Rendezvous mit Marlene
Die Chansonsängerin und Tänzerin Ute Lemper entführte in der ausverkauften Viersener Festhalle in die Welt von Marlene Dietrich. Das Publikum war begeistert.
VIERSEN Wo hört Marlene Dietrich auf? Wo fängt Ute Lemper an? Das war jetzt in der Festhalle schwer zu sagen. Die in Münster geborene Musikerin Ute Lemper war, um den Text eines ihrer vorgetragenen Songs (falsch) zu zitieren, „von Kopf bis Fuß auf Marlene eingestellt“. Sie spielte ihr Programm „Rendezvous mit Marlene“.
Nicht im Hosenanzug trat Ute Lemper auf, den die 1901 geborene Marlene Dietrich gegen manche Widerstände gesellschaftsfähig machte. Und weswegen ihr in Frankreich eine Verhaftung drohte, wie man im Laufe des Abends erfuhr. Lemper trug erst ein schwarzes, dann ein gold-glitzerndes Abendkleid. Wenn sie aber dann den schwarzen Hut aufsetzte, die Zigarette ansteckte und ins Mikrofon sang, verschmolzen Lemper und die Ikone Dietrich. Im Mittelpunkt auf der Bühne standen ein Kleiderständer, ein alter Sessel und das Telefontischchen mit Telefon. Im Hintergrund liefen schwarzweiße Filmszenen, die Marlene Dietrich, aber auch die Berliner Trümmerfrauen zeigten.
„Rendezvous mit Marlene“basiert, so erzählte Lemper ihrem Publikum, auf einer Geschichte, die wirklich stattgefunden habe. Mit dem Satz „Ute, ich bin’s, Marlene“– den Ute Lemper zunächst für einen Scherz hielt – fing alles an: 1987 spielte Ute Lemper im Pariser Theater Mogador die Sally Bowles in „Cabaret“und wurde von der Presse hoch gelobt. In Rezensionen verglich man sie mit Marlene Dietrich. Ute Lemper empfand diesen Vergleich als unangemessen und hatte das Bedürfnis, dies der Dietrich, die damals bereits 86 Jahre alt war, schriftlich mitzuteilen. Was folgte, war eine Überraschung: Marlene Dietrich rief Lemper an. Das Telefonat dauerte drei Stunden, in denen Dietrich aus ihrem Leben erzählte.
Mehr als 30 Jahre später, so Lemper, sei die Zeit reif gewesen, aus diesem Monolog und Erzählungen über
Marlene Dietrich von Freunden, allen voran den Erinnerungen von Billy Wilder, ein Bühnenprogramm zu machen. Die Dietrich wurde in allen ihren Facetten beleuchtet. Die bis heute bekannte Musik, der Glamour, die Liebhaber und Liebhaberinnen, die zwiespältige Haltung zu Deutschland, die Abkehr von ihrer Heimat wegen des Nationalsozialismus, die Einsamkeit und Melancholie, die Entfremdung von der einzigen Tochter Marie, deren Buch über die Mutter auf Drängen von Dietrich erst nach ihrem Tod erscheinen durfte, der Hang zum Alkohol und Tabletten – alles hatte seinen Platz in dieser Geschichte. Das Fazit: eine tiefe Melancholie. Die Traurigkeit einer alten, einsam gewordenen Diva.
Ute Lemper schlüpfte geschmeidig in die Rolle der 86-jährigen Marlene Dietrich, sprach mit alterstypisch leicht verwaschener Stimme, bewegte sich langsam über die Bühne. Und immer wieder flankierte die Sängerin mit ihrer gewaltigen, variantenreichen Stimme die Erzählungen und Erinnerungen mit den berühmt gewordenen Liedern,
die Dietrich gesungen hat und die eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielten: „Just a gigolo“, „One for my baby“und „Wenn ich mir was wünschen dürfte“waren ebenso darunter wie „Ich bin die fesche Lola“oder „Lili Marleen“und das Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“. Viele Lieder sang Lemper auf Englisch, Deutsch, Französisch – und gab so ein Bild der Multinationalität von Marlene Dietrich. Dabei wurde Ute Lemper bestens von ihrem Ensemble begleitet: Cyril Garac, Violine, Vana Gierig, Piano, Guiseppe Bassi am Bass und dem Schlagzeuger Matthias Daneck.
Ute Lemper ist die Geschichte um Marlene Dietrich wichtig: Sie möchte mit ihrem Programm zeigen, wie sehr Dietrich ihrer Zeit voraus war, wie modern, wenn sie, wie Lemper sagt, die Genderfrage stellte, bevor das Gendern bekannt wurde, die ihre Bisexualität und Polygamie lebte. Wichtig ist Lemper auch, Marlene Dietrich, die immer mit Deutschland haderte, aber dort beerdigt werden wollte, zurück nach Deutschland zu bringen.
Das Publikum in der ausverkauften Festhalle war begeistert. Anerkennende Pfiffe und lang anhaltender Applaus für einen gelungenen Theaterabend.