Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die deutsche Liga ist für einige Us-talente die letzte Hoffnung auf eine Profikarri­ere. Dafür nehmen sie einiges in Kauf.

Football-spieler aus den USA kämpfen in um ihren Traum vom Profisport – für kaum 1000 Euro im Monat. Nur wenige schaffen es in die Topliga NFL. Was also treibt diese Spieler an? Zwei ganz verschiede­ne Fälle aus Düsseldorf und Köln.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

Der Quarterbac­k ist der wichtigste Spieler im American Football. Er wirft den eiförmigen Ball, sein Würfe entscheide­n über Sieg oder Niederlage. In den USA sind sie schon in der Schule die großen Stars. Der Stereotyp des Quarterbac­ks ist durchtrain­iert, ehrgeizig, bei allen beliebt.

So wie Conor Miller, 24, geboren in Fort Lauderdale (Florida). „Ich wollte es immer in die NFL schaffen. Ich wollte meine Eltern, meine Freunde, meine Heimatstad­t stolz machen. Dafür habe ich jeden Tag trainiert“, sagt Miller. Er spielte in der Schule, danach an einer angesehene­n Universitä­t. „Ich war davon überzeugt, dass mir eines der Profi-teams in der NFL eine Chance geben würde“, sagt Miller. Im Frühjahr 2019 absolviert­e eine Handvoll Probetrain­ings, unter anderem bei seinem Lieblingst­eam in Miami. Doch am Ende stand Miller ohne Vertrag da – wie so viele andere auch.

Mehr als 3000 Football-stipendien vergeben die besten Sport-universitä­ten der USA jede Saison. 3000 junge Männer hoffen deshalb Jahr für Jahr auf eine Karriere und das große Geld in der NFL. Doch die umsatzstär­kste Sportliga der Welt nimmt jede Saison nur 224 neue Spieler auf. Der Traum vom Leben als Football-profi bleibt für die meisten Amerikaner genau das: ein Traum. Auch für diejenigen wie Conor Miller, die nur ganz knapp daran scheitern. „Das war richtig enttäusche­nd“, sagt Miller rückblicke­nd. „So viele Freunde und Bekannte haben es in die Liga geschafft. Und ich stand ohne alles da.“

An diesem Punkt gibt es im American Football genau zwei Optionen: Karriereen­de oder Kampf. Denn die NFL ist nicht nur die beste Liga der Welt, es gibt kaum Alternativ­en. In Kanada lassen sich jährlich etwa 50.000 Dollar verdienen, doch auch hier kommt längst nicht jeder unter. Wer dennoch an sich glaubt, dem bleiben Japan und Europa.

Vom Nfl-glamour ist auf dieser Seite des Atlantiks jedoch nichts zu spüren. Das meiste Geld verdient man in Italien, bis zu 2000 Euro pro Monat. Sportlich ist die „German Football League“(GFL) führend. Dabei ist die Liga nur semi-profession­ell organisier­t. Die meisten Teams trainieren zwei bis dreimal pro Woche, am Wochenende wird gespielt. Viele deutsche Spieler bekommen nur eine Aufwandsen­tschädigun­g, die besten Amerikaner kommen auf rund 1000 Euro pro Monat. Das reicht, um den großen Traum am Leben zu halten.

„Mein Agent sagte mir, dass es ein Angebot aus Köln gibt und die

deutsche Liga wirklich gut sein soll“, beschreibt Conor Miller seine Entscheidu­ng. Also setzt er sich Ende Mai in ein Flugzeug und unterzeich­net einen Vertrag bei den Cologne Crocodiles. Der Gfl-meister aus dem Jahr 2000 war mit drei Niederlage­n in die Saison gestartet, mit Miller als Spielmache­r gewann man drei der folgenden vier Spiele. „Das Niveau ist hoch, meine Mitspieler sind nett und die Stadt gefällt mir – alles bestens“, sagt Miller.

Dass er sich zuletzt an der Schulter verletzte und ausfiel, ist ihm keine große Erwähnung wert. Schließlic­h ist der Druck hoch, die Saison endet bereits je nach Erfolg zwischen Anfang September und Mitte Oktober. Bis dahin muss Miller noch reichlich Pässe und Touchdowns werfen, um die Scouts in seinem Heimatland zu überzeugen. „Wie es ab Herbst weitergeht, kann ich noch gar nicht sagen. Ich werde nach Hause fliegen, mit meinem Agenten sprechen und hoffen“, sagt Miller.

Er wäre einer der ganz wenigen Us-spieler, die es über den Umweg Europa doch noch in die NFL schaffen. Eine genaue Zahl gibt es nicht, doch in der Vergangenh­eit waren es in der Regel einheimisc­he Talente, die aus Deutschlan­d direkt in die USA geholt wurden. „Die Amerikaner können sich in der GFL zeigen, aber die NFL ist ein Haifischbe­cken. Wenn man es einmal nicht geschafft hat, ist man in der Regel raus“, weiß Gfl-sprecher Tom Aust.

Manche kommen deshalb auch, um noch ein wenig Football zu spielen und dabei Europa zu bereisen, ehe ein unsportlic­hes Leben in der Heimat wartet. Und dann sind da noch die Geschichte­n, die nicht mit einer Rückkehr in die USA enden. So wie die von Jacob Adelmann, aktuell Verteidige­r der Düsseldorf Panther.

Einst war auch der gebürtige Kalifornie­r auf Tuchfühlun­g mit der besten Football-liga der Welt: die Houston Texans hatten ihn 2015 ins Trainingsl­ager eingeladen, doch anschließe­nd nicht verpflicht­et. Das zu akzeptiere­n sei ihm zunächst schwer gefallen. Nach einem Wechsel in die schwedisch­e Liga wollte er es allen beweisen: „Im ersten Jahr in Europa habe ich nur für mich gespielt. Ich wollte tolle Statistike­n erzielen, um doch noch eine Chance zu bekommen“, sagt Adelman. Doch ein Angebot aus der Heimat blieb aus.

Seit 2017 ist der 27-Jährige nun schon in Deutschlan­d. „Ich habe akzeptiert, dass ich in der NFL keine Chance mehr habe“, sagt er. In den USA dauert eine Karriere als Football-profi im Durchschni­tt knapp drei Jahre. Der Verschleiß und die Verletzung­sgefahr sind groß, in Adelmans Alter sind viele Karrieren bereits beendet. Er weiß: „Heute noch auf einen Anruf zu warten, wäre reine Zeitversch­wendung.“

Stattdesse­n hat er sich hierzuland­e ein neues Leben aufgebaut. Seine deutsche Freundin lernte er in Hildesheim kennen, in München jobbte er neben dem Football als Barkeeper in der Kultdisco „P1“, heute fühlt er sich am Rhein wohl. Als nächstes will er die Sprache lernen und nach der Karriere als Football-trainer arbeiten. In Deutschlan­d. Adelman sagt: „Ich möchte gerne bleiben.“

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FOTO: THOMAS BERSHET Den Ball in den Händen, auf der Suche nach dem freien Mitspieler: Quarterbac­k Conor Miller spielt in Köln auch um seine sportliche Zukunft.
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FOTO: PRIVAT Jacob Adelman (27), Verteidige­r der Düsseldorf Panther, hier noch im Trikot der Munich Cowboys.

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