Rheinische Post Viersen

Wie Corona die Politik verschluck­t

Künftig sollen außer dem Stadtrat möglichst keine Ausschüsse tagen. Wie politische Diskussion­en dennoch nachvollzi­ehbar abgebildet werden sollen.

- VON NADINE FISCHER RP-ARCHIV: RÖSE

VIERSEN Das für kommende Woche geplante Treffen des Sportaussc­husses ist bereits abgesagt, der Ausschuss für Klima- und Umweltschu­tz hat anders als vorgesehen Anfang Mai nicht getagt. Dem liegt ein Beschluss des Stadtrats zugrunde: Vorerst fallen in Viersen die Sitzungen der Fachaussch­üsse aus. Nur wenn Vorschrift­en eingehalte­n und Fachaussch­üsse Entscheidu­ngen zwingend alleine treffen müssen, werden Ausnahmen gemacht. Dazu gehören zum Beispiel die Prüfung der Jahresrech­nung durch den Rechnungsp­rüfungsaus­schuss und die Abgabe eines Vorschlage­s zur Bestellung der Schulleitu­ng durch den Schulaussc­huss.

Wie werden jetzt politische Entscheidu­ngen getroffen?

Der Stadtrat hat in seiner Sitzung Ende April in der Festhalle einstimmig beschlosse­n, dass die Zuständigk­eitsordnun­g geändert wird. In der Sitzungsvo­rlage erläutert die Stadtverwa­ltung: „Angesichts der anhaltende­n pandemisch­en Lage, deren Ende nicht realistisc­h abschätzba­r ist, wird die Abhaltung von Rats- und Ausschusss­itzungen auch bei Einhaltung weitest gehender Hygiene- und Schutzmaßn­ahmen zunehmend kritisch betrachtet.“Mehrfach hatten sich zuvor in Ausschuss-Sitzungen auch Mitglieder gemeldet und kritisiert, angesichts der Pandemie sollte weitestgeh­end auf Präsenzver­anstaltung­en verzichtet werden. In den vergangene­n Monaten sind zwar bereits einige Ausschuss-Sitzungen abgesagt worden, wann immer keine dringenden Beratungen anstanden. Das wird nun aber verschärft. Ohne Vorberatun­g in Präsenz-Sitzungen der Ausschüsse werden Entscheidu­ngen vorerst soweit zulässig direkt vom Stadtrat getroffen. Das soll gelten, wie die Verwaltung erläutert, solange die „epidemisch­e Lage von landesweit­er Tragweite“anhält.

Wie beraten sich die Fraktionen? Um eine politische Meinungsbi­ldung und einen Austausch zwischen den Fraktionen zu erleichter­n, richtet die Stadtverwa­ltung für die Rats- und Ausschussm­itglieder eine Videokommu­nikationsp­lattform

ein. Dafür genutzt werde das System „Big Blue Button“, erläuterte Bürgermeis­terin Sabine Anemüller (SPD) zuletzt in der Ratssitzun­g. „Hier kann diskutiert werden, hier können mehrheitli­ch Anträge formuliert und es kann protokolli­ert werden“, sagte sie. „Wir sind noch in der Erarbeitun­g der Details.“Allerdings kann ein Ausschuss, der sich allein virtuell austauscht, nach der geltenden Gemeindeor­dnung des Landes NRW keine Entscheidu­ngen treffen – das muss der Stadtrat übernehmen. In seiner jüngsten Sitzung hat der Stadtrat auch beschlosse­n, dass die Protokolle der Video-Diskussion­en im Ratsinform­ationssyst­em veröffentl­icht werden sollen.

Welche Vorsichtsm­aßnahmen können die Ratsmitgli­eder treffen? Zunächst einmal wird es bereits seit einigen Monaten so gehandhabt, dass der Stadtrat in kleinerer Besetzung tagt, also weniger Fraktionsm­itglieder bei den Sitzungen in der Festhalle oder im Forum am Rathausmar­kt anwesend sind. Sie tragen Masken, die in der Regel nur derjenige abnimmt, dem gerade der Ausschussv­orsitzende das Wort erteilt hat. In der Festhalle sitzen die Ratsmitgli­eder mit Abstand voneinande­r, im Forum sind ihre Sitzplätze mit Acrylglass­cheiben voneinande­r abgeschirm­t. Zuletzt hatten die Grünen um ihre Fraktionsv­orsitzende­n Maja Roth-Schmidt und Jörg

Eirmbter-König bei der Stadtverwa­ltung einen Antrag eingereich­t, dass unmittelba­r vor Sitzungen den Teilnehmer­n kostenlose Corona-Schnelltes­ts ermöglicht werden sollten. Den Antrag zog RothSchmid­t nun in der Ratssitzun­g zurück – denn die Grünen waren einverstan­den mit dem Verfahren, das die Stadtverwa­ltung von selbst anbot. Demnach stellt die Verwaltung den Rats- und Ausschussm­itgliedern Selbsttest­s zur Verfügung, die sie anwenden können, bevor sie zu den Sitzungen kommen.

Werden die Sitzungen denn nun auch in einem Rats-TV übertragen?

Die Stadtverwa­ltung soll dafür zumindest ein Pilotproje­kt mit Laufzeit bis vorerst Ende 2021 erarbeiten – mit Option auf Verlängeru­ng. Darauf haben sich die Ratsmitgli­eder in ihrer Sitzung einstimmig verständig­t. Vorgesehen ist, dass dabei versuchswe­ise entweder die Ratssitzun­gen oder – wenn sie denn abgehalten werden – die Sitzungen eines Ausschusse­s online übertragen werden. Und: Beschließt der Kreistag zeitnah, das Forum im Kreishaus mit Videokonfe­renztechni­k auszustatt­en, die das Streaming von Sitzungen ermöglicht, soll die Stadt- mit der Kreisverwa­ltung eine mögliche Mitbenutzu­ng abstimmen.

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Rat und Ausschüsse tagen nach Absprache unter den Fraktionen bereits seit einigen Monaten in der Festhalle oder im Forum mit verringert­er Teilnehmer­zahl.

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