Gut für die Moral, schlecht für die Tabelle
Borussia erkämpfte sich in Unterzahl ein 2:2 bei Hertha BSC, der Punkt bringt sie im Europa-Rennen aber nicht voran.
BERLIN Nachdem Lars Stindl den Elfmeter zum 2:1 verwandelt hatte, fing die TV-Kamera ein Bild ein, das durchaus Symbolcharakter hatte für den Auftritt der Borussen bei Hertha BSC. Da klatschte Trainer Marco Rose mit Oscar Wendt ab – mit jenem Spieler, den er 20 Minuten zuvor nach Yann Sommers früher Hinausstellung vom Feld hatte nehmen müssen. „Wenn der Torwart so früh vom Platz gestellt wird und du dann auch noch einen Feldspieler rausnehmen musst, dann ist das schon eine Situation, die mich gefordert hat“, gab Rose später zu.
Doch er und sein Team nahmen die Herausforderungen der langen Unterzahl in Berlin an und erkämpften sich mit zehn Mann – trotz zwischenzeitlichem 0:1-Rückstands – ein 2:2. „Nach dem Spielverlauf nehmen wir diesen Punkt gerne mit“, sagte Ersatztorwart Tobias Sippel, der Sommer ab der 17. Minute vertrat und mit einigen Paraden dazu beitrug, dass Borussia im dritten Spiel in Folge punktete. Gladbach trat in Berlin als Einheit auf, bewies Moral und bestätigte den Aufwärtstrend der Vorwochen.
„Es war eine großartige kämpferische Leistung meiner Jungs. Sie haben sich in Unterzahl aufgeopfert, sind marschiert und haben defensiv wenig zugelassen“, lobte Rose sein Team, das in der Anfangsphase zwei Nackenschläge wegstecken musste. Erst sah Sommer die Rote Karte, nachdem er Jhon Cordoba außerhalb des Strafraums zu Fall gebracht hatte (13.), dann fälschte Christoph Kramer einen Schuss Santiago Ascacibars unhaltbar ab (23.).
Doch Borussia ging gegen die Widrigkeiten an und ergriff selbst die Initiative. Binnen elf Minuten drehten Alassane Plea und Lars Stindl noch vor der Pause die Partie. Zwar kam Berlin kurz nach dem
Wechsel, als Gladbach für einige Minuten zu passiv spielte, zum 2:2, in der Folge stemmte sich Borussia aber erfolgreich gegen einen erneuten Rückstand. „Wie wir nach den Rückschlägen zurückgekommen sind, war sicher gut“, sagte Kramer, der in Berlin die fünfte Gelbe Karte sah und somit gegen Frankfurt fehlt.
17 Punkte nach Rückständen haben die Borussen nun bereits in dieser Spielzeit gesammelt, alleine elf davon im Jahr 2021. Und damit in einer Phase, in der nicht wenige bereits vermuteten, zwischen der Mannschaft und ihrem im Sommer zu Borussia Dortmund wechselnden Trainer könne die Chemie nicht mehr stimmen.
Doch so positiv der Punkt für die Moral der Mannschaft war, in der
Tabelle bringt er sie nicht wirklich weiter. Durch Dortmunds 3:2 in Stuttgart vergrößerte sich der Abstand auf den fünften Tabellenplatz wieder auf sechs Punkte, Leverkusen kann am Montag in Hoffenheim noch nachziehen, und Union
Berlin punktete überraschend bei den Bayern und verteidigte damit den siebten Rang. Drei Zähler hätten den Borussen daher gut zu Gesicht gestanden. Es ist die Krux an der Ausgangslage, im Kampf um einen Europapokalplatz nun ständig unter Zugzwang zu sein, nachdem die Mannschaft so viele Punkte im Verlauf der Saison leichtfertig liegengelassen hat. 23 Zähler verspielte Gladbach mittlerweile nach einer Führung. Die Partie in Berlin reihte sich nun die Liste der Spiele mit vertanen Führungen ein – diesmal gab es indes mildernde Umstände.
Trotzdem ist nicht verwunderlich, dass sich in die Freude über den erkämpften Punkt bei manchem Borussen auch Enttäuschung mischte, trotz Unterzahl nicht noch mehr herausgeholt zu haben. Zumal eine Szene in der 72. Minute für Diskussionen sorgte: Lukas Klünter hatte Marcus Thuram mit dem Arm am Fuß gezogen, der Unparteiische Patrick Ittrich hatte aber weiterspielen lassen und danach auch keinen Hinweis vom Videoschiedsrichter erhalten. Und zwei, drei weiteren Konterchancen in der Schlussphase fehlte der präzise Abschluss.
„Man hat den Berlinern schon die Verunsicherung angemerkt. Und wir hatten im eigenen Ballbesitz immer noch gute Momente, gerade am Ende, als Berlin aufmachen musste. Von daher glaube ich, dass mehr drin gewesen wäre“, sagte Kramer zum 2:2, das für die Borussen ein zweischneidiges Schwert ist: gut für die Moral, schlecht für die Tabelle.