Gladbach will die Spaßbremse sein
Spiele zwischen Hoffenheim und Borussia sind oft wild und torreich. Doch Gerardo Seoane hat einen anderen Plan für Samstag.
Jene Fußball-Freunde, die Lust auf Tore haben, dürfen sich auf das Bundesliga-Spiel 1899 Hoffenheim gegen Borussia Mönchengladbach freuen. 106 Tore sind jeweils in den Spielen mit Beteiligung beider Teams in dieser Saison gefallen, das ist ein Schnitt von 3,66. Beim 2:1 der Gladbacher im direkten Duell im Borussia-Park in der Hinrunde wurde diesbezüglich fast schon gegeizt.
Generell geht es oft torreich und wild zu, wenn sich das Team aus dem Sinsheimer Stadtteil und das vom Niederrhein treffen, 3,47 Tore fallen im Schnitt. In den letzten vier Spielen lag dieser sogar deutlich höher, bei 4,5 Toren – und viermal war Gladbach siegreich. Die Zeiten, als Hoffenheim Angstgegner der Borussen war, sind vorbei, zuletzt verlor Gladbach exakt vor drei Jahren.
Das gibt den Borussen zumindest ein gutes Gefühl für den Ausflug nach Sinsheim am Samstag. 4:1 endete das Spiel der vergangenen Saison dort aus Borussen-Sicht, gern würde das Team von Gerardo Seoane sich erneut gütlich tun an Hoffenheim. Dass der Gegner arge Probleme im eigenen Stadion hat, kommt hinzu – und verbindet beide Klubs, die generell vieles gemeinsam haben in dieser Saison. Vor allem – mal wieder – die fehlende Konstanz.
Weswegen beide Mannschaften gemessen an ihrer anzunehmenden Kaderqualität zu den „Underperformern“der Liga zählen. Hoffenheim indes klagt an der Stelle auf höherem Niveau, hat es doch fünf Punkte mehr als Gladbach und ist deswegen im Europa-Rennen dabei, während die Borussen besser ihre Sinsheimer Serie fortsetzen sollten, um nicht doch noch in Not zu geraten, weil die Abstiegszone noch mal näher rückt.
So oder so: Was zu erwarten ist, ist ein Spektakel. Denn das hat es schon oft bei den Spielen beider Teams im Kraichgau gegeben. Schon im ersten Treffen dort, 2008 und noch in Liga
zwei, gab es sechs Tore zu bestaunen, vier davon erzielte Hoffenheim, das eine 2:0-Führung der Borussen drehte. Zweimal gab es ein 3:3, einmal gar ein 5:3 für Hoffenheim – besser zu sein im Tore machen als darin, sie zu verhindern, ist ein Wesenszug beim Kontrahenten.
Kein Wunder, schließlich war Ralf Rangnick, der einst das Hoffenheimer Projekt in seinen FußballGrundsätzen weitgehend definierte, ein Bewunderer der Gladbacher Fohlenelf der 1970er-Jahre, Spurenelemente
der Ideen von Borussias Meistertrainer Hennes Weisweiler finden sich daher bis heute im Hoffenheimer Spiel. Dazu gehört, dass Eigengewächse wie Maximilian Beier, derzeit das Vorzeigeobjekt der Akademie der TSG, zu den Planzielen des Klubs zählen. Und eben die Freude am schönen, auf Torproduktion ausgelegten Spiel.
Auch dieses Mal ist die Spektakelwahrscheinlichkeit hoch, des Torhungers und zugleich der auf beiden Seiten gelebten Unzulänglichkeiten
bei der Torverhinderung wegen. „Hoffenheim spielt einen guten, offensiven Fußball, hat technisch variable Spieler, hat aber auch das eine oder andere Tor mehr bekommen“, sagt Gladbachs Trainer Gerardo Seoane. 50:56 ist die Gladbacher Torbilanz, 49:57 die der Hoffenheimer, man tut sich da nicht viel. Vorn gierig und hinten großzügig – in etwa so ist auch sein eignes Team zu beschreiben, wer auf ein 0:0 tippt, müsste eigentlich gute Quoten haben bei diesem Spiel.
Doch könnte Gladbach zur Spaßbremse werden. Denn Seoane und die Seinen haben etwas entdeckt, was lange in der Saison nicht so ausgeprägt war: das „defensive Gewissen“, das zum neuen geflügelten Wort am Niederrhein werden könnte. „Wir müssen unser defensives Gewissen weiter schärfen und im Spiel nach vorn sauberer agieren“, formulierte Sportdirektor Nils Schmadtke den Arbeitsauftrag für Sinsheim. „Es geht darum, bedacht mit dem Ball umzugehen und gute
Entscheidungen zu treffen. In der einen Situation kann es sein, dass es darum geht, Räume zu nutzen, in der anderen darum, in Ruhe zu spielen.“
„Wettkampfbereit“und „diszipliniert“wünscht sich Trainer Gerardo Seoane sein Team und erklärt sein Tagesziel für den Samstag, „ein disziplinierter defensiver Auftritt“soll es werden. „Wir haben lange Zeit für Unterhaltung gesorgt, weil wir bestrebt waren, offensiv zu spielen“, weiß der Schweizer. Aber mit dem Entertainment soll es nun vorbei sein, weil es zu oft auf die eigenen Kosten ging. Seoane will ein „gemäßigteres Spiel“, um dem Gegner „keine Räume anzubieten“. „Wenn jetzt kritisiert wird, dass wir defensiver spielen, sehe ich das als Lob“, sagt Seoane, der klarstellt: „Defensive Arbeit ist ein wichtiger Teil des Fußballs.“
Gladbach als Spaßbremse in einem Spiel mit Wildheits-Charakter? Das ist zunächst mal Seoanes Plan. Inwieweit dieser aufgeht, wird sich erweisen am Samstag in der Sinsheimer Arena. Wobei das letzte Auswärtsspiel, das 3:1 beim VfL Wolfsburg vor zwei Wochen, den Gladbachern gezeigt hat, dass der defensivere Ansatz durchaus geeignet ist, sich den größten Spaß zu bereiten, den der Fußball im Grunde zu bieten hat: das süße Gefühl des Sieges.