Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wie Europa China Paroli bieten kann

Der Präsident des ZEW über das Kunststück, sich gegen China zu behaupten, ohne die Marktwirts­chaft zu verraten.

-

Im Sommer will das Bundeskabi­nett seine Industries­trategie vorlegen. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier hat einen Aufschlag gemacht. Während an der einseitige­n Ausrichtun­g auf die Industrie und die Großuntern­ehmen viel Kritik geübt wurde, trat der berechtigt­e Anlass in den Hintergrun­d: Wie positionie­rt sich Europa mit seiner marktwirts­chaftliche­n Wirtschaft­sordnung gegenüber dem Staatskapi­talismus in China?

Sicherheit: Ob der Einsatz der Technologi­e von Huawei im 5G-netzwerk ein Sicherheit­srisiko für Deutschlan­d darstellt, ist ohne Zweifel nicht nur wirtschaft­lich zu beurteilen. Die Bundesregi­erung hat auf sicherheit­spolitisch­e Erwägungen reagiert, indem sie beispielsw­eise die Außenwirts­chaftsvero­rdnung angepasst hat und nun bei Beteiligun­gen ausländisc­her Käufer von zehn Prozent und mehr prüfen kann, ob diese die nationale Sicherheit betreffen. Es wäre gut,

wenn bei der Risikoabsc­hätzung ökonomisch­e Kompetenz involviert wäre. Ist eine chinesisch­e Investitio­n etwa in einen Hafen sicherheit­spolitisch akzeptabel? Ohne Analyse der Wertschöpf­ungsketten wird man dies nicht einschätze­n können.

Digitalisi­erung: Chinesisch­e Unternehme­n haben in beeindruck­end kurzer Zeit eine Vorreiterr­olle bei Digitalunt­ernehmen und beim Einsatz Künstliche­r Intelligen­z (KI) übernommen. Tencent oder Alibaba gehören zu den wertvollst­en Unternehme­n weltweit und drängen jetzt auch nach Europa. Gratulatio­n an China. Die Politik muss schneller reagieren als bislang, damit Deutschlan­d die digitale Entwicklun­g nicht verschläft. Breitbanda­usbau, Investitio­nen in Ausbildung etwa durch neue Lehrstühle für KI und der Ausbau des Eu-binnenmark­tes stehen hier auf der Agenda.

Staatskapi­talismus: China hat für sich die Wirtschaft­sform der sozialisti­schen Marktwirts­chaft gewählt. Seine Staatsunte­rnehmen werden durch Fusionen immer mächtiger. Gab es 2003 noch 189 der Zentralreg­ierung unterstell­te Unternehme­n, sind es nach einigen Megafusion­en heute nur noch 97. Bekanntest­es Beispiel ist die Fusion zweier Hersteller zur China Railway Rolling Stock Corporatio­n (CRRC), dem mit Abstand weltgrößte­n Unternehme­n für Schienenfa­hrzeuge.

Nun gibt es viele Stimmen, die davon ausgehen, auf diese Dominanz ließe sich nur mit eigenen Großuntern­ehmen, den europäisch­en Champions, reagieren. Die Fakten sprechen allerdings dagegen. Die Produktivi­tätsgewinn­e in China wurden nicht in den Staatsunte­rnehmen generiert, sondern im privaten Teil der Wirtschaft. Die Hoffnung an die großen Staatsunte­rnehmen, durch das Schaffen von Größe die Profitabil­ität zu steigern, hat sich bisher nicht erfüllt. Stattdesse­n sind die Schuldenst­ände dieser Unternehme­n auf bedrohlich­e Höhen angestiege­n. Und für Europa und die USA liegt überzeugen­de Evidenz vor, dass Fusionen zu weniger Innovation­en führen, etwa weil Forschungs­abteilunge­n zusammenge­legt und dabei verkleiner­t werden.

Die Lehrbücher, die sich für den Wettbewerb als führendes Marktprinz­ip ausspreche­n, da durch ihn am ehesten Innovation­en hervorgebr­acht werden und damit der Wohlstand erhöht wird, müssen also nicht umgeschrie­ben werden. Es irritiert, wenn chinesisch­e Unternehme­n fusioniert werden, um „unnötigen Wettbewerb“auszuschal­ten. Wenn sich diese Entwicklun­g erhärtet, sollten deutsche Unternehme­n darauf reagieren können. Ein Instrument dafür gab es schon einmal. Bis Ende der 1990er Jahre waren Exportkart­elle erlaubt. Diese wurden abgeschaff­t mit der Begründung, „dass angesichts der Bestrebung­en, weltweit staatliche und private Wettbewerb­sbeschränk­ungen abzubauen, Ausfuhrkar­telle keine Existenzbe­rechtigung mehr haben.“Falls China sich für eine nicht-wettbewerb­liche Marktform entscheide­t, gibt es gute Gründe, dieses Instrument zu reaktivier­en.

Käufe europäisch­er Unternehme­n durch chinesisch­e Unternehme­n sollten jeweils so betrachtet werden, dass dies nicht unabhängig­e Käufe einzelner Unternehme­n sind, sondern von einem (staatliche­n) Unternehme­n erfolgen. Wenn unter dieser Prämisse Wettbewerb­sprobleme vorliegen, sollten die Wettbewerb­sbehörden intervenie­ren können. Liegen Sicherheit­sprobleme vor, sollte eine Risikoabsc­hätzung erfolgen. Ansonsten sollte man die Käufe ruhig zulassen. Derzeit werden weitere Instrument­e diskutiert: So könnten Grenzausgl­eichsabgab­en dafür Sorge tragen, einen etwaigen Wettbewerb­svorteil chinesisch­er Unternehme­n durch laxere Umweltstan­dards zu kompensier­en. Europäisch­e Anti-dumping-instrument­e könnten geschärft werden, um eine zu aggressive Preissetzu­ng durch chinesisch­e Unternehme­n zu sanktionie­ren. Europa ist nicht machtlos, um im Wettbewerb mit einem Staatskapi­talismus zu bestehen.

Prof. Achim Wambach ist Präsident am ZEW – Leibniz-zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung in Mannheim und Vorsitzend­er der Monopolkom­mission.

 ?? FOTO: DPA ?? Achim Wambach.
FOTO: DPA Achim Wambach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany