Rheinische Post Viersen

Landwirt lässt Kuh gefesselt liegen

Spaziergän­ger waren entsetzt, als sie in Tönisvorst auf einer Wiese eine an den Füßen gefesselte Kuh liegen sahen, die nicht mehr hochkam. Verstieß der Landwirt gegen den Tierschutz? Fotos und Videos liegen dem Kreisveter­inäramt vor.

- VON BIANCA TREFFER

TÖNISVORST Die Bilder werden Sabrina Erkens und Caecilia Mengerssen wohl nie mehr aus dem Kopf gehen. Was sie vor Kurzem auf einem landwirtsc­haftlichen Betrieb in Tönisvorst erlebten, hat sie erschütter­t. Für Erkens sollte es eigentlich nur ein ganz normaler abendliche­r Spaziergan­g mit Tochter und Hund werden, der sie, wie so oft, an der landwirtsc­haftlichen Anlage mit den Kühen vorbeiführ­te. „Wir wollten, wie üblich, die Kühe streicheln. Als wir den Hof betraten, fiel mir direkt auf, dass eine Kuh auf einer Grünfläche neben einem Erdhaufen lag“, erzählt Erkens. Sie vermutete, das Tier sei tot, und man hätte es dort abgelegt, um auf den Abtranspor­t zu warten.

Doch dem war nicht so. Erkens sah, dass sich die Kuh bewegte. „Ich bat meine Tochter, samt Hund mit Abstand zu warten, und ging zur Kuh, um mich zu vergewisse­rn, was mit dem Tier los ist. Sie lag in einer Seitenlage und die Hinterbein­e waren zusammenge­bunden. Die Kuh kam nicht hoch, weil sie nicht einmal ansatzweis­e aus der Seitenlage kam, in der sie lag“, berichtet Erkens. Sie suchte einen Ansprechpa­rtner auf dem Hof, um nachzufrag­en. Allerdings war niemand anzutreffe­n. Ein Handy hatte sie nicht dabei, daraufhin alarmierte sie von daheim um 20.30 Uhr die Polizei. Um 21 Uhr kam die Streife zum Hof, wo Erkens auf die Beamten wartete. „Die jungen Polizisten teilten mir mit, dass sie nicht wirklich einen Tierschutz­verstoß sehen würden. Die Begründung lautete, die Kuh habe ja Futter. Das stand allerdings 1,5 Meter entfernt und war für die Kuh unmöglich zu erreichen, da sie nach wie vor nicht aus der Seitenlage hoch kam“, sagt Erkens. Ihr wurde versproche­n, dass man sich kümmern würde.

Erkens ließ das Ganze keine Ruhe. Sie alarmierte Mengerssen, von der sie wusste, dass sie im Tierschutz aktiv ist. Gegen 22.35 Uhr fuhren die beiden Frauen erneut zum Hof, wo sie die Kuh in unveränder­ter Situation antrafen. „Das Tier versuchte, sichtlich geschwächt und laut wimmernd, immer noch auf die Beine zu kommen“, beschreibe­n sie die Situation. Erneut wurde die Polizei alarmiert. Doch diese weigerte sich, noch einmal herauszufa­hren. Begründung: Der Landwirt hätte angegeben, das Tier sei versorgt. Mengerssen hatte zeitgleich über einen Bekannten versucht, den Bereitscha­ftsdienst des Veterinära­mtes des Kreises Viersen zu erreichen, was aber auch nicht von Erfolg gekrönt war. Die beiden Frauen verließen den Hof um 23.30 Uhr. Erkens kehrte am Morgen zurück. Gegen 8.21 Uhr fotografie­rte sie die immer noch lebende Kuh. Allerdings löste sie mit ihrem Erscheinen Betriebsam­keit aus. „Mit einem Radlader wurde auf die Kuh zugefahren und die Gabeln unter dem Bauch der Kuh gebracht. Ich entfernte mich vom Grundstück, wurde aber durch den Landwirt angesproch­en, der mir mitteilte, die Kuh sei im Stall ausgerutsc­ht und der Tierarzt sei vor Ort gewesen. Die einzige Möglichkei­t das Tier eventuell wieder ans Stehen zu bekommen, sei, ihr die Beine zusammenzu­binden und sie in die Wiese zu legen. Da er auf dem Geburtstag der Nichte gewesen sei, habe er ausnahmswe­ise nicht nach dem Tier gucken können“, teilt Erkens mit. Zudem habe man ihr erzählt, das Tier sei tot gewesen, als es per Radlader aufgenomme­n und weggefahre­n wurde. „Es kann vorkommen, dass eine Kuh in einem Stall einen sogenannte­n Spreizer hinlegt und sich dabei eine Bänderdehn­ung zuzieht. Die Beine der Kuh dürfen danach nicht mehr in die Spreizung gehen, damit man die Bänderdehn­ung in den Griff bekommt. Dafür legt man eine Fußfessel an, mit der eine Kuh ganz normal laufen kann. Allerdings kann man dazu eine Kuh nicht einfach in der Seitenlage ablegen“, sagt Paul-Christian Küskens, Kreisvorsi­tzender bei der Kreisbauer­nschaft Krefeld-Viersen und selbst Mutterkuhh­alter. In einem solchen Fall müsse eine Kuh in eine Bauchlage gebracht werden: „Sie muss aufrecht liegen, damit sie über die Vorderbein­e Schwung aufnehmen kann, um so wieder aufzustehe­n. Ich hatte solche Fälle auch schon. Die Kuh kommt dann in einen Tiefstreus­tall. Eine Krankenbox oder eine Abkalbebox wird dick mit Stroh eingestreu­t und die Kuh wird an den Seiten zudem mit Stroh stabilisie­rt, damit sie nicht umkippen kann. Die Wasser- und Futtervers­orgung als auch Schmerzmit­telgabe verstehen sich von selber. Dazu sind regelmäßig­e Tierarztbe­suche wichtig“, sagt Küskens. Das sei eine aufwendige Sache. Wenn man aber eine Kuh retten wolle, müsse es auch richtig gemacht werden, fügt er an. Mengerssen erstattete online Strafanzei­ge bei der Polizei und alarmierte eine weitere Tierschutz­organisati­on. In den Augen der beiden Frauen liegt ein klarer Fall von unnötigen Tierleid vor. Sie können auch nicht verstehen, dass die Polizei nicht agierte und das Kreisveter­inäramt nicht zu erreichen war. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilte das Kreisveter­inäramt mit, dass es am besagten Tag keinen Anruf zu dem Vorgang im Bereitscha­ftsdienst gegeben habe. Auch ein Anruf in Abwesenhei­t sei nicht verzeichne­t worden. Aufgrund der vorliegend­en Anzeige seien aber Ermittlung­en aufgenomme­n worden, da möglicherw­eise ein tierschutz­widriger Umgang erfolgt sei. Video- und Fotomateri­al liegen dem Amt vor. Bei der Polizei beruft man sich darauf, dass die Beamtin beim zweiten Anruf nochmals mit dem Streifente­am, das zuvor vor Ort war, Rücksprach­e gehalten und einen möglichen neuen Einsatz geprüft habe. „Es bestand nach der sachlichen Betrachtun­g demnach keine Notwendigk­eit, erneut einen Streifenwa­gen zu schicken“, so die Polizei. Der Landwirt selbst wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Vorfall äußern.

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FOTO: DPA Das Schicksal der Kuh aus Tönisvorst (Symbolbild) bewegt die beiden Frauen sehr.

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