Bedarf an Beratung zu Schwangerschaft wächst
Das Team von Pro Familia klärt nicht nur über Sexualität und Verhütungsmittel auf. Es bietet auch Hebammendienste und Vaterschaftstests.
RHEYDT Mehr war die Mönchengladbacher Beratungsstelle von Pro Familia im Haus des Paritätischen angesiedelt. Am 1. Februar ist das Team umgezogen. An der Elberfelder Straße 1 hat es in einem Jugendstilhaus eine neue Bleibe gefunden. Von gut 90 Quadratmetern wuchs die Beratungsstelle dort auf 200 Quadratmeter, die nun ausreichend Platz für fünf Büros, einen Untersuchungsraum, einen Gruppenraum und einen Anmeldebereich bieten. Mit Beginn der Corona-Pandemie stand der Beschluss für das Team um die Leiterin Janina Horn-Tilke fest, umzuziehen und sich zu vergrößern. „Wir hatten gerade mal einen Raum, in dem wir die Abstandsregel hätten einhalten können“, sagt Horn-Tilke.
Die Leiterin ist Psychologin, ihr Team besteht aus einer Sozialarbeiterin, zwei Hebammen, einer Sexualpädagogin, einer Ärztin und zwei Sekretärinnen. „Wir sind ein multiprofessionelles Team“, so Horn-Tilke, „jede Frau und jeder Mann, der zu uns kommt, kann zu ihrer und seiner Fragestellung professionell beraten werden.“
Die Familienhebammen, so erklärt Horn-Tilke, konnten vor acht Jahren in das Beratungsteam mit aufgenommen werden, als die Bundesstiftung „Frühe Hilfen“eingeführt wurde und die Finanzierung der Hebammen übernahm. Das stellte eine bedeutende Wende in der Beratungssituation dar. Während bis dahin ausschließlich Beratungen rund um Schwangerschaft, Geburt und in der ersten Zeit als Eltern angeboten werden konnten, war es nun möglich, die Familien nach der Geburt auch praktisch zu unterstützen. „Die Hebammen sind eine tolle Ergänzung, sie begleiten die Frauen über einen langen Zeitraum und können Antworten auf viele alltägliche Fragen geben“, beschreibt die Psychologin.
In den vergangenen drei Jahren ist der Beratungsbedarf deutlich angestiegen. Allein zwischen 2018 und 2019 gab es einen Zuwachs von 30 Prozent. Die Ursachen sind selbst Janina Horn-Tilke unklar. Sie mutmaßt: „Es mag einen Synergieeffekt durch die Mitarbeit der Familienhebammen geben.“
Doch auch die Angebote von Pro Familia sind vielfältiger geworden und haben sich in den Jahrzehnten ihres Bestehens so verändert wie die Gesellschaft sich gewandelt hat. Der Grund „ungewollt schwanger“ist längst nicht mehr der einzige, aus dem Pro Familia aufgesucht wird. Frauen und Männer kommen mit allen Fragen zu Schwangerschaft oder wenn die erste Zeit zu dritt als belastend erlebt wird. Sie kommen, wenn sie einen Kinderwunsch hegen, oder um sich über Verhütungsmittel
aufklären zu lassen. Auch die Anpassung von Diaphragmen kann vorgenommen werden. Ebenso wie ein Vaterschaftstest, der über einen Abstrich der Wangenschleimhaut Aufschluss über eine mögliche Verwandtschaft gibt. Die Sexualpädagogin von Pro Familia geht in Schulen und zu Erzieherinnen, um vorbeugend zu arbeiten. Die Ärztin bietet eine Sprechstunde in einem Erstaufnahmelager für Geflüchtete
an.
Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag in der Beratungsstelle verändert. „Schnell war klar, dass wir systemrelevant sind“, sagt Horn-Tilke. Sie erstellten ein Hygienekonzept, um den Frauen, die ihre Räume aufsuchen, Sicherheit zu bieten. Die gesetzlichen Grundlagen für eine über E-Mail verschickte Bescheinigung wurden ebenso geschaffen, wie die zur Erlaubnis der Beratung per Video.
Neue Umstände erfordern eben neue Möglichkeiten. So erinnert sich die Psychologin daran, wie sie zu Beginn der Pandemie eine Beratung mit einer Frau durchführte, die vor ihrer Wohnung im Auto saß, weil sie wegen der zu Hause beschulten Kinder in der Wohnung keine Ruhe für ein Gespräch fand. Es gab einen Mix aus Angeboten: Wer kommen konnte, kam in die Beratungsstelle, wer wollte, konnte einen Spaziergang mit den Mitarbeiterinnen machen oder die Gespräche über eine Online-Plattform führen.
Die jüngste Ratsuchende, die die Beratungsstelle aufsuchte, war übrigens 13 Jahre alt, die älteste 54 – beide mit demselben Anliegen: einer ungeplanten Schwangerschaft.