Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„In den Akademien wird sehr gut gearbeitet“
Der frühere Bundestrainer spricht über die U21-EM, das deutsche Frauen-team und einen Systemfehler.
MÖNCHENGLADBACH Als Bundestrainer führte Berti Vogts Deutschland 1996 zum Europameister-titel. Zu seinem Team gehörte der heutige U21-trainer Stefan Kuntz. Den deutschen Nachwuchs betreute Vogts, 72, selbst auch einige Jahre. Im Interview spricht er über das bisherige Abschneiden des DFB bei der U21-EM, die Qualität der Nachwuchs-akademien, die Entwicklung im Frauenfußball und einen Fehler im deutschen Fußballsystem.
Herr Vogts, die U21 steht im Em-halbfinale (Donnerstag, 18 Uhr, gegen Rumänien). Was sagt das über die Qualität des deutschen Nachwuchses aus?
VOGTS Was mir an unser U21 gefällt, ist die Art und Weise, wie sie spielt. In den Akademien der Bundesliga-klubs wird offenbar sehr gut gearbeitet. Was mich sehr freut ist, dass wir bei der U21 wieder viele Stürmertore sehen und nicht mehr nur Tore von Mittelfeldspielern oder durch Standards. Wichtiger als das Erreichen des Halbfinales ist aber die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Das ist eine große Sache, ich selbst habe das als Co-trainer von Erich Ribbeck 1984 erlebt. Die Atmosphäre, das Miteinander mit den anderen Sportlern, das ist etwas Besonderes.
Spricht die Breite des Nachwuchses dafür, dass der DFB 2020 bei der EM und 2022 bei der WM wieder eine bessere Rolle spielen kann als 2018 in Russland?
VOGTS Das ist eine typisch deutsche Frage. Wir sollten nicht vergessen, dass andere Nationen auch eine sehr gute Arbeit machen und viele Talente haben. Frankreich oder England zum Beispiel. Es kommt darauf an, wie sich unsere Spieler weiterentwickeln. Wie gut die Qualität ist, wird sich zeigen, wenn der Druck größer ist: In der U21 können die Spieler nach Herzenslust drauflos kicken, in der A-mannschaft wird einem aber nichts verziehen, so lange nicht gewonnen wird. Das ist der große Unterschied.
Ist der Fußball der U21 modern? VOGTS Der Fußball, den die Mannschaft gegen Dänemark und Serbien gespielt hat, auf jeden Fall. Die Aggressivität, das Tempo, das war eines Europameisters würdig.
Es könnte in diesem Sommer zwei Titel geben. Deutschlands Frauen sind mit vier Siegen ohne Gegentor ins Wm-viertelfinale eingezogen ... VOGTS Das freut mich, wenn ich daran denke, wie die Frauen für ihren Fußball gegen viele Widerstände gekämpft haben, um eine Nationalmannschaft zu bekommen. 1982 war das erste Länderspiel gegen die Schweiz in Koblenz. Die Entwicklung seitdem spricht für die Arbeit, die der DFB gemacht hat.
Ist der Vergleich des Frauenfußballs mit dem Männerfußball legitim? VOGTS Nein. Die Frauen haben vielleicht weniger Tempo, spielen aber einen schönen Fußball. Ich wünsche mir bei der WM ein Finale zwischen Deutschland und den USA. In den USA hat der Frauenfußball einen anderen Stellenwert. Soweit sind wir noch nicht. Aber Martina Voss-tecklenburg und ihr Team haben einen tollen Auftritt. Das hilft dem Frauenfußball für die Zukunft.
Schauen wir auf die Bundesliga. Acht von 18 Trainern sind Neulinge in der Liga.
VOGTS Das heißt auch, dass einige Trainer ihren Job verloren haben. Das ist bedauerlich. Die Schuld daran kann man nicht nur den Trainern geben. Das System bewegt sich in Deutschland in eine falsche Richtung. Denn wer macht die Kaderplanung? Der Manager oder der Kaderplaner. Was entscheidet da noch der sportlich Verantwortliche? Es würde den Trainern helfen, mehr Mitspracherecht zu haben, wie zum Beispiel die Teammanager in England.