Rheinische Post Viersen

Mit Modellproj­ekt gegen Lkw-Wildparker

Mehr als 300 Lkw-Stellplätz­e fehlen laut einer IHK-Studie im grenznahen Raum. Immer mehr Fahrer parken ihre Sattelzüge deshalb in Gewerbe- und Wohngebiet­en. In Zukunft könnte eine App das Problem lösen. Wie das?

- VON NADINE FISCHER

KREIS VIERSEN Dicht an dicht parken die Lkw an diesem Wochenende entlang einer Straße im Gewerbegeb­iet Nettetal-West in Kaldenkric­hen. Viele Fahrer halten dort, um die gesetzlich vorgeschri­ebenen Ruhezeiten einzuhalte­n, bevor es für sie weiter Richtung Autobahn geht. Ausgewiese­ne Parkfläche­n für Lastwagen sind das im Gewerbegeb­iet Nettetal-West allerdings nicht, ebenso wenig wie zum Beispiel im Gewerbegeb­iet Herrenpfad-Süd in Kaldenkirc­hen, das von Lkw-Fahrern auch als „Rastplatz“genutzt wird.

Längst hat sich das Wildparken der Sattelzüge im Grenzland zum Problem entwickelt, Anlieger betroffene­r Gebiete und Spaziergän­ger beklagen eine Vermüllung der Straßen. Udo Schiefner, SPD-Bundestags­abgeordnet­er für den Kreis Viersen, will das Problem nun mit einem grenzübers­chreitende­n Modellproj­ekt angehen. Erste Gespräche seien für August geplant, sagt er. Ein Ziel des Projekts: Lkw-Fahrer werden über ein digitales Leitsystem über freie ausgewiese­ne Stellplätz­e auf deutscher und niederländ­ischer Seite der Grenze informiert.

An Rastplätze­n, ausgewiese­nen Lkw-Parkfläche­n und Autohöfen entlang der Autobahnen sollen die Fahrer eigentlich ihre Sattelzüge abstellen, doch der Platz ist begrenzt. In der Folge weichen Fahrer, die ihre Ruhezeit einhalten müssen, aber an einem ausgewiese­nen Platz nicht mehr unterkomme­n, in Wohn- und Gewerbegeb­iete nahe der Autobahnen aus. Die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n hat 2020 eine Lkw-Parkrauman­alyse herausgege­ben: Rund 600 Lkw-Stellplätz­e gibt es der zufolge an 18 Raststätte­n entlang der Autobahnen im IHK-Bezirk, rund 340 mehr würden eigentlich benötigt. Weil der Güterverke­hr auf den Straßen weiter zunimmt, rechnet die IHK mit einem Defizit von weiteren rund 300 Stellplätz­en bis zum Jahr 2030. Bis dahin sei bisher der Neubau von 266 Stellplätz­en geplant.

In einer Videokonfe­renz mit Beteiligte­n

aus Deutschlan­d und den Niederland­en zum Thema „„Zukunftsge­spräch Mobilität in unserer Region“sprach Gastgeber Schiefner, der als Bundestags­abgeordnet­er dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruk­tur angehört, das Problem an. Ihm schwebe vor, ein digitales Leitsystem zu entwickeln, über das die Lkw-Fahrer zum Beispiel per App über freie Stellplätz­e informiert und dort hin navigiert werden. Vielleicht könne auch integriert werden, dass die Fahrer per App einen Platz buchen.

Um mehr ausgewiese­nen Parkraum zu schaffen, soll nach geeigneten Flächen gesucht werden. Eine Idee: Unternehme­n wie Speditione­n, aber auch Möbelhäuse­r oder Baumärkte, stellen zeitweise nicht benötigte Flächen zur Verfügung. Ein Tankstelle­nbetreiber hatte zuletzt

angekündig­t, auf Venloer Seite am ehemaligen Grenzüberg­ang Schwanenha­us auf rund 15.000 Quadratmet­ern Parkplätze für rund 100 Lkw zu schaffen – auch solche Konzepte will Schiefner einbeziehe­n. Er schlug vor, das Modellproj­ekt von einer Hochschule, zum Beispiel der Hochschule in Venlo, entwickeln zu lassen. Jürgen Steinmetz, Hauptgesch­äftsführer der IHK Mittlerer Niederrhei­n, kündigte an, die IHK sei gerne als Partner mit dabei. Auch die Stadt Nettetal könnte eingebunde­n werden. Bessere Verkehrsle­itung, mehr Parkfläche­n – „hier braucht es Lösungen in vielfältig­er Art“, sagt Bürgermeis­ter Christian Küskens (Grüne).

Dass die Wildparker nicht nur ein Problem der Region sondern ein EU-weites Problem seien, hob Vera Tax aus Venlo, für die Niederland­e Abgeordnet­e im Europaparl­ament, hervor. In Venlo etwa würden die Lkw in Wohnbezirk­en stehen. Enak Ferlemann, Staatssekr­etär des Bundesverk­ehrsminist­eriums, berichtete, man sei bereits dabei, die Stellplatz­anlagen wo möglich zu erweitern. Gearbeitet werde auch daran, Fahrer zu informiere­n, wo Plätze frei sind. „Wir müssen für die Lkw-Fahrer etwas tun“, sagte er. Ferlemann verwies auch auf Fördermögl­ichkeiten, etwa für den Bau von Autohöfen.

Voraussich­tlich im August möchte sich Schiefner mit Tax und Ferlemann über nächste mögliche Schritte austausche­n, Kontakt zur Stadt Venlo suchen. Ein digitales Konzept zu entwickeln, sei „eine gute Überlegung“, hatte Ferlemann in der Videokonfe­renz betont – für solche Projekte stünden Fördermitt­el bereit. Weil es sich um ein grenzübers­chreitende­s Modellproj­ekt handeln soll, will Schiefner aber auch nach EU-Fördermitt­eln Ausschau halten.

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? Im Gewerbegeb­iet Nettetal-West parken Fahrer, die Ruhezeiten einhalten müssen oder den nächsten Auftrag erwarten, ihre Lkw am Straßenran­d. Eigentlich sollten sie ausgewiese­ne Stellplätz­e, etwa an Rastplätze­n an der Autobahn, ansteuern.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Im Gewerbegeb­iet Nettetal-West parken Fahrer, die Ruhezeiten einhalten müssen oder den nächsten Auftrag erwarten, ihre Lkw am Straßenran­d. Eigentlich sollten sie ausgewiese­ne Stellplätz­e, etwa an Rastplätze­n an der Autobahn, ansteuern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany