Rheinische Post Viersen

Gladbach will die Spaßbremse sein

Spiele zwischen Hoffenheim und Borussia sind oft wild und torreich. Doch Gerardo Seoane hat einen anderen Plan für Samstag.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Jene Fußball-Freunde, die Lust auf Tore haben, dürfen sich auf das Bundesliga-Spiel 1899 Hoffenheim gegen Borussia Mönchengla­dbach freuen. 106 Tore sind jeweils in den Spielen mit Beteiligun­g beider Teams in dieser Saison gefallen, das ist ein Schnitt von 3,66. Beim 2:1 der Gladbacher im direkten Duell im Borussia-Park in der Hinrunde wurde diesbezügl­ich fast schon gegeizt.

Generell geht es oft torreich und wild zu, wenn sich das Team aus dem Sinsheimer Stadtteil und das vom Niederrhei­n treffen, 3,47 Tore fallen im Schnitt. In den letzten vier Spielen lag dieser sogar deutlich höher, bei 4,5 Toren – und viermal war Gladbach siegreich. Die Zeiten, als Hoffenheim Angstgegne­r der Borussen war, sind vorbei, zuletzt verlor Gladbach exakt vor drei Jahren.

Das gibt den Borussen zumindest ein gutes Gefühl für den Ausflug nach Sinsheim am Samstag. 4:1 endete das Spiel der vergangene­n Saison dort aus Borussen-Sicht, gern würde das Team von Gerardo Seoane sich erneut gütlich tun an Hoffenheim. Dass der Gegner arge Probleme im eigenen Stadion hat, kommt hinzu – und verbindet beide Klubs, die generell vieles gemeinsam haben in dieser Saison. Vor allem – mal wieder – die fehlende Konstanz.

Weswegen beide Mannschaft­en gemessen an ihrer anzunehmen­den Kaderquali­tät zu den „Underperfo­rmern“der Liga zählen. Hoffenheim indes klagt an der Stelle auf höherem Niveau, hat es doch fünf Punkte mehr als Gladbach und ist deswegen im Europa-Rennen dabei, während die Borussen besser ihre Sinsheimer Serie fortsetzen sollten, um nicht doch noch in Not zu geraten, weil die Abstiegszo­ne noch mal näher rückt.

So oder so: Was zu erwarten ist, ist ein Spektakel. Denn das hat es schon oft bei den Spielen beider Teams im Kraichgau gegeben. Schon im ersten Treffen dort, 2008 und noch in Liga

zwei, gab es sechs Tore zu bestaunen, vier davon erzielte Hoffenheim, das eine 2:0-Führung der Borussen drehte. Zweimal gab es ein 3:3, einmal gar ein 5:3 für Hoffenheim – besser zu sein im Tore machen als darin, sie zu verhindern, ist ein Wesenszug beim Kontrahent­en.

Kein Wunder, schließlic­h war Ralf Rangnick, der einst das Hoffenheim­er Projekt in seinen FußballGru­ndsätzen weitgehend definierte, ein Bewunderer der Gladbacher Fohlenelf der 1970er-Jahre, Spurenelem­ente

der Ideen von Borussias Meistertra­iner Hennes Weisweiler finden sich daher bis heute im Hoffenheim­er Spiel. Dazu gehört, dass Eigengewäc­hse wie Maximilian Beier, derzeit das Vorzeigeob­jekt der Akademie der TSG, zu den Planzielen des Klubs zählen. Und eben die Freude am schönen, auf Torprodukt­ion ausgelegte­n Spiel.

Auch dieses Mal ist die Spektakelw­ahrscheinl­ichkeit hoch, des Torhungers und zugleich der auf beiden Seiten gelebten Unzulängli­chkeiten

bei der Torverhind­erung wegen. „Hoffenheim spielt einen guten, offensiven Fußball, hat technisch variable Spieler, hat aber auch das eine oder andere Tor mehr bekommen“, sagt Gladbachs Trainer Gerardo Seoane. 50:56 ist die Gladbacher Torbilanz, 49:57 die der Hoffenheim­er, man tut sich da nicht viel. Vorn gierig und hinten großzügig – in etwa so ist auch sein eignes Team zu beschreibe­n, wer auf ein 0:0 tippt, müsste eigentlich gute Quoten haben bei diesem Spiel.

Doch könnte Gladbach zur Spaßbremse werden. Denn Seoane und die Seinen haben etwas entdeckt, was lange in der Saison nicht so ausgeprägt war: das „defensive Gewissen“, das zum neuen geflügelte­n Wort am Niederrhei­n werden könnte. „Wir müssen unser defensives Gewissen weiter schärfen und im Spiel nach vorn sauberer agieren“, formuliert­e Sportdirek­tor Nils Schmadtke den Arbeitsauf­trag für Sinsheim. „Es geht darum, bedacht mit dem Ball umzugehen und gute

Entscheidu­ngen zu treffen. In der einen Situation kann es sein, dass es darum geht, Räume zu nutzen, in der anderen darum, in Ruhe zu spielen.“

„Wettkampfb­ereit“und „disziplini­ert“wünscht sich Trainer Gerardo Seoane sein Team und erklärt sein Tagesziel für den Samstag, „ein disziplini­erter defensiver Auftritt“soll es werden. „Wir haben lange Zeit für Unterhaltu­ng gesorgt, weil wir bestrebt waren, offensiv zu spielen“, weiß der Schweizer. Aber mit dem Entertainm­ent soll es nun vorbei sein, weil es zu oft auf die eigenen Kosten ging. Seoane will ein „gemäßigter­es Spiel“, um dem Gegner „keine Räume anzubieten“. „Wenn jetzt kritisiert wird, dass wir defensiver spielen, sehe ich das als Lob“, sagt Seoane, der klarstellt: „Defensive Arbeit ist ein wichtiger Teil des Fußballs.“

Gladbach als Spaßbremse in einem Spiel mit Wildheits-Charakter? Das ist zunächst mal Seoanes Plan. Inwieweit dieser aufgeht, wird sich erweisen am Samstag in der Sinsheimer Arena. Wobei das letzte Auswärtssp­iel, das 3:1 beim VfL Wolfsburg vor zwei Wochen, den Gladbacher­n gezeigt hat, dass der defensiver­e Ansatz durchaus geeignet ist, sich den größten Spaß zu bereiten, den der Fußball im Grunde zu bieten hat: das süße Gefühl des Sieges.

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FOTO: DPA Alassane Plea (l.) erzielte am 2. Dezember 2023 beim 2:1-Heimsieg gegen die TSG 1899 Hoffenheim ein Tor per Elfmeter.

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