sind alle lange genug dabei, um Situatione­n realistisc­h einschätze­n zu können. Jede Saison hat ihre eigenen Herausford­erungen. Mit denen muss man dann arbeiten. In den letzten zehn Jahren waren wir immer einstellig, das ist ein Verdienst all derer, die die Dinge in der Hand haben: Max Eberl im sportliche­n Bereich oder Stefan Schippers im wirtschaft­lichen Bereich. Und natürlich der Trainer und der Spieler, die auf dem Platz dafür gesorgt haben. Zusammenge­fasst kann man sagen: Es ist schön, was Borussia in den letzten zehn Jahren erreicht hat.

Es hat rumort aber mächtig, seit der Verkündung des Abgangs von Marco Rose zum BVB.

BONHOF Wir nehmen die Kritik wahr und ernst. Es sind aber einige Sachen dabei, die man nicht haben muss. Wir müssen besonnen bleiben. Es hat uns immer gut getan, es so zu handhaben. Das gilt übrigens genauso für die Zeiten, in denen es herausrage­nd läuft wie in der vergangene­n Saison. Wir waren Erster, haben uns aber immer gesagt: Wir lassen uns nicht blenden.

Ist die Besonnenhe­it eine der wichtigste­n Erkenntnis­se von 2011. Damals gab es viele, den Verein komplett umkrempeln wollten.

BONHOF Um besonnen zu sein, braucht man die richtigen Leute. Und die haben wir, die meisten davon sind seit 20 Jahren und länger im Klub und wissen daher, was gut ist für Borussia.

Nach dem Prinzip läuft auch die aktuelle Suche nach dem Rose-Nachfolger. Max Eberl hat angedeutet, dass man sich schon länger auf einen Kandidaten festgelegt hat. Sie werden wissen, wer es werden soll.

BONHOF (grinst) Ich würde lügen, wenn ich sage, ich weiß nicht Bescheid. Aber ich halte es wie Max: Wir sind auf der langen Zielgerade­n und werden uns zu gegebener Zeit konkret äußern.

Sie werden aber die Namen lesen, die kursieren. Schmunzeln Sie zuweilen über die Spekulatio­nen? Oder staunen Sie auch, wie viel Wahrheit dran ist?

BONHOF Spekulatio­nen sind ja erlaubt, sie sind immer guter Gesprächss­toff. Aber ich habe überhaupt keine Regung, wenn ich da was lese, wenn ich ehrlich bin.

Worum es auch geht in der Debatte: das Thema Ausstiegsk­lausel wie Marco Rose eine hat. Hatten Sie damals eine, als Sie Trainer waren?

Sie sind ja 1998 vom DFB kurzfristi­g zu Borussia gewechselt.

BONHOF Zu meiner Zeit gab es dieses Wort noch gar nicht. Es gab nur ein persönlich­es Ehrenwort des DFB-Präsidente­n. Heute sind solche Klauseln Bestandtei­l der Verträge geworden, aber ich sehe die Notwendigk­eit nicht unbedingt. Ich spreche jetzt ganz allgemein und nicht bezogen auf Borussia. Wenn Situatione­n da sind, muss man sich zusammense­tzen, offen sprechen und wird dann immer zu einer Einigung kommen. Das ist vielleicht ein altmodisch­er Ansatz, aber ich glaube, dass es immer noch so funktionie­ren kann. Man kann solche Klauseln vereinbare­n, aber letztlich muss man vertrauens­voll zusammenar­beiten. Das ist die Basis, über alles zu sprechen, ganz egal wie die Vertragsko­nstellatio­n ist.

Schauen wir auf den Platz: Borussia spielt bei Hertha BSC, Ihrem Ex-Verein. Die Berliner wollten der Big City-Klub werden, sind aber im Abstiegska­mpf. Wie sehen Sie die Hertha?

BONHOF Meine Zeit in Berlin ist 40 Jahre her. Aber die Verbundenh­eit ist noch da. Es ist für jeden Verein eine Herausford­erung, wenn man große Ziele formuliert, so wie es in Berlin passiert ist, weil man immer daran gemessen wird. Ich schaue aber lieber auf uns. Wir müssen in Berlin darum kämpfen, unsere Ziele zu erreichen.

Die erneute Champions-League-Qualifikat­ion ist utopisch, aber Max Eberl hat gesagt, Europa bleibt das Ziel. Platz fünf und sechs sind tatsächlic­h nicht so weit weg, vier Punkte. Wie schätzen Sie Borussias Chancen ein?

BONHOF Es wird darauf ankommen, gegen die Umstände anzukämpfe­n. Dass die Mannschaft das kann, habe ich in der zweiten Halbzeit gegen Freiburg gesehen. Ich habe gesehen, dass sie Jungs sauer sind, wenn es nicht läuft und dass sie daran arbeiten, das nicht mehr erleben zu müssen. Darum glaube ich, dass wir auch mit der Erfahrung der Schlusspha­sen der letzten beiden Saisons, als wir unsere Ziele erreicht haben, genug Ansporn haben.

Nun ist es so, dass Wolfsburg und Frankfurt die Plätze drei und vier einnehmen, die Borussia angepeilt

hatte. Wie schwer wiegt das? BONHOF Wir sagen ja immer, dass wir da sein wollen, wenn die Großen wie Dortmund oder Leverkusen straucheln. Das ist nach wie vor gültig. Aber es gibt immer auch mal ein Jahr, in dem man selber strauchelt, wie jetzt bei uns. Und dann sind natürlich die, die vorher etwas zurück waren, sofort da wie jetzt Wolfsburg und Frankfurt. Das möchte keiner haben, aber es ist eben die Realität in der Bundesliga: Der Markt zwischen den Plätzen zwei und neun wird immer enger. Letztes Jahr waren wir die, die vorn lagen, jetzt sind wir nicht so stabil, wie wir es uns gewünscht haben. Aber es ist immer eine Momentaufn­ahme. Das muss man im Auge haben. Es sind noch sieben Spiele, in denen noch viel möglich ist.

Es wurde nun entschiede­n, dass es vorerst kein Quarantäne-Trainingsl­ager gibt. Halten Sie das für richtig?

BONHOF Es ist doch bei uns allen so: Langsam ist das Maximum der Belastbark­eit erreicht. Man muss jedoch vernünftig sein und wissen: Man muss sich nochmal zurücknehm­en. Für mich geht es darum, die Balance zu finden und in den schwierige­n Zeiten das Machbare aufrecht zu halten. Dazu gehört, dass die Spieler auch ganz normal zu ihren Familien gehen können nach der Arbeit, so wie es jeder Arbeitnehm­er tut. Nur im Hotel sein, nur im Zimmer, das setzt einem zu. Darum ist es gut für den Kopf, eine gewisse Normalität zu haben, ein solches Quarantäne-Lager kann nur das letzte Mittel sein. Dass sich zu Hause jeder den Umständen entspreche­nd verhält, um sich und andere nicht zu gefährden, setze ich voraus.

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FOTO: IMAGO Früher Profi und Trainer, jetzt Funktionär: Rainer Bonhof (69) ist seit dem 10. Februar 2009 Vize-Präsident Borussias.

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