Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der Herr der Ringe bei den Jungstörchen
Der Nachwuchs der Störche in Bislich gedeiht gut. Fünf Jungtiere konnten jetzt von Michael Jöbges beringt werden. Hans Glader von der Stiftung Störche ist zuversichtlich, dass die Population am Niederrhein gut durch die Saison kommt.
NIEDERRHEIN Wer Vögel beringen will, um ihre Entwicklung verfolgen zu können, der muss den richtigen Zeitpunkt erwischen. Sind sie jung, kann der Ring übers Gelenk rutschen. Sind sie zu alt und schon unternehmungslustig, wird man ihrer gar nicht habhaft. Ein Alter von fünf bis sechs Wochen gilt bei Jungstörchen als günstiger Moment, um ihnen die Markierung mit auf den Weg zu geben. Denn dann stellen sie sich anrückenden Menschen gegenüber tot, erklärt Hans Glader. Während in Bislich der jeweils dreiköpfige Nachwuchs in den Nestern auf der Kirchenwoy und bei Bienen-scholt schon zu groß ist, gelang am Montagabend das Beringen der Artgenossen an den Standorten Ronduit (zwei Junge) und Heiligers (drei) gut.
Die Lizenz dazu brachte der ehrenamtlich für die Stiftung Störche NRW wirkende Michael Jöbges mit, der hauptberuflich in der Vogelwarte des Lanuv (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) in Recklinghausen arbeitet.
Der Herr der Ringe hatte leichtes Spiel. Nach der Annäherung per Hebebühne konnte Michael Jöbges sich die „toten“Jungstörche bequem zurechtschieben. „Absolut regungslos, nur die Augen flackern dauernd“, schildert Glader das Verhalten der Tiere, die insgesamt einen guten Eindruck auf ihn machen. Alle seien fit und gut genährt.
Etwa Mitte Juli würden die Jungstörche wohl schon zu ausgedehnte Erkundungsflügen abheben und Ende Juli die Bindung zur elterlichen Wohnung abreißen lassen. Gleichwohl stellt Hans Glader fest, dass einige Alttiere in diesen Tagen „richtig Stress haben“. Er habe an verschiedenen Nestern beobachten können, dass beide Eltern zeitgleich abwesend, also auf der Jagd nach Futter waren. „Normalerweise wechseln sie sich ab“, sagt Glader.
Die aktuelle Trockenheit und Hitze hält er schon für bedenklich. Regenwürmer, gerade für dünne Jungstorchenhälse erste Wahl, seien kaum zu finden. Glader hofft, dass alle heranwachsenden Tiere alsbald Jagderfahrungen machen und ihre Techniken verfeinern können. Genauere Aussagen zur Entwicklung der Population im Vergleich zu den Vorjahren könnten erst ab Ende August gemacht werden. Mit derzeit elf Jungstörchen in vier Nestern sieht die Lage für den Experten in Bislich ganz gut aus. Glader listet weitere Brutpaare in der Weseler Aue, in Ringenberg, Hamminkeln, Wertherbruch, Dingden sowie jeweils zwei in der Dingdener Heide und in Vehlingen auf. Das macht zusammen 13 Paare in der Region, die Hans Glader überschauen kann. Zudem weiß er von Paaren in Birten und Ginderich sowie stolzen zehn auf der Bislicher Insel bei Xanten. Außerdem seien junge Störche unterwegs, die sich noch nicht mit der Familiengründung befasst hätten. Denn damit beginnen sie laut Glader erst im dritten Jahr.
Für NRW gehen Michael Jöbges und Hans Glader jedenfalls im Augenblick davon aus, dass 2019 ein gutes Storchenjahr wird. Im Kreis Minden-lübbecke wurden jetzt 88 Paare gezählt. 1990/91 gab es dort die einzigen drei in ganz Nordrhein-westfalen.