Mit polierter Fassade
Ruanda inszeniert sich nach dem Deal mit Großbritannien als sicherer Staat für Asylbewerber. Dabei ist die Kritik selbst im Partnerland groß.
KIGALI/KAPSTADT In Ruanda werten sie das vor wenigen Tagen in Großbritannien beschlossene Abschiebegesetz für Asylbewerber wenig überraschend als Gütesiegel. Man habe es ja immer gewusst, triumphierte in Kigali die Regierungssprecherin Yolande Makolo. Ihr Land habe „über die vergangenen 30 Jahre hart daran gearbeitet, Ruanda zu einem sicheren Land zu machen“. Das gelte für Ruander und Nicht-Ruander.
Das ostafrikanische Land, 1994 nach dem Genozid an 800.000 Tutsi noch in Trümmern, lässt keine Gelegenheit aus, sich als Erfolgsgeschichte zu präsentieren, wirbt auf den Trikots der Fußballvereine Bayern München und Arsenal London um Touristen. Die Nation mit ihrem beachtlichen Wirtschaftswachstum (rund sieben Prozent) versteht sich als ein Wortführer in Afrika, trotz ihrer mit nur 14 Millionen Einwohnern vergleichsweise geringen Größe. Dabei handelt es sich um ein Land mit umstrittenen Einnahmequellen. Immer wieder gibt es Vorwürfe von Bürgerrechtsorganisationen, dass sich Ruanda unrechtmäßig an den Rohstoffen des Kongo bereichert. Doch der „besorgniserregende globale Präzedenzfall“, den UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grand ausmachte, ist die nun immer wahrscheinlicher werdende Abschiebung von Asylbewerbern aus Großbritannien nach Ruanda womöglich gar nicht. Zwischen den Jahren 2014 und 2017 schickte Israel Flüchtlinge und Migranten „in sichere Länder“. Medienberichten zufolge handelte es sich damals ebenfalls um Ruanda sowie Uganda. Ruanda dementierte die Berichte damals.
Im aktuellen Fall lässt sich Ruanda seinen Deal mit Großbritannien ganz offiziell bezahlen: mit mindestens 370 Millionen Pfund (430 Millionen Euro). Die Vereinbarung, die als Entwicklungsabkommen verpackt und als Abschreckung gegen ungewollte Migration gedacht ist, kostet also eine beträchtliche Summe. Über die reine Unterbringung hinaus sieht der Plan vor, auch „Möglichkeiten für Ruander und Migranten“zu schaffen. Dies umfasst Berufs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Sprachunterricht sowie Hochschulbildung.
Doch das ostafrikanische Land wird immer wieder und zu Recht für Menschenrechtsverletzungen kritisiert, auch von britischen Gerichten, Politikern und Diplomaten. Viele Vorwürfe beziehen sich auf Übergriffe gegen Kritiker von Präsident Paul Kagame, der das Land seit fast einem Vierteljahrhundert autokratisch regiert. Inzwischen unterstützt er zudem wieder einmal umfangreich die Rebellenbewegung „M23“im Osten des Nachbarlandes Kongo – und das mit zunehmend dreister Offenheit.
In Kinshasa ist die Wut groß, weil sich der Westen mit Druck auf Kagame eher zurückhält. Auch mit Südafrika sind Ruandas Beziehungen angespannt, weil bei dem Konflikt im Kongo zuletzt zwei südafrikanische Soldaten einer Friedensmission getötet wurden. Und weil in Südafrika im Laufe der Jahre mehrere ruandische Regierungsgegner unter rätselhaften Umständen ermordet wurden.
Entsprechend macht sich Großbritanniens Regierung auf weitere rechtliche Hürden gefasst. Ruanda hat sich seine Reputation als Zufluchtsstätte sorgsam aufgebaut. Rund 130.000 Flüchtlinge leben bereits heute dort. Im September 2019 wurde zudem ein Transitzentrum für Migranten und Flüchtlinge eingerichtet, die aus Libyen evakuiert wurden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk lobte damals das „großzügige Ruanda“.
Asylsuchende, die nach Ruanda geschickt werden, sollen den Vereinbarungen zufolge den dortigen Asylbestimmungen unterliegen. Sie würden sich also nicht dem UK-Asylprozess von Ruanda aus unterziehen und hätten rechtlich zumindest im Rahmen dieses Verfahrens keine Möglichkeit, auf die Insel zurückzukehren.
Sollte ihr Asylgesuch in Ruanda Erfolg haben, dann hätten sie die Option, sich dort niederzulassen. Doch damit rechnen nur wenige.