Lithium-Batterien nachhaltig machen
Bei Liontron in Kaldenkirchen werden Batterien vertrieben, die sich reparieren lassen und zudem recyclebar sind.
KALDENKIRCHEN Von seinem Büro am Herrenpfad schaut Wolfgang Felzen öfter nach Äpypten – am Computer natürlich. Als vor fünf Wochen das 400 Meter lange Containerschiff „Ever given“im Suez-Kanal auf Grund lief, befanden sich auch zwei Container an Bord, die in Kaldenkirchen sehnlichst erwartet werden, voll beladen mit Lithium-Batterien aus China. Das Schiff wurde in Ägypten beschlagnahmt. Jetzt wird mit Reederei und Versicherungen gestritten.
Das Nettetaler Unternehmen Liontron vertreibt Batterien der Lithiums-Eisenphosphat-Technologie. Felzen spricht von nachhaltigen Batterien, denn seine sind bisher die einzigsten, die nicht verschweißt oder verklebt sind, sondern verschraubt. Bei einem Defekt muss man sie nicht mehr wegschmeißen, sondern kann sie öffnen und defekte Zellen austauschen.
Der umtriebige Manager, der bei Wang Deutschland und Debis Daimler Benz Interservice in den 1980er und 90er Jahre gut verdient hatte, wollte sich mit 45 Jahren zur Ruhe setzen und mit seinem Segelboot die Welt erobern. Drei Jahre lang, von 1999 bis 2002, war er mit seinem 16 Meter-Segelboot unterwegs, rund um Europa, bis zu den Azoren und zur Karibik. Auf dem Schiff braucht man Strom, hat aber keine Steckdose. Es nervte den Segler, dass die Batterien so schnell auf dem Müll landeten. So kam er auf die Idee, eine Batterie fertigen zu lassen, die sich öffnen und reparieren lässt. Entsprechend länger sind auch die Garantiezeiten.
Inzwischen ist die nächste Generation ins Unternehmen eingestiegen: Thorsten Felzen, der Betriebswirtschaft studiert hat, und Bruder Boris Borchert, der ein Studium der Informatik absolviert hat. Die Familie fing klein an, aus der Garage im heimischen Neuss ging es 2004 nach Neersen. Seit 2007 ist man in Nettetal ansässig, zuerst in Breyell und seit 2013 in Kaldenkirchen. Da das Unternehmen nicht Düsseldorfer und Neusser Preise bezahlen wollte, suchte es auf dem Lande. „Es ist nett in Nettetal“, sagen die Junioren, und sind bereits auf dem Sprung zur nächsten Expansion. Im Juli ziehen Vertrieb und Marketing nach Grefrath in das ehemalige Gebäude von Johnson Controls. Schon jetzt hat man 2400 Quadratmeter Halle angemietet, weil der Firmensitz am Herrenpfad
aus allen Nähten platzt. Der Umsatz verdoppelte sich in den vergangenen Jahren von 30 auf 60 Millionen Euro, in 2022 werden es wohl 100 Millionen Euro. „Das Unternehmen ist explosionsartig gewachsen“, so Thorsten Felzen. Es beschäftigt 120 Mitarbeiter, dringend werden 50 neue gesucht, für Vertrieb, Logistik, Service und Technik.
900 Händler vertreiben die Liontron-Batterien, vor allem Wohnmobil-Händler.
Die Eigenschaften sprechen für sich: Im Gegensatz zu anderen Lithium-Technologien werden weder Cobalt, Nickel, Kadmium noch andere umweltschädliche Schwermetalle bei der Produktion eingesetzt. Vor allem beim Recycling punktet die Lithium-Eisenphosphat-Technologie. Alle eingesetzten Metalle sind recycelbar und setzen keine giftigen Schwermetalle frei. Sie können auch nicht brennen oder explodieren.
Und als wäre das noch nicht Erfolg genug, kommt jetzt noch die Balkon-Photovoltaikanlage von selfPV hinzu. Dabei handelt es sich um ein steckerfertiges Solarsystem aus einem Solarmodul mit Mikrowechselrichter. Das kleine Solarkraftwerk wird zu Hause einfach in eine Steckdose gesteckt und liefert dann über 300 kWh Strom pro Jahr. Ein Durchschnittshaushalt werde so jährlich um 80 bis 110 Euro entlastet.
So modern und unkonventionell das Unternehmen auch erscheint – beim Kaffee im Hause muss es eine klassische italienische Profi-Maschine sein.