Rheinische Post Viersen

400 Jahre Schützen — „Wir sind Dorf leben“

- VON PAUL OFFERMANNS

Vier Tage lang feiert die 130 Mitglieder starke St.-Petri-Bruderscha­ft Boisheim von diesem Donnerstag an ihr 400-jähriges Bestehen. Gegründet wurde sie 1622 zur Verteidigu­ng Boisheims. Doch vermutlich ist die Vereinigun­g noch älter.

BOISHEIM Die St.-Petri-Schützenbr­uderschaft Boisheim feiert von Donnerstag, 16. Juni, an bis einschließ­lich Sonntag, 20 Juni, „400 Jahre 1622–2022“unter dem Motto „Wir sind Dorfleben“auf dem neuen Festplatz am Pütterhöfe­r Weg. Jubiläumsk­önig der 130-Mitglieder-Bruderscha­ft ist Alexander Holthausen mit seinen Ministern Andreas Toerschen und Christian Gotzen sowie Königsadju­tant Thomas Inderfurth.

Eigentlich wollte dieses Königshaus schon 2020 feiern, aber wegen der Corona-Pandemie verlängert­e sich seine Amtszeit um zwei weitere Jahre. Es ist das zweite Mal, dass die Boisheimer Schützen ihren Drei-Jahres-Rhythmus verlassen. Zuletzt war das im Jahr 1987, als in Verbindung mit dem 500. Weihetag der Pfarrkirch­e St. Peter gefeiert wurde.

Zum runden Geburtstag brachte die St.-Petri-Bruderscha­ft Boisheim eine Festschrif­t im DIN-A4-Format auf 117 Seiten heraus mit der Geschichte von vor 400 Jahren bis heute, mit vielen Abbildunge­n. Es gibt einen fotografis­chen Rückblick auf die Schützenfe­ste der Jahre 1950 bis 2017. Ebenso interessan­t sind die aktuellen Schützenzü­ge mitsamt ihrer Entstehung­sgeschicht­e.

Eine frühe Tradition hatten in Boisheim die Kinderschü­tzenfeste. Die ersten gab es bereits Anfang des 19. Jahrhunder­ts. Das letzte fand vor dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1934 statt. Die größte bekannte Bruderscha­ftsveranst­altung war 1921 die Fahnenweih­e in Boisheim. Es wurden damals mehr als 40 Bruderscha­ften eingeladen, von denen 20 Bruderscha­ften am Festzug teilnahmen. In der Neuzeit entstand zu Fronleichn­am der Familienta­g das Oktoberfes­t.

Zu den Gratulante­n zum 400-jährigen Vereinsbes­tehen gehört auch Aachens Bischof Helmut Dieser: „Das ‚für Glaube, Sitte, Heimat‘ soll in ihrem Jubiläumsj­ahr zum Leuchten kommen. Dass es eben menschenfr­eundlich ist, lebensförd­erlich, Identität stiftet, Gemeinscha­ft stärkt und Menschen in gutem Geist zusammenwa­chsen lässt.“

Konkrete Informatio­nen zum Boisheimer Bruderscha­ftswesen gibt es ab dem 17. Jahrhunder­t im Pfarrarchi­v. Dort sind die Vermögensv­erhältniss­e einer Bruderscha­ft zu entnehmen. Teilweise sind auch die Namen der Brudermeis­ter vermerkt. In der Regel wurde zum Namenspatr­on

der Bruderscha­ft der Schutzheil­ige der Kirche oder Kapelle gewählt, in der die Bruderscha­ft gegründet wurde, wie das auch in Boisheim geschah. Im Bruderscha­ftsbuch der St.-Petri-Bruderscha­ft steht, dass sie ein Darlehen gewährt hatte. Ob die Bruderscha­ft zu diesem Zeitpunkt eine rein religiöse Bruderscha­ft war und wann es zum Übergang kam, von der rein kirchliche­n zur Schützenbr­uderschaft, lässt sich nicht mehr feststelle­n. Die Boisheimer gehen davon aus, dass ihre Bruderscha­ft bereits zwei Jahre früher als in ihrer Satzung erwähnt existierte, aber ein genaues Gründungsj­ahr lässt sich aufgrund von fehlenden Urkunden oder Bruderscha­ftsbüchern nicht nachweisen.

Das älteste erhaltene Königssilb­er ist von 1662 und das neueste kommt vom Jubiläumsk­önig 2022. Der erste König war Teise Francken 1662 und die Liste bis 2020 mit der bekannten Verlängeru­ng. Die Liste der 1. Brudermeis­ter ist nicht vollständi­g und beginnt im Jahr 1645 mit Hermann in der Burg und Rütten Theisen. Aktueller 1. Brudermeis­ter seit 2019 ist Manfred Wynands.

Der Ursprung der Bruderscha­ft geht auf Zeiten zurück, in denen die Bewohner einer Dorfgemein­schaft in Not und Gefahr aufeinande­r angewiesen waren und sie sich auf Basis des christlich­en Menschenbi­lds ohne Rücksicht auf Rang und Namen zusammenfa­nden. „Mir bleibt nur zu wünschen, dass sich die St.Petri-Schützenbr­uderschaft auch zukünftig von diesen Werten leiten lässt und immer die Kraft findet, notwendige Innovation­en anzugehen und dabei trotzdem die Traditione­n bewahre“, sagt Boisheims 1. Brudermeis­ter Manfred Wynands. „Dann kann unsere Bruderscha­ft auch die nächsten 100 Jahre werteverbu­nden, lebendig und dynamisch angehen.“

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FOTO: ARCHIV BRUDERSCHA­FT BOISHEIM 1890: König Arnold Looser mit seinem Offiziersc­orps. Nach dem Wiener Kongress erlebte das Schützenwe­sen eine Renaissanc­e.
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FOTO: BRUDERSCHA­FT FOTO: ARCHIV BRUDERSCHA­FT BOISHEIM König Josef Hammes beim Schützenum­zug im Jahr 1933 auf der Nettetaler Straße in Blickricht­ung Ortsausgan­g Dülken.
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Der neue Vorstand der Bruderscha­ft Boisheim (von links): Reinhard Kamps (2. Schriftfüh­rer), Daniel Massin (1. Schriftfüh­rer), Dieter Höfelmanns (2. Vorsitzend­er), Manfred Wynands (1. Brudermeis­ter), Karsten Mertens (1. Kassierer) und Alexander Holthausen (2. Kassierer und Jubiläumsk­önig).
 ?? FOTO: ARCHIV BRUDERSCHA­FT BOISHEIM ?? 1896: In Athen finden die ersten Olympische­n Spiele der Neuzeit statt, die Radioaktiv­ität wird entdeckt — und in Boisheim strahlt König Hubert Frankeser mit seiner Bruderscha­ft fürs Gruppenfot­o.
FOTO: ARCHIV BRUDERSCHA­FT BOISHEIM 1896: In Athen finden die ersten Olympische­n Spiele der Neuzeit statt, die Radioaktiv­ität wird entdeckt — und in Boisheim strahlt König Hubert Frankeser mit seiner Bruderscha­ft fürs Gruppenfot­o.

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