Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Der Begriff ‚wahre SPD’ ist eine Provokation“
Der Spd-landeschef spricht über das Verhältnis zu seinem Vorgänger und zu Fraktionschef Kutschaty.
DÜSSELDORF Sebastian Hartmann hat eine kurze Nacht hinter sich. Der Landeschef der nordrhein-westfälischen SPD hat den frühen Flug aus Berlin genommen. In NRW spricht er über seine zuletzt nicht ganz so harmonische Doppelspitze mit Fraktionschef Kutschaty und die Absetztendenzen seines Vorgängers.
Als Spd-landeschef sind Sie ein natürlicher Kandidat für den Parteivorsitz im Bund. Treten Sie an? HARTMANN Ich bin mit einem tollen Team seit genau einem Jahr im Amt. In der Spitze der NRW-SPD sind wir im Schnitt 42 Jahre jung. Wir werden uns weiter konstruktiv mit Vorschlägen in den Prozess auf der Bundesebene einbringen und unseren Kurs im Land fortsetzen. Die SPD muss endlich wieder ein eigenständiges und unverwechselbares politisches Profil entwickeln. Eine Kandidatur als Spd-bundesvorsitzender strebe ich nicht an.
Warum nicht?
HARTMANN Wir wollen und müssen die Landesregierung stellen und vor allem unsere Alternativen aufzeigen – sagen, was wir anders und besser machen wollen. Das wird in NRW ein Dauerlauf. Ich werde die Zeit nutzen, um unsere Inhalte bei den Themen wie beispielsweise bezahlbarem Wohnen, bester Bildung oder der Entlastung von kommunalen Altschulden in NRW voranzubringen.
Das heißt, Sie wollen das Feld dem Spd-fraktionsvorsitzenden Thomas Kutschaty überlassen, der ja sein Interesse an einer Kandidatur schon signalisiert hat?
HARTMANN Zu den Plänen von Thomas Kutschaty kann ich nichts sagen. Ich habe den Medien lediglich ein offenbar missverständliches Zitat entnommen.
Sie hatten also auch bis jetzt noch keine Gelegenheit, mit Herrn Kutschaty darüber zu sprechen? HARTMANN Doch, klar. Ich habe ihn angerufen.
Mit welchem Ergebnis?
HARTMANN Das Gespräch bleibt vertraulich.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Thomas Kutschaty beschreiben? HARTMANN Er selbst sagte mal: „Auf jeden Fall klappt es besser als bei AKK und Friedrich Merz.“Es ist ein ordentliches Arbeitsverhältnis. Wir stimmen uns bei allen wichtigen politischen Fragen kontinuierlich ab, und die Fraktion ist voll in unseren Prozess der Zukunftsdebatten integriert.
Das klingt nicht nach einem Dream-team...
HARTMANN Vorsitzende freuen sich nie, wenn sie wesentliche Dinge aus den Medien erfahren. Das gilt parteiübergreifend, glaube ich. Es geht aber um mehr. Wir haben gemeinsam die Verpflichtung, die SPD wieder nach vorn zu bringen. Dafür braucht es Führung, vor allem auch gutes Teamplay. Daran arbeiten wir. Und hierfür gibt es einen klaren Auftrag der Partei. Und dann noch die Initiative „Die wahre SPD“um Michael Groschek... HARTMANN Der Begriff „wahre SPD“ist eine Provokation. Doch die Initiatoren stützen meinen Kurs „Rot pur“. Das hat Mike Groschek öffentlich erklärt und auch zugesagt, dass er nicht mehr über Köpfe hinweg kommuniziert. Wir sind eine demokratische Partei, in der es unterschiedliche Meinungen gibt. Die SPD ist und bleibt die spannendste Partei Deutschlands. Wir sollten aber nicht nur um uns selbst kreisen. Unsere gesellschaftliche Funktion ist es, das Land zusammenzuhalten und nach vorn zu bringen.
Sollte die SPD den Anspruch einer Volkspartei nicht besser aufgeben? HARTMANN Die NRW-SPD ist Volkspartei und will es bleiben. Wir haben rund 10.000 kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger und über 100.000 Mitglieder in NRW. Die Grünen übrigens hatten sich noch bei der jüngsten Landtagswahl halbiert. Das zeigt: Es bringt nichts, dynamisch über irgendwelche Bühnen zu laufen und Trends hinterherzurennen. Wir wollen gut bezahlte Industriearbeitsplätze in unserem Land erhalten und mit ökologischen Themen verbinden. Die Kosten für Energie müssen für alle bezahlbar bleiben, das gilt für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für die Industrie. Die Energiewende sozial und gerecht gestalten: Das kann nur die SPD.