Frankfurter Schablone
2017 hat die Eintracht in Bundesliga und Europa zum Überholmanöver angesetzt. In einigen Punkten kann sie Borussia Mönchengladbach daher als Vorbild dienen.
Was Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt gemeinsam haben: Beide Klubs, die am Samstag (15.30 Uhr, Borussia-Park) aufeinandertreffen, spielen eine Saison, mit der sie nicht zufrieden sein können. Nicht mit dem Fußball, der unter dem jeweils neuen Trainer – hier Gerardo Seoane, da Dino Toppmöller – gespielt wird, nicht mit der Tabellensituation. Beide profitierten eher von der Schwäche der Gegner als von der einen Stärke. Mithin: Die Frankfurter klagen auf höherem Niveau, sie haben aufgrund des Einzugs von Borussia Dortmund ins Champions-League-Finale sogar noch die Chance, nächste Saison in der Königsklasse dabei zu sein. Gladbach hingegen ist mit zwölf Punkten weniger unterwegs und könnte noch in die Relegation abgleiten.
Aktuell sind die Frankfurter da, wo Gladbach bis vor drei Jahren selbst war: an der Schwelle zu Europa und mit tollen Erlebnissen bei den kontinentalen Touren. Zwar stand die Eintracht seit der Relegationsrettung am Ende nur zweimal unter den besten Sechs, doch hatte sie seit 2016 stets eine ordentliche Distanz zur Abstiegszone und holte zwei Titel: 2018 gewann die Eintracht den DFB-Pokal und 2022 die Europa League. Das Überholmanöver der Eintracht begann 2017 mit dem Sieg im Pokal-Halbfinale im Borussia-Park, in den Jahren zuvor war
Gladbach im Vergleich klar vorn. Nicht nur deswegen gibt es einige Punkte, bei denen sich Gladbach etwas von Frankfurt abschauen kann, nicht um zu kopieren, sondern um zu profitieren.
Personal Die Eintracht hat sich durch gute Leihen über die Jahre sinnvoll verstärkt, dabei wurden keine Ergänzungsspieler geholt, sondern Signature-Spieler wie Rebic, Jovic, Kostic, Trapp, Hinteregger, Rode, Silva oder Dina Ebimbe, die teilweise von internationalen Topklubs wie Benfica Lissabon, dem AC Mailand oder Paris Saint-Germain kamen. „Leihen können kurzfristig Qualitätsdefizite überbrücken und dir gute Spieler ermöglichen, die sonst nicht finanzierbar wären. Mit der Qualität erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg, und Erfolg eröffnet andere wirtschaftliche Möglichkeiten“, sagt Gladbachs Manager Roland Virkus.
Euphorie Die Eintracht wurde getragen von der Euphorie, die sie selbst entfachte und an der sie sich dann berauschte. Und dann kam hinzu, was es so in Gladbach nicht gibt, aber die Möglichkeiten doch deutlich verbesserte: „Die Stadt Frankfurt als Finanzmetropole gibt dem Klub ganz andere Möglichkeiten. Und dazu hat die Eintracht Titel geholt – solche Erfolge beschleunigen natürlich eine Entwicklung“, sagt Virkus. Sollte jetzt noch das nächste Champions-Geld dazukommen, ist das der nächste Triumph der Frankfurter – die zudem noch große Teile des Kolo-Muani-Transfer-Erlöses in der Rückhand haben.
Strategie Generell hatten die Frankfurter in den vergangenen Jahren immer wieder bemerkenswerte Transfereinnahmen. Ob Leihspieler oder zum richtigen Zeitpunkt gekaufte Spieler – im Erfolg wuchsen die Marktwerte. Siehe André Silva, der für drei Millionen Euro kam und 23 Millionen einbrachte. Jesper Lindström kostete sieben Millionen Euro und ging für 30 Millionen. Randal Kolo Muani wurde binnen einer Saison vom ablösefreien zum 95-Millionen-Euro-Mann.
Ein gutes Gespür dafür zu haben, Spieler zu finden, die bereit für den nächsten Schritt sind, und sie dann auch zum richtigen Moment wieder abzugeben, das ist Gladbach nach 2020 abhandengekommen. „Die Eintracht hat in den vergangenen Jahren das gemacht, was uns über Jahre ausgezeichnet hat: Sie hat Spieler günstig eingekauft, sie entwickelt und gut verkauft. Das ist der Weg, auf den wir auch wieder zurückwollen“, sagt Virkus.
Trainer Die Eintracht hatte seit 2016 vier Trainer, drei davon haben den Fußball-Stil der Frankfurter in einer klaren Linie stets fortgesetzt: Niko Kovac etablierte das Unangenehme als Prinzip, Adi Hütter reicherte es um klarere Abläufe an, Oliver Glasner verfeinerte es mit mehr FußballElementen – eine solche stilistische Stringenz hatte Borussia nicht. Nach Marco Rose und Hütter gab es die Rolle rückwärts zum ultimativen Ballbesitz-Fußball unter Daniel Farke, Gerardo Seoane ist nun dabei, die Dinge zu entwirren und herauszufinden, was denn der beste Fußball für Gladbach ist.
Bei der Eintracht soll Toppmöller den nächsten Schritt machen, doch das Veredeln fällt schwer, weil die Ansprüche gewachsen sind. Wie kompliziert es ist, ein Add-on auf einen lieb gewonnen Ansatz zusetzen, hat Borussia erlebt. Was die Eintracht aber tat – die Trainer bekamen mehr Zeit als eine Saison. Die wird auch Seoane bekommen. „Es braucht Zeit, um zu sehen, was ein Team braucht , um es dann entsprechend zu formen. Diese Zeit müssen wir dem Trainer geben“, sagt Virkus.