Neues Niersbett soll bei Hochwasser helfen
Die Niers im Bresgespark wird neu gestaltet. Wie das dem Schutz vor Überschwemmung dienen soll und wie es während der Flut war.
RHEYDT Ein Fehltritt – und schon steckt man im Sumpf: Es war eine weise Entscheidung, vor dem Spaziergang mit Engelbert Denneborg und Wilfried Manheller die ältesten Treter anzuziehen, die der Schuhschrank hergibt. Denn die starken Regenfälle der vergangenen Wochen haben die Baustelle des Niersverbands im Bresgespark in eine Matschlandschaft verwandelt. Allerdings in eine mit Format. Denn Manheller und Denneborg, Gewässerexperten des Verbands, führen den Besucher durch ein Gebiet, das Ende 2022 eine Auenlandschaft sein soll. Mittendrin wird sich der Fluss gut 3,6 Kilometer in großen Schleifen schlängeln – dreimal so lang, wie der derzeit noch gerade Lauf durch den Bresgespark zwischen Römerstraße und Zoppenbroich. Und ein Vielfaches naturnäher, wenn die Pläne aufgehen.
Gut 8,5 Millionen Euro steckt der Niersverband in das Projekt. Nach einigen Jahren des Planens, des Einholens von Genehmigungen und der Abstimmungen mit Behörden ist das Vorhaben im Dezember vorigen Jahres sichtbar geworden – mit umfangreichen Fällarbeiten. Denn um dem Fluss ein neues Bett zu machen, musste Platz im Wald entlang des Ufers geschaffen werden. „Das ist zunächst einmal ein vorübergehender Eingriff in die Natur“, sagt Manheller, „aber man muss auch berücksichtigen, dass es auch Neuanpflanzung
von Bäumen geben wird, die besser an diesen Standort passen.“Entfernt wurden vor allem Pappeln, die nach dem Zweiten Weltkrieg gepflanzt wurden und mit einem Alter von 60 Jahren und mehr ohnehin bald hiebreif geworden wären, ergänzt Denneborg. Den Plan für eine der Region angemessenere Vegetation beschreibt er so: „Wir setzen vor allem Erlen nah am
Ufer, Eichen weiter davon weg und dazwischen Eschen.“Vor der Fällaktion waren Ökologen auf der Fläche unterwegs, haben die Bäume begutachtet und die fällbaren und zu erhaltenden bestimmt.
Für ein Forstprojekt sollte man die Operation Renaturierung aber nicht halten. Das aufwändige Unterfangen dient mehreren Zielen. Da zwei Wehre verschwinden und das Gefälle über die Strecke abgeflacht wird, verlangsamt sich die Fließgeschwindigkeit, was Krebsen, Köcherfliegenlarven und Muscheln bessere Entwicklungschancen bietet. Auch wenn es nur auf einem Abschnitt der Niers passiert, so ist es für Manheller ein Schritt, den Fluss Stück für Stück für die Ausbreitung von Arten „durchlässiger“zu machen.
Hinzu kommt der Hochwasserschutz. Der Fluss werde nach der Umgestaltung größere Regenmengen aus der Kanalisation aufnehmen, sagen die Experten des
Verbands: „Die NEW kann nach Abschluss der Gewässerumgestaltung Verbesserungen des Kanalnetzes durchführen und größere Regenwassermengen einleiten. Rückstauschäden im Rheydter Stadtgebiet werden dadurch deutlich verringert.“Der Bresgespark ist nach Ansicht von Manheller ein guter Bereich dafür. Denn der Fluss kann Wasser schon dort aufnehmen, wo es in dichter Bebauung anfällt und wo es ihm ein verrohrter Bach auch zuführt. Ein Teil des jetzt noch gerade laufenden Flussbettes wird verfüllt, ein anderer Abschnitt nicht, damit auch er bei überbordenden Pegeln Wasser aufnehmen kann.
Wenn alles so läuft wie geplant, soll der Niers das neue Bett Ende nächsten Jahres bereitet sein. Aber völlig sicher kann man sich da nicht sein. Starke Regenfälle haben in den vergangenen Wochen schon mal die Wasserbauer des Niersverbands und die auf dem Gelände manövrierenden Bagger vorübergehend gestoppt. Anfang Juni lief das schon ausgehobene neue Bett aus der überquellenden Niers voll. Pumpen mussten angeworfen werden, um die Fläche den Arbeitern wieder zugänglich zu machen.
Während sich der Starkregen vom 13. bis 15. Juli 2021 im Einzugsgebiet der Niers nach Angaben des Verbands über einen Zeitraum von 48 Stunden verteilte, währte er am 4. Juni wesentlich kürzer. In der Spitze fielen in Mönchengladbach rund 50 Millimeter Regen in knapp einer Stunde, so der Verband. Intensive Niederschläge innerhalb kurzer Zeit führten vor allem auf den versiegelten Flächen und in den Kanälen zu Problemen. Dies sei im Juni so gewesen: „Das Regenwasser floss von den versiegelten Flächen, wie zum Beispiel Hausdächer und Straßen, in die Kanalisation. Diese ist für die enormen Wassermengen nicht ausgelegt und kann das Wasser nicht
komplett ableiten. Es konnte nicht über die Kanäle abfließen und suchte sich seinen Weg über Straßen und angrenzende Flächen.“
In der vorigen Woche konnte ein großer Teil der Regenmenge in den vier Hochwasserrückhaltebecken in Mönchengladbach zurückgehalten werden. Erstmals wurde dabei auch das 2016 gebaute Hochwasserrückhaltebecken in Geneicken geflutet. „Indem der Wasserstand in der Niers unterhalb des Hochwasserrückhaltebeckens auf einem relativ niedrigen Niveau gehalten wurde, konnten die dort und weiter unterhalb einmündenden Regenwasserkanäle das Regenwasser problemlos in die Niers leiten. Somit wurden die städtischen Flächen in Giesenkirchen und Geneicken vor rückstauendem Regenwasser geschützt“, sagen die Experten des Verbands. Trotzdem sei es im weiteren Verlauf der Niers zu Hochwasser gekommen. Insgesamt sei der Fluss jedoch nicht „wesentlich“über die Ufer getreten. Überschwemmungen habe es hauptsächlich an einigen Uferwegen und unbebauten Flächen gegeben. Ab Freitag wurden die Hochwasserrückhaltebecken langsam wieder entleert.