Sind Viersens Finanzen noch zu retten?
Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat den Haushalt 2024 verabschiedet. Steuern werden nicht erhöht, die Geschwisterkind-Regelung bleibt – aber auch die Sorge, wie es weitergehen soll.
Mit den Stimmen von CDU, SPD und Bündnis90/Die Grünen hat der Viersener Stadtrat am Dienstagabend den Haushalt 2024 verabschiedet. Die AfD enthielt sich. Die Fraktion „Grüne im Rat der Stadt Viersen“und die FDP stimmten dagegen. Kernpunkte des Haushalts: Es gibt keine Steuererhöhungen, die von der Verwaltung vorgeschlagene Veränderung bei der Geschwisterkindregelung kommt nur in einem kleinen Teilbereich; im Regelfall brauchen Eltern für die Betreuung von Geschwisterkindern in Kita und OGS auch weiterhin nichts zu bezahlen. Die aktuelle Spielzeit im Kulturbereich wird nicht gekürzt. Und: Die Stadt investiert mehr als 20 Millionen Euro, das Gros davon in den Ausbau von Schulen. Um das zu stemmen, ohne signifikant Leistungen zu streichen oder Steuern zu erhöhen, greift die Stadt Viersen tief in die Rücklagen: Das Minus liegt bei mehr als zehn Millionen Euro. Dieses Kunststück lässt sich nicht mehr oft wiederholen. Spätestens 2027 ist sie nach aktueller Prognose aufgebraucht.
„Der Haushaltsentwurf führt zwangsläufig in der mittelfristigen
Finanzplanung zu Steuererhöhungen“, kritisierte Stefan Feiter (FDP). „Wir erkennen weder bei den großen Fraktionen noch bei der Bürgermeisterin den Willen, zu konsolidieren.“Und auch Angelique Vootz (Grüne im Rat der Stadt Viersen) mahnte: „Ein ,Weiter so’ kann es nicht geben.“Es dürfe auf absehbare Zeit keine Steuererhöhungen geben, die den Menschen noch weniger Spielraum ließen.
Genau die aber sind, als letztes Mittel, vorgesehen: Im Jahr 2026 lasse sich der Haushaltsausgleich nur noch durch eine Erhöhung der Grundsteuer bewerkstelligen, teilte die Verwaltung mit. Andere Kommunen sind da schon einen Schritt weiter als Viersen: In Grefrath soll schon in diesem Jahr die Grundsteuer ansteigen.
Die großen Fraktionen verteidigten ihr Ja zum Haushalt. „Ursprünglich
lag das Defizit ungefähr auf der doppelten Summe dessen, was wir heute diskutieren“, sagte Stephan Seidel (CDU). In einer „vorbildlichen Fleißarbeit“habe die Verwaltung die Haushaltspositionen durchkämmt und versucht, Mittel zu streichen, „wo immer es möglich war“. Die CDU stehe dazu, dass sie die von der Verwaltung vorgeschlagene Entlastung des Haushalts im siebenstelligen Bereich durch eine neue Struktur der Elternbeiträge ablehnte. „Es ist für uns unumstritten, dass Familien in den aktuellen Zeiten von Inflation aber auch in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute schon den großen Brocken in unserer Gesellschaft stemmen.“Wichtig sei allerdings, auch bezahlbare Baugrundstücke anzubieten. Hier sei die GMG in der Pflicht.
Manuel García Limia (SPD) verdeutlichte, wie gering die Spielräume für die Politik seien: „97 Prozent des Haushaltes sind fremdbestimmt!“Und auch die IHK habe der Stadt Viersen eine solide Haushaltspolitik attestiert. Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen werde es mit der SPD nicht geben. „Sie machen den
Charakter einer Stadt aus.“Selbst wenn die Stadt diese 8,6 Millionen Euro für freiwillige Leistungen komplett streichen würde – „die strukturellen Probleme des Haushaltes lassen sich damit nicht lösen“, so García Limia.
Auch Bündnis90 / Die Grünen stimmten dem Haushalt zu. „Nicht, weil wir ihn in allen einzelnen Punkten befürworten“, sagte Fraktionssprecherin Maja Roth-Schmidt. So scheiterten die Bündnisgrünen auch im Rat mit ihrem Antrag, den Bau der knapp 300.000 Euro teuren Friedhofsbrücke Süchteln zu stoppen. „In seiner Gesamtheit und in seiner Summe“aber könnten die Grünen den Haushalt mittragen, betonte Roth-Schmidt.
Sicher ist: Der nächste Haushalt wird schwieriger zu stemmen sein. Die corona- und kriegsbedingten Kosten dürfen nicht länger aus dem Haushalt ausgeklammert werden und müssen, mindestens anteilig, zurückgezahlt werden. Und 2025 sind Kommunalwahlen. Erfahrungsgemäß tun sich Parteien schwer, den Wählern vor Wahlen Belastungen zuzumuten.