Wie Corona die Politik verschluckt
Künftig sollen außer dem Stadtrat möglichst keine Ausschüsse tagen. Wie politische Diskussionen dennoch nachvollziehbar abgebildet werden sollen.
VIERSEN Das für kommende Woche geplante Treffen des Sportausschusses ist bereits abgesagt, der Ausschuss für Klima- und Umweltschutz hat anders als vorgesehen Anfang Mai nicht getagt. Dem liegt ein Beschluss des Stadtrats zugrunde: Vorerst fallen in Viersen die Sitzungen der Fachausschüsse aus. Nur wenn Vorschriften eingehalten und Fachausschüsse Entscheidungen zwingend alleine treffen müssen, werden Ausnahmen gemacht. Dazu gehören zum Beispiel die Prüfung der Jahresrechnung durch den Rechnungsprüfungsausschuss und die Abgabe eines Vorschlages zur Bestellung der Schulleitung durch den Schulausschuss.
Wie werden jetzt politische Entscheidungen getroffen?
Der Stadtrat hat in seiner Sitzung Ende April in der Festhalle einstimmig beschlossen, dass die Zuständigkeitsordnung geändert wird. In der Sitzungsvorlage erläutert die Stadtverwaltung: „Angesichts der anhaltenden pandemischen Lage, deren Ende nicht realistisch abschätzbar ist, wird die Abhaltung von Rats- und Ausschusssitzungen auch bei Einhaltung weitest gehender Hygiene- und Schutzmaßnahmen zunehmend kritisch betrachtet.“Mehrfach hatten sich zuvor in Ausschuss-Sitzungen auch Mitglieder gemeldet und kritisiert, angesichts der Pandemie sollte weitestgehend auf Präsenzveranstaltungen verzichtet werden. In den vergangenen Monaten sind zwar bereits einige Ausschuss-Sitzungen abgesagt worden, wann immer keine dringenden Beratungen anstanden. Das wird nun aber verschärft. Ohne Vorberatung in Präsenz-Sitzungen der Ausschüsse werden Entscheidungen vorerst soweit zulässig direkt vom Stadtrat getroffen. Das soll gelten, wie die Verwaltung erläutert, solange die „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“anhält.
Wie beraten sich die Fraktionen? Um eine politische Meinungsbildung und einen Austausch zwischen den Fraktionen zu erleichtern, richtet die Stadtverwaltung für die Rats- und Ausschussmitglieder eine Videokommunikationsplattform
ein. Dafür genutzt werde das System „Big Blue Button“, erläuterte Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) zuletzt in der Ratssitzung. „Hier kann diskutiert werden, hier können mehrheitlich Anträge formuliert und es kann protokolliert werden“, sagte sie. „Wir sind noch in der Erarbeitung der Details.“Allerdings kann ein Ausschuss, der sich allein virtuell austauscht, nach der geltenden Gemeindeordnung des Landes NRW keine Entscheidungen treffen – das muss der Stadtrat übernehmen. In seiner jüngsten Sitzung hat der Stadtrat auch beschlossen, dass die Protokolle der Video-Diskussionen im Ratsinformationssystem veröffentlicht werden sollen.
Welche Vorsichtsmaßnahmen können die Ratsmitglieder treffen? Zunächst einmal wird es bereits seit einigen Monaten so gehandhabt, dass der Stadtrat in kleinerer Besetzung tagt, also weniger Fraktionsmitglieder bei den Sitzungen in der Festhalle oder im Forum am Rathausmarkt anwesend sind. Sie tragen Masken, die in der Regel nur derjenige abnimmt, dem gerade der Ausschussvorsitzende das Wort erteilt hat. In der Festhalle sitzen die Ratsmitglieder mit Abstand voneinander, im Forum sind ihre Sitzplätze mit Acrylglasscheiben voneinander abgeschirmt. Zuletzt hatten die Grünen um ihre Fraktionsvorsitzenden Maja Roth-Schmidt und Jörg
Eirmbter-König bei der Stadtverwaltung einen Antrag eingereicht, dass unmittelbar vor Sitzungen den Teilnehmern kostenlose Corona-Schnelltests ermöglicht werden sollten. Den Antrag zog RothSchmidt nun in der Ratssitzung zurück – denn die Grünen waren einverstanden mit dem Verfahren, das die Stadtverwaltung von selbst anbot. Demnach stellt die Verwaltung den Rats- und Ausschussmitgliedern Selbsttests zur Verfügung, die sie anwenden können, bevor sie zu den Sitzungen kommen.
Werden die Sitzungen denn nun auch in einem Rats-TV übertragen?
Die Stadtverwaltung soll dafür zumindest ein Pilotprojekt mit Laufzeit bis vorerst Ende 2021 erarbeiten – mit Option auf Verlängerung. Darauf haben sich die Ratsmitglieder in ihrer Sitzung einstimmig verständigt. Vorgesehen ist, dass dabei versuchsweise entweder die Ratssitzungen oder – wenn sie denn abgehalten werden – die Sitzungen eines Ausschusses online übertragen werden. Und: Beschließt der Kreistag zeitnah, das Forum im Kreishaus mit Videokonferenztechnik auszustatten, die das Streaming von Sitzungen ermöglicht, soll die Stadt- mit der Kreisverwaltung eine mögliche Mitbenutzung abstimmen.