SPD-Städte kämpfen vereint gegen Corona
Die Kommunen mit einer SPD-Spitze akzeptieren bundeseinheitliche Regeln, wollen aber einen größeren Gestaltungsspielraum bei Lockerungen, wenn die Inzidenzwerte wieder sinken.
DÜSSELDORF Die SPD-regierten Großstädte wollen sich künftig in Fragen der Bekämpfung der Corona-Pandemie besser abstimmen und voneinander lernen. Eine entsprechende Initiative haben die beiden SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zusammen mit dem Leipziger Oberbürgermeister und Städtetagspräsidenten Burkhard Jung gestartet. Das hat unsere Redaktion aus Kreisen der SPD-Führung erfahren. Zentraler Punkt sind eine bessere Impf- und Teststrategie sowie wirkungsvolle Kontrollen bei einem anstehenden Lockdown.
Der Leipziger OB Jung begrüßte ausdrücklich den Strategiewechsel in der Corona-Bekämpfung, der nun bundeseinheitliche Regeln bei der Überschreitung bestimmter Inzidenzwerte vorsieht. „Wir sind alle genervt vom kommunikativen Durcheinander in Berlin“, sagte der Kommunalpolitiker im Gespräch mit unserer Redaktion. „In der Kakophonie der Länder und Regionen verstehen die Menschen nicht mehr, was gilt. Deshalb akzeptieren wir Kommunen ausdrücklich einheitliche Regeln in einem Bundesinfektionsschutzgesetz. Wenn eine Obergrenze bei der Zahl der neuen Infektionen überschritten wird, müssen etwa die Schulen schließen, oder es gibt Ausgangssperren.“
Damit stimmen sozialdemokratisch geführte Städte und Gemeinden dem Vorschlag zu, befristet Kompetenzen im Kampf gegen Corona dem Bund zu übertragen. Trotzdem fordert Städtetagspräsident Jung Spielräume für die Kommunen. „Es muss die Möglichkeit für Kommunen geben, ihre eigene Politik zu gestalten, wenn die Zahlen wieder besser werden.“SPD-Chef Walter-Borjans hob trotz einheitlicher Regelungen die Bedeutung des
Föderalismus hervor. „Das Durcheinander der letzten Wochen darf uns nicht dazu verführen, die Lösung in immer mehr Zentralisierung zu suchen. Der Föderalismus bleibt die richtige Ordnung, Probleme regional differenziert zu lösen. Deshalb sollten wir nur das Nötigste bundeseinheitlich regeln.“
Der oberste Sozialdemokrat bemängelte allerdings die fehlende Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen. „Bund und Länder haben schon viele große Entscheidungen erfolgreich gemeinsam getroffen. Da gab es vom Chef des Kanzleramtes und der Staatskanzleien aber keine Vorlagen an die Regierungschefs, in denen wie zuletzt 30 Punkte ungeklärt waren.“
Jung und Walter-Borjans sprachen sich für schärfere Regeln bei den Tests aus. „Es ist richtig, sowohl die freie Wirtschaft wie auch den öffentlichen Dienst zu verpflichten, ihre Mitarbeiter zu testen und sie damit in besonderer Weise zu schützen“, forderte der Leipziger Oberbürgermeister. Seine Kommune biete etwa den Stadtbediensteten kostenlose Tests an. „Die Stadt würde Tests gerne verpflichtend einführen.“Vorhandene Tests, so Jung, müssten vorrangig an Schulen, den öffentlichen Dienst oder die produzierenden Betriebe gehen. SPD-Chef Walter-Borjans ergänzte: „Wenn der Staat die Tests schneller in ausreichender Weise bestellt hätte, wären auch schnell Kapazitäten aufgebaut und ein entsprechendes Angebot sichergestellt worden.“
Der Leipziger Oberbürgermeister sieht die Gesundheitsämter in den
Kommunen inzwischen gut gerüstet, die Nachverfolgung von Corona-Fällen auch bei höheren Infektionszahlen zu gewährleisten. „Wir haben unser Gesundheitsamt so aufgerüstet, dass es bei einer Inzidenz von 150 alle Fälle nachverfolgen kann. Dieser Wert lag zu Beginn der Pandemie bei 50“, sagte das Stadtoberhaupt.
Kritik an der Initiative, die sich zunächst nur an SPD-Städte richtet, weisen die Initiatoren zurück. Viele unionsregierten Kommunen hätten sich etwa der Altschuldeninitiative von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht angeschlossen, obwohl sie davon profitiert hätten. Man wolle aber keine geschlossene Gesellschaft auf kommunaler Ebene, hieß es in der Parteizentrale.
SPD-Chef Walter-Borjans nannte neben Leipzig auch andere sozialdemokratisch regierte Städte, die in der Pandemie-Bekämpfung Vorbildcharakter hätten. So hätte beispielsweise Kiel ähnlich niedrige Inzidenzwerte wie das vielbeachtete Rostock. „Die Inzidenz ist aber nicht der einzige Maßstab“, meint der SPD-Vorsitzende. Es komme auch auf soziale Strukturen, das Umland und die geographische Lage an. Walter-Borjans: „OB Sören Link in Duisburg macht einen guten Job, auch wenn die Inzidenz über 150 liegt.“
Der Duisburger Stadtchef, der bei der Initiative dabei ist, hob hervor, dass seine Stadt seit Monaten mehr als andere Städte testen würde. Link: „Aber verbindliche Tests in Schulen oder Betrieben laufen immer noch nicht, weil Bund und Land die entsprechenden Regelungen nicht treffen.“In einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat sich der Duisburger OB für einen kurzen, scharfen Lockdown ausgesprochen, „damit die akuten Inzidenzzahlen runter gehen“.
Am 19. April wollen sich die SPD-Oberbürgermeister erstmals offiziell treffen und gemeinsam mit den beiden SPD-Vorsitzenden und dem Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach eine Agenda beschließen. Aus NRW sind neben den beiden Ruhrgebietsstädten Dortmund und Duisburg auch Tim Kurzbach aus Solingen, Pit Clausen aus Bielefeld, Karin Welge aus Gelsenkirchen und Thomas Eiskirch aus Bochum eingeladen.