Rheinische Post Viersen

„Mein Leben hätte jetzt begonnen“

Melissa Lennartz (15) macht bald ihren Abschluss an der Katholisch­en Hauptschul­e Neuwerk. Sie hätte diese Zeit gerne gebührend gefeiert, doch die Pandemie nimmt ihr das.

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MÖNCHENGLA­DBACH Mein Leben hätte jetzt begonnen. Ich habe mir schon ausgemalt, auf welche Partys ich mit 16 endlich gehen könnte. Eine davon wäre unsere Abschlussf­eier in der Schule gewesen. Oder der Bunte Abend. Das ist ein Programm, das die Abschlusss­chüler bei uns auf die Beine stellen. Ich war jedes Jahr da und dachte immer: „Wenn meine Schulzeit zu Ende geht, stehe ich selbst da oben auf der Bühne“. Daraus wird nichts. Mein Abschluss wird langweilig und trostlos.

Ich muss schon aufpassen, dass ich nicht den Kontakt zu meinen Freunden verliere. Denn es gibt Tage, an denen keiner von uns rausgehen möchte und uns die Situation über den Kopf wächst. Zum Glück wohnt eine Freundin von mir direkt nebenan und wenn ich genug für den Abschluss gelernt habe, gehe ich zu ihr herüber. Sehe ich meine Freunde mal draußen, bilden sich öfter kleine Grüppchen. Ich vermisse sie alle sehr und bin froh, wenn wir zusammenst­ehen. Früher habe ich mit ihnen Fußball gespielt, doch das ist wegen Corona Geschichte. Selbst Schulsport gibt’s nur noch draußen und mit viel Abstand.

Es ist eine komische Situation, in der wir da gefangen sind. Sie soll ja bald besser werden. Aber leider erst, wenn mein Abschluss schon vorbei ist.

Gerade macht es keinen Spaß, jung zu sein. Nicht einmal meinen 16. Geburtstag kann ich groß feiern – und das hatte ich fest vor. Alle meine Freunde sollten kommen. Wir wollten eine große Party machen, wenn die Schule vorbei ist. Wir wollten auf Abschlussf­ahrt fahren. Wir wollten abends zusammen weggehen. Alles, was Spaß macht, ist gerade nicht erlaubt.

Aber nicht nur die coolen Sachen bleiben auf der Strecke – auch das Lernen ist schwierige­r geworden. In Mathe und Deutsch komme ich gut mit, aber mein Englisch ist schlechter geworden durch den ganzen Distanzunt­erricht. Jetzt vor den Prüfungen dürfen wir zum Glück zwei bis drei Tage die Woche in die Schule kommen. Es hilft mir sehr, wenn ich meine Fragen loswerden kann. Ich brauche in Englisch einfach die Unterstütz­ung von einem Lehrer.

Viele Fächer haben sich durch die Pandemie auch stark verändert. Zum Beispiel Hauswirtsc­haft. Dort dürfen wir nicht mehr kochen wie früher – das Probieren ist verboten und meine Lehrerin meint, dass es dann keinen Sinn hat. Also stellen wir ein Buch mit Feierabend­rezepten zusammen. Es sind Rezepte, die wir schnell zubereiten können, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen. Damit wir später nicht nur Fertigfraß essen. Mein Favorit sind Nudeln mit Frischkäse und Thunfisch.

Ich denke, das Rezeptbuch kann ich noch gut gebrauchen, wenn ich etwa meine Ausbildung zur medizinisc­hen Fachangest­ellten beginne. Im Herbst geht es los, bei einem Interniste­n, nicht weit von zu Hause entfernt. Ich konnte trotz Corona schon zwei Tage Probe arbeiten. Das war toll.

Und jetzt bin ich froh, die Ausbildung in der Tasche zu haben. Das wird eine gute Zeit. Vor allem, weil ich da Menschen helfen und vielleicht sogar gegen Covid-19 impfen kann. Dann könnte ich immerhin dazu beitragen, dass die Pandemie keinen so großen Einfluss mehr auf unser Leben hat.

Protokolli­ert von Jana Marquardt

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FOTO: MARKUS RICK Melissa Lennartz findet es schade, dass sie ihren Abschluss nicht richtig feiern kann.

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